11.07.2006 · IWW-Abrufnummer 062017
Bundesgerichtshof: Urteil vom 07.06.2006 – XII ZR 34/04
a) Eine unzureichend vermauerte Wandöffnung, die den Einbruch in ein vermietetes Ladenlokal erleichtert, kann einen Mangel der vermieteten Räume darstellen.
b) Zu den Voraussetzungen der Anzeigepflicht des Mieters nach § 536 c Abs. 1 BGB.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 34/04
Verkündet am:
7. Juni 2006
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 12. April 2006 am 7. Juni 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 13. Januar 2004 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz aus einem gewerblichen Mietvertrag.
Die Klägerin mietete mit Vertrag vom 22. Oktober 1997 von der P. GmbH Gewerberäume in O. In dieses Mietverhältnis ist auf Vermieterseite der Beklagte durch Erwerb des Grundstücks eingetreten.
Vor Abschluss des Mietvertrages war an der Rückseite des Gebäudes eine Tür- oder Fensteröffnung ohne Verbund mit dem Restmauerwerk zugemauert worden. Auf diese von innen nicht sichtbare Beschaffenheit war die Klägerin nicht hingewiesen worden. Die Gebäuderückseite, an der sich ursprünglich die Öffnung befand, grenzt an ein Brachgelände der Deutschen Bahn AG.
Die Klägerin betreibt in den angemieteten Räumen ein Elektrogeschäft. Sie nutzt es zum Verkauf und zur Vorführung von hochwertigen Videoprojektoren, Lautsprechern und Abspielgeräten. In der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 2002 drangen Einbrecher, nachdem sie die Gebäudemauer an der zugemauerten Stelle durchbrochen hatten, in den Verkaufsraum der Klägerin ein und entwendeten Waren, deren Wert die Klägerin mit 50.000 ¤ beziffert.
Mit ihrer Teilklage verlangt die Klägerin vom Beklagten u.a. Schadensersatz in Höhe von 856,51 ¤, weil ihr bei dem Einbruch ein Verstärker mit einem solchen Nettoeinkaufswert entwendet worden sei. Das Amtsgericht hat die Klage insoweit mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte habe keine Pflichtverletzung begangen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung des geforderten Schadensersatzes in Höhe von 856,41 ¤ nebst Zinsen verurteilt, weil die Mieträume bei Abschluss des Mietvertrages mangelhaft gewesen seien und der Klägerin dadurch der behauptete Schaden entstanden sei. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Klägerin sei durch einen anfänglichen Mangel der Mietsache ein Schaden in Höhe von 856,41 ¤ entstanden, für den der Beklagte gemäß § 566 Abs. 1 in Verbindung mit § 536 a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB einzustehen habe. Die Mieträume seien bei Abschluss des Mietvertrages hinsichtlich des Mauerwerks mangelhaft im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB gewesen. Ein Mangel liege vor, wenn die Mietsache mit einem Fehler behaftet sei, der ihre Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch aufhebe oder erheblich mindere. Zwar hätten die Klägerin und die damalige Vermieterin keine ausdrückliche Vereinbarung über die Beschaffenheit des Mauerwerks getroffen. Auszugehen sei jedoch davon, dass die Räume zu dem von der Klägerin beabsichtigten Nutzungszweck geeignet sein sollten. Dazu gehöre nach der Verkehrsanschauung auch, dass die Räume den nach ihrem äußeren Erscheinungsbild erkennbaren Sicherheitsstandard erfüllten. Von innen hätten die Räume den Eindruck einer einheitlichen massiven Außenmauer hervorgerufen. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die damaligen Geschäftsführer der Klägerin den tatsächlichen Zustand des Mauerwerks bei Vertragsschluss gekannt hätten. Derartiges werde von dem Beklagten auch nicht konkret behauptet. Zudem habe der heutige Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen seiner Anhörung nachvollziehbar erklärt, es sei erforderlich, entweder durch fremde Gärten oder um den gesamten Straßenblock herumzugehen, um auf die Hinterseite des Grundstücks zu gelangen und die äußere Vermauerung zu sehen; daher habe bei Anmietung keine Besichtigung von außen stattgefunden. Die Klägerin habe nach dem Eindruck, den die Räume von innen bei der Vermietung machten, den von einem massiven Mauerwerk ausgehenden üblichen Sicherheitsstandard als vertraglich geschuldet voraussetzen dürfen. Dieser sei jedoch tatsächlich nicht eingehalten gewesen, was zu einem Mangel der Mieträume führe. Denn die Vermauerung der Wandöffnung sei nicht fachgerecht vorgenommen worden und habe deswegen einen Baumangel dargestellt. Die Vermauerung sei nämlich unstreitig ohne Verbund mit dem übrigen Mauerwerk erfolgt. Soweit die Öffnung mit einem Gitter versperrt gewesen sei, sei dieses nicht hinreichend einzementiert worden. Bei der Vermauerung sei - ebenfalls unstreitig - mit Zement gespart worden. Überdies sei die Mauer auch nicht von der gleichen Stärke wie das Restmauerwerk gewesen. Ein Putz - wie er an der umgebenden Wand aufgebracht gewesen sei - habe gefehlt, so dass sich die eingesetzte Mauer schon optisch vom übrigen Mauerwerk unterschieden habe. Durch diese nicht fachgerechte und nach außen erkennbare Vermauerung sei die Gefahr eines Einbruchs erhöht worden und habe sich an dieser Stelle auch tatsächlich realisiert. Mit dem Einbruch sei die Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Mieträume wegen des beschriebenen Baumangels deutlich geworden.
