19.11.2003 · IWW-Abrufnummer 032567
Bundesgerichtshof: Urteil vom 10.09.2003 – VIII ZR 58/03
Zur Frage der Fortgeltung einer wegen öffentlicher Förderung von Modernisierungsmaßnahmen vertraglich vereinbarten Beschränkung von Mieterhöhungen, wenn der neue Vermieter das Wohnhaus in der Zwangsversteigerung erworben hat, ohne die Verpflichtungen aus dem öffentlich-rechtlichen Fördervertrag von dem Rechtsvorgänger zu übernehmen.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 58/03
Verkündet am:
10. September 2003
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Wiechers, Dr. Wolst und Dr. Frellesen
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin vom 6. Januar 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Aufgrund eines Mietvertrages vom 26. Juni 1990 bewohnen die Beklagten eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in B. , Stadtteil P. , H. -Straße . In den Jahren 1996 bis 1998 führte der damalige Eigentümer des Anwesens Modernisierungsarbeiten durch, die vom Land B. entsprechend einem im Jahre 1994 abgeschlossenen Fördervertrag mit öffentlichen Mitteln bezuschußt wurden. Im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen vereinbarten der Vermieter und die Beklagten am 7. April 1998 eine Ergänzung zum Mietvertrag vom 26. Juni 1990, in der der Beginn des Mietverhältnisses für die modernisierte Wohnung auf den 1. Mai 1998 festgelegt und die Höhe der Nettokaltmiete sowie der Vorauszahlungen für die Nebenkosten geregelt wurden. Außerdem heißt es in Nr. 7 des Schriftstücks, es werde als weiterer Bestandteil des Mietvertrags die beigefügte "Anlage 1 - Mietenentwicklung" vereinbart. Diese formularmäßig ausgestaltete Anlage enthält einen einleitenden Hinweis auf die öffentliche Förderung der durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen und die sich daraus ergebenden Beschränkungen der Miethöhe "im Bindungszeitraum der Förderung (in der Regel 20 Jahre)". In den anschließenden Absätzen werden die nach dem Förderungsvertrag und den einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe zulässigen jährlichen Mieterhöhungen (0,25 DM/m² und Monat) im einzelnen erläutert.
Im Jahr 2000 wurde das Anwesen zwangsversteigert und mit Beschluß vom 15. Dezember 2000 der Klägerin zugeschlagen.
Mit Schreiben vom 24. August 2001 forderte die Klägerin unter Berufung auf den Berliner Mietspiegel 2000 von den Beklagten die Zustimmung zu einer Mieterhöhung um 1,30 DM von bisher 553,86 DM (6,50 DM/m²) auf 664,56 DM (7,80 DM/m²) ab 1. November 2001. Dies lehnten die Beklagten ab. Daraufhin hat die Klägerin gegen die Beklagten Klage auf Zustimmung zu der genannten Mieterhöhung erhoben. Sie ist der Auffassung, sie sei an die sich aus dem Förderungsvertrag in Verbindung mit den §§ 2 und 3 MHG ergebende Begrenzung der Mieterhöhung auf 0,25 DM/m² monatlich nicht gebunden, weil sie in jenen Vertrag nicht eingetreten sei. Die Erklärung über die Mietenentwicklung sei auch nicht Bestandteil des Mietvertrages geworden, vielmehr habe es sich hierbei lediglich um eine in dem Fördervertrag vorgesehene Information des Mieters gehandelt. Überdies habe sie von den Fördermitteln nichts erhalten.
Die Beklagten halten die Klage für unbegründet. Sie sind der Ansicht, die Anlage zur Mietenentwicklung stelle eine vertragliche Vereinbarung dar, die die begehrte Mieterhöhung ausschließe.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht dem Erhöhungsverlangen der Klägerin in Höhe von 10,89 ? (21,30 DM = 0,25 DM/m²) auf 294,07 ? (575,15 DM) ab 1. November 2001 stattgegeben und das Rechtsmittel im übrigen zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klagebegehren weiter, soweit es vom Landgericht abgewiesen worden ist.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Das Mieterhöhungsverlangen sei (nur) hinsichtlich des Betrages von 0,25 DM/m² wirksam; insbesondere habe es keiner Angabe von Kürzungsbeträgen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 MHG a.F. bedurft, da die Klägerin keine Zuschüsse erhalten habe. Ein weitergehender Erhöhungsanspruch stehe der Klägerin jedoch nicht zu; denn die Vereinbarung über die Beschränkung der jährlichen Mieterhöhung auf 0,25 DM/m² in der "Anlage 1 - Mietenentwicklung" sei Bestandteil des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages geworden. In diesen Mietvertrag sei die Klägerin durch den Erwerb des Anwesens in der Zwangsversteigerung wirksam eingetreten; eines gesonderten Eintritts in den Fördervertrag, auf den in der Anlage 1 ausdrücklich Bezug genommen werde, habe es daher nicht bedurft.
