11.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121492
Bundesgerichtshof: Urteil vom 30.03.2012 – V ZR 148/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin zu 2 wird das Urteil des Landgerichts Hamburg Zivilkammer 18 vom 11. Mai 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Klägerin wendet sich ursprünglich zusammen mit zwei weiteren Klägern gegen eine Reihe von Beschlüssen, die die Wohnungseigentümerversammlung am 26. Februar 2009 gefasst hat.
2
Die gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtete Klage ist am 23. März 2009 bei dem Amtsgericht eingegangen, die Klagebegründung am 27. April 2009 (Montag). Mit ihm am 8. April 2009 zugegangenem Schreiben des Gerichts vom 6. April 2009 erhielt der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Anforderung des Kostenvorschusses nach einem vorläufigen Streitwert von 10.000 Euro. Der frühere Kläger zu 3 veranlasste die Zahlung am 22. April 2009; gutgeschrieben wurde der Betrag der Justizkasse am 24. April 2009. Die Klage ist am 18. Mai 2009 zugestellt worden.
3
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin zu 2 ihren Antrag, die Beschlüsse für ungültig zu erklären, weiter. Die Beklagten beantragen
die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Berufungsgericht hält die Klage wegen Nichtwahrung der Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG für unbegründet. Die erst am 18. Mai 2009 erfolgte Zustellung der Klage wirke auf den Zeitpunkt der - dann rechtzeitigen - Einreichung (23. März 2009) nach § 167 ZPO nur zurück, wenn sie "demnächst" vorgenommen worden sei. Das sei hier zu verneinen, weil der Zeitraum von 16 Tagen nicht mehr nur geringfügig die 14-Tage-Frist überschreite, die dem Kläger im Regelfall für die Einzahlung des Vorschusses zugebilligt werde. Ein besonderer Ausnahmefall, der die Zustellungsverzögerung von 16 Tagen noch als hinnehmbar erscheinen lasse, liege nicht vor. Dass die Anforderung des Kostenvorschusses den Prozessbevollmächtigten der Kläger kurz vor den Osterfeiertagen erreicht habe, sei unerheblich. Er habe die Anforderung unverzüglich weiterleiten müssen. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger zu 3, nachdem er die Anforderung des Kostenvorschusses erhalten habe, noch weitere Zeit habe verstreichen lassen, bevor er die Zahlung veranlasst habe.
II.
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Die nach § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wirkt die Zustellung der Klage auf den Zeitpunkt des Eingangs zurück, da die Zustellung demnächst im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist.
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1. Geht es um von der klagenden Partei zu vertretende Zustellungsverzögerungen, so ist das Merkmal "demnächst" nur erfüllt, wenn sich die Verzögerung in einem hinnehmbaren Rahmen hält. Mit Blick auf den nach § 12 Abs. 1 GKG zu leistenden Gerichtskostenvorschuss ist das nur zu bejahen, wenn dieser nach seiner Anforderung innerhalb eines Zeitraums eingezahlt wird, der sich "um zwei Wochen bewegt oder nur geringfügig darüber liegt" (BGH, Urteil vom 15. November 1985 - II ZR 236/84, aaO; Senat, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 74/08, BGHZ 179, 230, 235 f., Rn. 16). Ob sich die Verzögerung "in einem hinnehmbaren Rahmen hält", ist vor allem der Beurteilung des Tatrichters vorbehalten, der dabei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat.
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2. Dem ist das Berufungsgericht nicht gerecht geworden.
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a) Allerdings hat es nicht übersehen, dass es keine starre zeitliche Grenze von 14 Tagen gibt, die für die Frage maßgeblich wäre, in welchem zeitlichen Rahmen eine Verzögerung der Zustellung noch hingenommen werden kann. Es ist vielmehr zutreffend davon ausgegangen, dass stets alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen sind, wobei jedenfalls bei einem Zeitraum von 14 Tagen regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass sich die Verzögerung noch in einem hinnehmbaren Rahmen hält (BGH, Urteil vom 20. April 2000 VII ZR 116/99, NJW 2000, 2282 mwN).
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b) Rechtsfehlerhaft hat es aber nicht alle maßgeblichen Umstände gewürdigt und einer Gesamtschau unterzogen, sondern nur einzelne Aspekte unter dem Gesichtspunkt gewürdigt, ob sie ausnahmsweise die Überschreitung der angenommenen Höchstfrist von 14 Tagen rechtfertigen.
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c) Da das Berufungsgericht diese erforderliche Gesamtwürdigung unterlassen hat, kann sie der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen selbst vornehmen. Sie führt dazu, dass sich die nur geringfügig über zwei Wochen liegende Verzögerung (16 Tage) in einem noch hinnehmbaren Rahmen hält, so dass die Zustellung "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist.
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass die Kostenanforderung dem Prozessbevollmächtigten der Kläger unmittelbar vor den Osterfeiertagen zugegangen ist. Ob das dazu führt, dass - wie möglicherweise einer Entscheidung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs entnommen werden kann (Urteil vom 10. Februar 2011 VII ZR 185/07, MDR 2011, 560) - die Osterfeiertage bei der Berechnung der 14-Tage-Frist von vornherein herauszurechnen sind, mag zweifelhaft erscheinen. Darauf kommt es indes nicht an. Denn jedenfalls stehen mehrere (hier vier) aufeinanderfolgende Tage, an denen keine Geschäfte vorgenommen werden, typischerweise einer zügigen Erledigung einer Kostenanforderung entgegen. Das kann bei der Frage, ob sich die Einzahlung des Kostenvorschusses innerhalb eines Zeitraum nach Zugang der Anforderung bewegt, der "sich um zwei Wochen bewegt oder nur geringfügig darüber liegt", nicht unbeachtet bleiben.
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Ferner ist was das Berufungsgericht übersehen hat zu berücksichtigen, dass die Kostenanforderung entgegen §§ 31 Abs. 1, 32 Abs. 2 KostVfg nicht den Klägern selbst, sondern deren Prozessbevollmächtigtem übersandt worden ist. Bei dieser von der gebotenen Handhabung abweichenden Verfahrensweise waren weitere Verzögerungen nicht nur generell nicht ausgeschlossen. Sie sind im konkreten Fall auch eingetreten, da der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Anforderung erst nach den Osterfeiertagen, nämlich mit Schreiben vom 15. April 2009, weitergeleitet hat.
Karlsruhe, den 2. April 2012 Der Vorsitzende
Krüger
Lemke
Schmidt-Räntsch
RinBGH Dr. Brückner ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert.Krüger
Weinland
Von Rechts wegen
Verkündet am: 30. März 2012