Da es sich um einen Mangel handele, der als Gefahrenquelle bereits bei Abschluss des Vertrages vorhanden gewesen sei, treffe den Beklagten die in § 536 a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB festgeschriebene Garantiehaftung, so dass es nicht darauf ankomme, ob er von dem Mangel hätte Kenntnis haben können oder müssen. Für den aus dem anfänglichen Mangel entstandenen Schaden habe der Beklagte gemäß § 566 Abs. 1 BGB als Erwerber des Grundstücks einzustehen. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Darüber hinaus würde der Zweck des § 566 Abs. 1 BGB, die Rechte des Mieters bei einem Eigentumswechsel nicht zu verkürzen, nicht erreicht werden, wenn der Erwerber sich darauf berufen könnte, während der Dauer seines Eigentums sei zwar der Schaden eingetreten, mit der weiteren Voraussetzung des Ersatzanspruchs, dem Vorliegen eines Mangels zur Zeit des Abschlusses des Vertrages, habe er allerdings nichts zu tun.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei schließlich davon auszugehen, dass der Klägerin durch den Einbruch u.a. auch der bislang geltend gemachte Schaden für den streitgegenständlichen Verstärker in Höhe von 856,41 ¤ entstanden sei. Die Zeugin S. habe nämlich glaubhaft ausgesagt, der Verstärker sei unmittelbar vor dem Einbruch noch vorhanden und nach dem Einbruch zusammen mit anderen Elektrogeräten verschwunden gewesen.
2. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht das Vorliegen eines anfänglichen Mangels der Mietsache im Sinne des § 536 a BGB bejaht.
Ein Mangel der Mietsache liegt dann vor, wenn der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch beeinträchtigt ist. Es sind allein die Vertragsparteien, die durch die Festlegung des dem Mieter jeweils geschuldeten vertragsgemäßen Gebrauchs bestimmen, welchen Zustand die vermietete Sache spätestens bei Überlassung an den Mieter und von da ab während der gesamten Vertragsdauer aufweisen muss. Ein Mangel ist nur dann anzunehmen, wenn die "Ist-Beschaffenheit" des Mietobjekts von der "Soll-Beschaffenheit" der Mietsache abweicht. Haben die Parteien einen konkret gegebenen schlechten Bauzustand als vertragsgemäß vereinbart, so sind insoweit Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche des Mieters ausgeschlossen.
Ist keine ausdrückliche Regelung zum "Soll-Zustand" getroffen, muss anhand von Auslegungsregeln (§§ 133, 157, 242 BGB) geprüft werden, was der Vermieter schuldet bzw. welchen Standard der Mieter aufgrund seines Vertrages vom Vermieter verlangen kann. Dabei ist die Verkehrsanschauung als Auslegungshilfe heranzuziehen. In der Regel ist auf den Standard zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen, wobei Veränderungen der Anschauungen über den vertragsgemäßen Standard oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Einzelfall zu einer Vertragsanpassung führen können (Senatsurteil vom 10. Mai 2006 - XII ZR 23/04 - zur Veröffentlichung bestimmt, m.N.).
Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht beachtet und einen anfänglichen Mangel im Sinne des § 536 Abs. 1 Alt. 1 BGB rechtsfehlerfrei bejaht. Es ist durch Auslegung des Vertrages und unter Heranziehung der Verkehrsanschauung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vermieterin bei Abschluss des Vertrages auch hinsichtlich des Mauerwerks den üblichen Sicherheitsstandard schuldete. Dies wird auch von der Revision zu Recht nicht in Abrede gestellt. Allerdings macht sie geltend, dass der Zustand der Räume dem üblichen Sicherheitsstandard entsprochen habe, denn dieser verlange nicht, dass das Gebäude in einer Weise gegen Einbruch gesichert sei, dass ein solcher überhaupt nicht mehr möglich sei. Einbrüche in Geschäftslokale ereigneten sich immer wieder, ohne dass dabei zugleich ein Mangel der Mietsache vorliege. Mieträume müssten daher, um dem üblichen Sicherheitsstandard zu genügen, nicht gegen Einbrüche gesichert sein, die - wie im vorliegenden Fall - eine erhebliche kriminelle Energie voraussetzten.
Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, dass die üblichen Sicherheitsanforderungen nicht verlangen, dass jedweder Einbruch ausgeschlossen ist. Hiervon ist jedoch das Landgericht nicht ausgegangen. Vielmehr hat es festgestellt, dass die nicht fachgerechte Vermauerung eine erhebliche Gefahrenquelle für Einbr üche darstellte und es den Einbrechern ermöglichte, an dieser Schwachstelle "ohne größere Schwierigkeiten" in die Mieträume einzubrechen. Unter diesen Voraussetzungen aber ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die bereits bei Vertragsschluss bestehende, nicht fachgerechte Vermauerung einen anfänglichen Mangel der Mietsache darstellte.
b) Die Revision rügt weiter, dass das Berufungsgericht nicht geprüft habe, ob die Klägerin in den fünf Jahren zwischen Abschluss des Mietvertrages und dem Einbruch Kenntnis von der fehlerhaften Vermauerung erlangt habe. Der Beklagte habe nämlich geltend gemacht, dass die Klägerin die bearbeitete Stelle im Mauerwerk hätte erkennen müssen. Dies beinhalte die Behauptung, dass die Klägerin, wenn schon nicht bei Vertragsschluss, so doch jedenfalls später von dem Zustand des Gebäudes Kenntnis erlangt habe, jedenfalls aber hätte erlangen müssen.
Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten entfällt auch nicht etwa deshalb, weil die Klägerin ihm diesen Mangel trotz Kenntnis oder grober Unkenntnis nicht angezeigt hätte (vgl. BGHZ 68, 281, 284). Denn nach den Feststellungen des Landgerichts liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Klägerin den Mangel kannte. Er musste sich ihr auch nicht aufdrängen, da er von innen nicht sichtbar war und von außen nur bei einer besonderen Nachschau, zu der die Klägerin als Mieterin nicht verpflichtet war (vgl. BGHZ aaO 285), zu erkennen gewesen wäre. Der Beklagte hat insoweit auch keine substantiierten Behauptungen aufgestellt, denen das Berufungsgericht hätte nachgehen können.
c) Die Revision rügt weiter, dass das Berufungsgericht kein Mitverschulden der Klägerin beim Zustandekommen des Schadens angenommen hat. Die Klägerin habe nämlich in den Räumen elektronische Geräte gelagert, die erfahrungsgemäß bei Dieben besonders beliebt seien, ohne sich insoweit davon zu überzeugen, dass diese ausreichend gegen Diebstahl gesichert seien.
Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht kein Mitverschulden der Klägerin angenommen. Vielmehr hatte die Klägerin, die auch mit der Lagerung hochwertiger Geräte von der Mietsache nur den vertragsgemäßen Gebrauch machte, keinen Anlass, das Mauerwerk, das von innen fehlerfrei erschien, von außen auf Mängel zu überprüfen.
d) Die Revision rügt schließlich, dass das Berufungsgericht die Aussage der Zeugin S. , auf die es die Tatsache des Diebstahls gestützt hat, nicht ordnungsgemäß nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO protokolliert habe. Der Senat hat die Rüge dieses Verfahrensmangels geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).