Der Vereinbarung in der Anlage sei auch keine Abhängigkeit von dem Fördervertrag zu entnehmen, insbesondere sei dort keine Regelung für den Fall getroffen worden, daß der Fördervertrag ende oder aus anderen Gründen keine Förderung stattfinde. Dies stelle jedoch keine Lücke der Vereinbarung dar, die mittels einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen sei. Bei der Vereinbarung über die Begrenzung der Mieterhöhung handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, bei der eine ergänzende Vertragsauslegung nur ausnahmsweise in Betracht komme. Das Formulierungsrisiko - hier in Form der Nichtregelung des Falles der Beendigung des Fördervertrages oder des Fehlens einer Förderung aus anderen Gründen - treffe den Verwender eines Formularvertrages. Im vorliegenden Fall seien keine außergewöhnlichen Umstände ersichtlich, die dennoch eine ausnahmsweise eingreifende ergänzende Vertragsauslegung rechtfertigen könnten. Da entgegen der Ansicht der Klägerin auch kein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliege und im übrigen entgegenstehende Rechtsprechung zu der hier entscheidenden Frage nicht bestehe, sei das Erhöhungsverlangen der Klägerin, soweit es 0,25 DM/m² übersteige, unbegründet.
II.
Diese Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung in dem entscheidenden Punkt nicht stand. Das Berufungsgericht hat mit rechtsfehlerhafter Begründung die gebotene Auslegung des Vertrages unterlassen.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die auf tatrichterlicher Auslegung beruhende Annahme des Landgerichts, die Anlage 1 zu der Ergänzungsvereinbarung vom 7. April 1998 stelle eine vertragliche Abmachung über die Begrenzung künftiger Mieterhöhungen dar. Dafür spricht schon der Wortlaut der Ziffer 7 der Ergänzungsvereinbarung ("Als weitere Bestandteile des Mietvertrages werden vereinbart: Anlage 1 - Mietenentwicklung..."). Die Revision zeigt keine Umstände auf, die diese Auslegung des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft erscheinen lassen könnten. Soweit sie geltend macht, es handele sich lediglich um die Wiedergabe der Bestimmungen des Fördervertrages und eine bloße Bezugnahme auf gesetzliche Vorschriften, jedoch nicht um eine eigenständige Abrede über eine Mietenbegrenzung, setzt sie in revisionsrechtlich unzulässiger Weise ihre eigene Auslegung an die Stelle derjenigen des Tatrichters.
2. Zutreffend geht das Landgericht ferner davon aus, daß es sich bei der Anlage 1 zu der Ergänzungsvereinbarung vom 7. April 1998 um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des hier noch anwendbaren § 1 Abs. 1 AGBG handelt (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). Das zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Dabei kann im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen, ob die in der Anlage enthaltene Regelung der künftigen Mieterhöhungen in gleicher oder ähnlicher Form auch außerhalb des Bezirks des Kammergerichts verwendet wird, wofür der Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 2 und 3 MHG sprechen könnte. Zwar unterliegt die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann der uneingeschränkten Prüfung durch das Revisionsgericht, wenn sie in mindestens zwei Oberlandesgerichtsbezirken verwendet werden und deshalb im Interesse der Rechtseinheit ein Tätigwerden des Revisionsgerichts geboten ist (Senatsurteil BGHZ 112, 204, 210 m.w.Nachw.; MünchKomm/Basedow, 4. Aufl., § 305 Rdnr. 45). Da das Landgericht die Pflicht zur umfassenden Würdigung des Prozeßstoffes (§ 286 ZPO) dadurch verletzt hat, daß es die Auslegung einer maßgeblichen Vertragsbestimmung unterlassen hat, ist aber auch bei einer nur begrenzten Überprüfbarkeit seiner Feststellungen ein Rechtsfehler gegeben.
