12.06.2007 · IWW-Abrufnummer 071913
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 17.04.2007 – VIII ZB 93/06
Im Wohnraummietverhältnis kann ein Beseitigungsanspruch nicht auf § 1004 BGB, sondern allein auf § 541 BGB gestützt werden.
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZB 93/06
vom 17. April 2007
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Wolst sowie die Richterinnen Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 22. August 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde hat die Klägerin zu tragen.
Gründe:
I.
Die Klägerin hat die Beklagte mit am 21. November 2005 eingereichter Klage auf Beseitigung einer an der Balkonbrüstung der von der Beklagten gemieteten Wohnung angebrachten Parabolantenne in Anspruch genommen. Vorgerichtlich hatte die Klägerin mit einem an die Beklagte adressierten Schreiben diese aufgefordert, die Antenne zu entfernen. Für die Beklagte besteht seit dem 18. Februar 2005 eine Betreuung. Nach einem amtsärztlichen Zeugnis ist die Beklagte als geschäftsunfähig anzusehen; dieser Zustand bestehe mindestens seit 13. Januar 2004.
Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Betreuerin erklärt hatte, die Antenne sei entfernt.
Das Amtsgericht hat darauf hin die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Landgericht dagegen entschieden, die Klägerin müsse die Verfahrenskosten tragen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
II.
Das Landgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie die Beklagte vor Erhebung der Klage nicht wirksam abgemahnt habe. Nach § 541 BGB sei eine Abmahnung Voraussetzung für einen vom Vermieter gegenüber dem Mieter geltend gemachten Beseitigungsanspruch. Die an die Beklagte persönlich gerichtete Abmahnung sei aufgrund der Geschäftsunfähigkeit der Beklagten unwirksam gewesen. Denn auf eine Abmahnung seien als rechtsgeschäftsähnliche, empfangsbedürftige Willenserklärung die Vorschriften über Rechtsgeschäfte entsprechend anzuwenden. Soweit ein etwaiger Beseitigungsanspruch auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützt werde, sei zwar eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich. In einem Mietverhältnis könne jedoch § 1004 BGB nicht angewendet werden; diese Vorschrift werde durch § 541 BGB verdrängt.
III.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache erfolglos. Die Entscheidung des Landgerichts, die Verfahrenskosten gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO nach billigem Ermessen der Klägerin aufzuerlegen, ist nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin erhobene Klage war unbegründet.
1. Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass im Mietverhältnis ein Beseitigungsanspruch - wie vorliegend - nicht auf § 1004 BGB gestützt werden kann, sondern allein § 541 BGB anwendbar ist. Dieser vom Landgericht vertretenen und weit verbreiteten Ansicht ist zuzustimmen. Die konkrete Ausgestaltung der Vorschrift des § 541 BGB hat mieterschützenden Charakter. Durch das dort, nicht aber in § 1004 BGB aufgenommene Erfordernis einer vorherigen Abmahnung des Mieters durch den Vermieter soll dem Mieter eine (letzte) Gelegenheit zu vertragstreuem Verhalten gegeben werden, bevor der Vermieter zu den scharfen Rechtsbehelfen der §§ 541 und 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB greifen darf (Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 8. Aufl., § 541 Rdnr. 1; Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 541 Rdnr. 2; Soergel/Heintzmann, BGB, 12. Aufl., § 550 Rdnr. 2; jurisPK-BGB/Münch, Stand September 2006, § 541 Rdnr. 6). Soweit die Rechtsprechung bisher § 1004 BGB in vergleichbaren Fällen angewendet hat, wurde auf die Problematik nicht eingegangen (BGH, Urteil vom 26. Juni 1974 - VIII ZR 43/73, NJW 1974, 1463 f.; LG Karlsruhe DWW 2000, 201 f.).
2. Vorliegend ist eine wirksame Abmahnung durch die Klägerin vor Klageerhebung nicht erfolgt (§ 131 Abs. 1 BGB entsprechend). Zwar rügt die Klägerin in ihrer Rechtsbeschwerde, das Landgericht habe sich nicht mit der Frage befasst, ob die (an die Beklagte persönlich gerichtete) schriftliche Abmahnung nicht dadurch wirksam geworden ist, dass sie der Betreuerin zuging, bevor diese sich am 13. Dezember 2005 "meldete". Doch die Klägerin behauptet und belegt nicht, dass der Betreuerin diese Abmahnung vor wirksamer Klagezustellung zugegangen ist (vgl. zum Erfordernis einer Abmahnung vor Klageerhebung Blank, aaO, Rdnr. 11 m.w.N.).