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  • 17.11.2011 · IWW-Abrufnummer 113707

    Amtsgericht Köln: Urteil vom 14.09.2011 – 221 C 170/11


    Amtsgericht Köln

    221 C 170/11

    Tenor:
    Es wird festgestellt, dass die Klägerin als Erdgeschossmieterin des Objektes „...“ aus dem Dauermietvertrag vom 15.12.1964, seinerzeit abgeschlossen mit der X mbH, in Verbindung mit Nr. 12 der Hausordnung, Stand: Januar 1960 nicht mehr verpflichtet ist, Bürgersteige und Hauszugänge des vorgenannten Objektes von Schnee und Eis freizuhalten und bei Glätte zu bestreuen; jeweils von ihrer Grundstückshälfte aus, soweit mehrer Wohnungen im Erdgeschoss vorhanden sind.
    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Tatbestand

    Die Klägerin ist nach dem Tode ihres Mannes alleinige Mieterin einer von drei im Erdgeschoss des Hauses … gelegenen Wohnungen auf der Grundlage des Mietvertrages vom 15.12.1964, bzgl. dessen Inhalt auf Bl. 7 ff. Bezug genommen wird. Die Beklagte trat nach Erwerb des Hauses und Eintragung in das Grundbuch am 19.11.2008 als Vermieterin in das Mietverhältnis ein.

    Der Mietvertrag von 1964 nimmt in § 14 Bezug auf die Hausordnung, Stand 1960. Unter der Überschrift "Reinigung und Pflege" heißt es in Ziffer 12. der Hausordnung unter der Bezeichnung "Schnee und Eis":

    "Das Freihalten der Bürgersteige und der Hauszugänge von Schnee und Eis und das Bestreuen bei Glätte ist Pflicht der Erdgeschossmieter; sind mehrere Wohnungen im Erdgeschoss vorhanden, so führen diese ihre Arbeiten jeweils von ihrer Grundstückshälfte aus. Die Polizei hält sich bei Vernachlässigung dieser Pflichten an die Erdgeschossmieter".

    Das Objekt … ist ein Wohngebäude mit 24 Mieteinheiten. In den acht Etagen (Erdgeschoss bis 7. Obergeschoss) befinden sich je drei Wohnungen. Laut o.g. Hausordnung ist den Mietern der Wohnungen im Erdgeschoss der Winterdienst auferlegt, außerdem die Reinigung des unteren Treppenhauses einschließlich des Hauszuganges und die Haus-, Hof- und Vorkellertüren. Den Mietern der übrigen Etagen ist die Reinigung ihrer Vorflure und der jeweiligen nächsten nach unten führenden Treppen auferlegt. Den Mietern des 7. Obergeschosses ist zudem die Reinigung der Treppe zum Speicher und die Speichergänge auferlegt, zudem die Pflicht, zweimal im Jahr den Trockenboden gründlich zu reinigen.

    Mit am 25.05.2009 aufgegebenem Schreiben teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes den Winterdienst nicht mehr übernehmen könne und bat unter Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Attestes darum, für anderweitige Wahrnehmung des Winterdienstes Sorge zu tragen.

    Mit Schreiben vom 18.01.2010 und vom 17.02.2010 wies die Z GmbH für die Beklagte das Begehren der Klägerin zurück.

    Die Klägerin behauptet, sie sei aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, den Winterdienst durchzuführen. Sie ist der Ansicht, dass die Regelung der Hausordnung über das Verhalten bei Schnee und Eis nicht wirksam sei. Jedenfalls sei sie aufgrund ihres Alters und einer massiven Herzinsuffizienz von dem Winterdienst zu befreien.

    Die Klägerin beantragt

    festzustellen, dass sie als Erdgeschossmieterin des Objektes … aus dem Mietvertrag vom 15.12.1964, seinerzeit abgeschlossen mit der Y GmbH in Verbindung mit Nr. 12 der Hausordnung, Stand: Januar 1960, nicht mehr verpflichtet ist, Bürgersteige und Hauszugänge des vorgenannten Objekts von Schnee und Eis freizuhalten und bei Glätte zu bestreuen; jeweils von ihrer Grundstückshälfte aus, soweit mehrere Wohnungen im Erdgeschoss vorhanden sind.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, den Winterdienst zu erfüllen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    I) Die Klage ist zulässig.

    Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an der baldigen Feststellung, dass sie nicht mehr zur Durchführung des Winterdienstes vor dem Haus ihrer Erdgeschosswohnung verpflichtet ist, da mit dieser Verpflichtung erhebliche Haftungsrisiken verbunden sind und die Beklagte an der Verantwortung der Klägerin in Bezug auf den Winterdienst festhält.

    II) Die Klage ist auch begründet.

    Die Klägerin ist durch die Mitteilung mit Schreiben vom 11.5.2009, dass sie die Schneeräumarbeiten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr übernehmen könne, von der Durchführung des Winterdienstes vor dem oben näher bezeichneten Haus frei geworden.

    Die Regelung in der Hausordnung unter der Überschrift "Reinigung und Pflege" in Ziffer 12., die den Kläger als Erdgeschossmieter zur Beseitigung von Schnee, Eis und Glätte auf den Bürgersteigen und Hauszugängen jeweils vor seiner Grundstückshälfte verpflichtet, ist nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden. Dies ergibt sich zwar nicht aus den konkreten gesetzlichen Bestimmungen über die Inhaltskontrolle von Formularverträgen (§§ 305 ff. BGB bzw. zuvor AGB-Gesetz), da diese Bestimmungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht existiert haben. Die Unwirksamkeit ergibt sich jedoch nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, aus dessen Grundgedanken letztlich auch die heute anwendbaren Bestimmungen resultieren. Das Gericht ist insofern der Auffassung, dass sich die Unwirksamkeit der Bestimmung aus den Gesichtspunkten des Überraschungseffekts und der unangemessenen Benachteiligung durch die streitgegenständliche Klausel ergibt (heute: §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1 S. 1 BGB).

    Zwar kann ein Wohnungseigentümer und -vermieter eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht auch auf seine Mieter übertragen, was zur Folge hat, dass die Verkehrssicherungspflicht des ursprünglich verantwortlichen Vermieters sich auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht verkürzt. Der Mieter hingegen, der die entsprechenden Pflichten übernimmt, wird dann seinerseits deliktisch voll verantwortlich. Voraussetzung für eine solche Übertragung von Verkehrssicherungspflichten ist dabei aber, dass sie klar und eindeutig erfolgt (vgl. BGH WuM 2008, 235 ff.; Palandt, BGB, 69. Auflage, § 823 Rn. 50), zudem auch den einzelnen Mieter nicht dadurch unangemessen benachteiligt, dass eine solche Überbürdung nur einzelne Mieter und nicht alle Mieter eines größeren Mietobjektes betrifft (vgl. Sternel, Mietrecht, aktuell, 4. Auflage, 2009, Rn. VI 47ff., Urteil des AG Schwelm vom 14.11.1990, Az.: 27 C 32/90 und LG Frankfurt, Urteil vom 03.11.1987, Az.: 2/11 S 136/87).

    Dahinstehen kann dabei, ob eine wirksame Übertragung bereits daran scheitert, dass die entsprechende Bestimmung in der Hausordnung als überraschend anzusehen ist, als dass in dem Mietvertrag zwar auf die Hausordnung verwiesen wird, die konkrete Bestimmung zum Winterdienst sich aber lediglich – optisch nicht besonders gekennzeichnet – unter der Überschrift "Reinigung und Pflege" in der Hausordnung findet (so - für den hier in Rede stehenden Mietvertragstyp nebst Hausordnung und unter Berücksichtigung des Inhaltes der angewälzten Pflicht - AG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az.: 210 C 107/10, vgl. außerdem LG Frankfurt, Urteil vom 03.11.1987, Az.: 2/11 S 136/87 (WuM 1988, 120 f.); Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., VI Rn. 277, Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Rn. III 1082; a.A.: OLG Frankfurt, Urteil vom 22.09.1988, Az.: 16 U 123/87, LG Karlsruhe, Urteil vom 30.05.2006, Az.: 2 O 324/06.

    Denn jedenfalls ist die formularmäßige Überbürdung des Winterdienstes auf nur drei von 24 Parteien überraschend und belastet die Erdgeschossmieter außerdem unzumutbar dahingehend, dass in unangemessener Weise nur ein kleiner Teil der Mieter mit einer Pflicht erheblicher Art belastet wird (vgl. Urteil des AG Schwelm vom 14.11.1990, Az.: 27 C 32/90 und LG Frankfurt, Urteil vom 03.11.1987, Az.: 2/11 S 136/87).