a) Die Klägerin hat beim Erwerb des Grundstücks die von ihrem Rechtsvorgänger dem Land B. gegenüber in dem Fördervertrag eingegangenen Verpflichtungen nicht übernommen. Nach ihrer von der Revision in Bezug genommenen Behauptung ist der Baukostenzuschuß, der ihrem Voreigentümer gewährt worden war, aus dem Versteigerungserlös zurückgezahlt worden. Dieses Vorbringen, das die Beklagten in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten haben, ist revisionsrechtlich zu unterstellen. Da die Klägerin selbst keine öffentlichen Mittel erhalten hat, sondern nur ihre Rechtsvorgängerin, und die Verpflichtungen aus dem Fördervertrag nicht an sie weitergegeben worden sind, ist sie an die dort vereinbarte Mieterhöhungsbegrenzung nicht gebunden; § 571 BGB ist nicht anwendbar (Senatsurteil vom 8. Oktober 1997 - VIII ZR 373/96, NJW 1998, 445). Sie ist allerdings durch den Erwerb des Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung in den Mietvertrag nebst Ergänzungsvereinbarung eingetreten (§§ 57, 90 ZVG), so daß sie in gleicher Weise wie der Voreigentümer durch die vertragliche Abmachung mit den Beklagten in dem Recht auf Mieterhöhung beschränkt wäre, auch wenn sie selbst zu keinem Zeitpunkt Baukosten- oder Aufwendungszuschüsse erhalten hat.
b) Welche Auswirkungen eine etwaige Rückzahlung des Baukostenzuschusses auf die in den Mietvertrag einbezogene Begrenzung der Mieterhöhungen hat, ist vom Berufungsgericht nicht geprüft worden. Der Fördervertrag sieht eine Rückzahlung nicht vor und trifft auch keine Regelung für den Fall, daß der Zuschuß vor Ablauf des Bindungszeitraums abgelöst wird. Es ist aber nicht auszuschließen, daß mit der Rückerstattung des Zuschusses die öffentlich-rechtliche Bindung des ehemaligen Vermieters an die Verpflichtungen nach §§ 7 bis 9 des Fördervertrages entfallen ist. Damit würde sich die Frage stellen, ob auch die in Anlage 1 vertraglich vereinbarte Begrenzung der Mieterhöhung - die auf den Fördervertrag verweist - beendet ist, so daß die in § 3 Abs. 1 Satz 3 bis Satz 7 MHG vorgesehene Beschränkung der an sich zulässigen Mieterhöhungen nicht eingreifen würde. Der einleitende Satz im fünften Absatz der Anlage 1 "im Bindungszeitraum der Förderung (in der Regel 20 Jahre) gelten folgende Bestimmungen" könnte dafür sprechen, daß die anschließenden Regelungen über die lediglich eingeschränkte Zulässigkeit von Mieterhöhungen nur gelten sollen, soweit der Vermieter aufgrund des mit dem Land B. geschlossenen Fördervertrages an die besonderen Vorschriften der §§ 2, 3 MHG über die Berücksichtigung öffentlicher Zuschüsse gebunden ist. Wenn, der Behauptung der Klägerin folgend, die Zuschüsse im Jahre 2000 aus dem Versteigerungserlös zurückgezahlt wurden und wenn dies zur Folge hätte, daß damit die Verpflichtungen des ursprünglichen Vermieters aus dem 1994 geschlossenen Fördervertrag hinfällig geworden sind, ist im Wege einer Auslegung zu prüfen, ob hiervon die Verpflichtungen des jeweiligen Vermieters im Rahmen einer Mieterhöhung den Mietern gegenüber beeinflußt werden sollten. Hierbei bedarf es einer Auseinandersetzung mit der vertraglichen Vereinbarung unter Berücksichtigung der Begleitumstände des Falles und der Interessenlage beider Vertragspartner. Mit seiner nicht weiter begründeten Annahme, der Vereinbarung über die Begrenzung der Erhöhung des Mietzinses lasse sich eine Abhängigkeit vom Fördervertrag nicht entnehmen, insbesondere sei keine Regelung für den Fall getroffen worden, daß der Fördervertrag ende oder aus anderen Gründen keine Förderung stattfinde, hat sich das Berufungsgericht von vornherein einer Auslegung verschlossen. Eine tragfähige Grundlage für die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin sei nach den Vereinbarungen in der Anlage 1 zum Mietvertrag an einer Erhöhung der Miete über 0,25 DM je Quadratmeter und Monat hinaus gehindert, ist somit nicht gegeben.
III. Das angefochtene Urteil ist daher auf die Revision der Klägerin aufzuheben, soweit das Landgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat. Zugleich ist die Sache, da der Senat an einer abschließenden Entscheidung gehindert ist, an das Landgericht zurückzuverweisen.