    Denn bei der Ausübung seines Ermessens, wie Pflichten, die vom Vermieter auf Mieter abgewälzt werden wollen, tatsächlich übertragen werden, hat der Vermieter - jedenfalls bei Bestimmungen formularvertraglichen Hausordnungen als Annex zu ebenfalls formularvertraglichen Mietverträgen - unangemessene Ungleichbehandlungen zu unterlassen (vgl. Sternel, Mietrecht, aktuell, 4. Auflage, 2009, Rn. VI 47ff. mit Verweisen auf den diesbezüglichen Meinungsstand sowie die Entscheidung BVerfG, Beschluss vom 27.10.2006 (NZM 2007, 125).

    Eine Überbürdung des Winterdienstes auf drei (und somit nur ein Achtel aller) Mietparteien stellt solche eine Ungleichbehandlung dar, die zum einen überraschend ist, als dass der Mieter mit einer solchen Regelung bei Vertragsabschluss nicht zu rechnen braucht, und die andererseits eine Überbürdung von Vermieterpflichten auf einzelne Mieter darstellt, die - auch im Rahmen des vermieterseitigen Ermessens - als nicht mehr zulässige Ungleichbehandlung der Mieter anzusehen ist und einzelne Mieter unangemessen benachteiligt. Die Überbürdung des Winterdienstes stellt eine Auferlegung erheblicher zusätzlicher Pflichten und nicht unerheblicher Haftungsrisiken dar. In Wintern wie den beiden vergangenen brachte die Pflicht zum Winterdienst mit sich, dass mehrfach pro Woche in den frühen Morgenstunden, bei Kälte, Dunkelheit und Glätte Gehwege mittels geeigneter Gerätschaften oder - mieterseits anzuschaffendem - Streusalz von Schnee oder sogar Eis zu befreien waren. Außerdem ist hinsichtlich des Winterdienstes Im Falle von Abwesenheit eine Vertretung zu organisieren.

    Durch die konkrete Ausgestaltung der Hausordnung und die Struktur des Objektes Palmenweg … ist für die Klägern mehr als zweimal wöchentlich die Pflicht zum Winterdienst zu erfüllen. Hingegen würde sich diese Pflicht bei Verpflichtung sämtlicher Mietparteien auf etwa fünf Winterdienste pro Winter beschränken.

    Dabei ist zugleich festzustellen, dass die anderen Mieter im Rahmen der Treppenhausreinigung nicht mehr zu leisten hätten als die Erdgeschossmieter. Denn die Reinigung des Treppenhauses wird nur in seltenen Fällen mehr als ein kurzes wöchentliches Saugen oder Wischen mit sich bringen, wird im Regelfall keine Haftungsrisiken mit sich bringen und ist im übrigen weitaus einfacher als die Erfüllung des Winterdienstes durch Putzkräfte oder Verwandte delegierbar. Zudem obliegt den Erdgeschossmietern die Reinigung von unterem Treppenhaus und Hauszugang, so dass auch sie im Rahmen der Reinigung des Treppenhauses tätig werden müssen.

    Einwenden kann die Beklagte auch nicht den Vergleich mit den Zusatzpflichten der Mieter des siebten Stocks zur Reinigung der Speicher- bzw. Trockenbodenbereiche. Diese Pflicht besteht nur zweimal im Jahr, bringt im Regelfall keine Haftungsrisiken mit sich, ist leicht delegierbar und zu beliebiger Zeit im April und Oktober durchführbar.

    Der Umstand, dass die Klägerin hier den Winterdienst in der Vergangenheit ausgeführt hat, ändert nichts daran, dass die Klausel unwirksam ist und eine zukünftige Verpflichtung für die Klägerin nicht mehr besteht. Zwar hat die Klägerin die Schneebeseitigung und die Streupflicht faktisch übernommen und die Verkehrssicherungspflicht des Vermieters auf das Maß der Kontroll- und Überwachungspflicht begrenzt. Hieraus kann die Beklagte aber keine Rechtsfolgen auch für die Zukunft herleiten. Denn durch die Mitteilung des Klägers, den Winterdienst nicht mehr durchführen zu können, ist die faktische Übernahme der Verkehrssicherungspflicht durch die Klägerin beendet worden.

    III) Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

    Streitwert: € 600,00

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 307 BGB