15.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123408
Oberlandesgericht München: Beschluss vom 06.09.2012 – 32 Wx 32/12
1. Verstöße gegen die Kostenverteilungsvorschriften der Heizkostenverordnung führen nur zu einer Ungültigerklärung des Genehmigungsbeschlusses über die Jahresabrechnung hinsichtlich der Einzelabrechnungen.
2. Kann nur ein geringer Teil der verbrauchten Heizwärme über Ausstattungen zur Verbrauchserfassung erfasst werden, so kommt eine Ausnahme von der Heizkostenverordnung nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b HeizkostenV in Betracht.
3. Die Messergebnisse nicht geeichter Zähler sind nicht gänzlich unverwertbar.
4. Ein Beschluss über die Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG ist insoweit nichtig, als er Feststellungen zu den geleisteten Vorschüssen enthält.
OLG München, 06.09.2012
32 Wx 32/12
Tenor:
I.
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 5.1.2012 in Nr. 1 insoweit aufgehoben, als Nr. 4 a, 4 b, und 4 f und Nr. 5 betroffen sind.
II.
Der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Jahresabrechnungen 2005 und 2006 wird insoweit für ungültig erklärt, als die Einzelabrechnungen betroffen sind. Hinsichtlich der Gesamtabrechnungen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Bezüglich der Einzelabrechnungen wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 15.6.2007 zu Tagesordnungspunkt 6 (Jahresabrechnung 2006) insoweit nichtig ist, als er Feststellungen zu den geleisteten Vorschüssen betrifft.
III.
Im Übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.
IV.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Landgericht vorbehalten.
V.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 18.700 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, um die Richtigkeit der Heizkostenabrechnungen 2005 und 2006 und um die Nichtberücksichtigung von Vorauszahlungen in der Abrechnung 2006.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens und der gestellten Anträge wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der das Verfahren einleitende Antrag ist am 30. Juni 2007 beim Amtsgericht Ansbach eingegangen. Das Verfahren richtet sich deshalb nach den bis zum 1.7.2007 geltenden Vorschriften (§ 62 Abs. 1 WEG).
Das zulässige Rechtsmittel ist teilweise begründet.
1. Das Landgericht hat die Beschlüsse über die Heizkostenabrechnung im Wesentlichen mit der Begründung für unzulässig erklärt, dass die Eichgültigkeitsdauer der Messgeräte abgelaufen gewesen sei und dass deshalb die Heizkostenabrechnung nicht unter Zugrundelegung der gemessenen Werte hätte erfolgen dürfen. Die Abrechnung 2006 wurde insoweit für ungültig erklärt, als die Vorauszahlungen für die Wohnungen Nr. 8, 9 und 75 in nicht nachvollziehbarer Weise nicht angeführt wurden.
2. a) Beschlüsse der Wohnungseigentümer können auch teilweise für ungültig erklärt werden, soweit es sich bei den beanstandeten Teilregelungen um rechnerisch selbständige und abgrenzbare Teile handelt (BGH NJW 2012, 2648 = MDR 2012, 857 [BGH 11.05.2012 - V ZR 193/11] = GE 2012, 962). Diese Voraussetzungen liegen hier sowohl bezüglich der Heizkosten Einzel- und Gesamtabrechnungen als auch bezüglich der Berücksichtigung von Vorschüssen vor.
b) Die Beschlüsse über die Genehmigung der Heizkostenabrechnung sind nur insoweit für ungültig zu erklären, als die Einzelabrechnungen betroffen sind. Betrifft ein Fehler nur Einzelabrechnungen, so ist die entsprechende Position der Gesamtabrechnung aufrechtzuerhalten (BGH a.a.O.). Fehler der Gesamtabrechnung werden nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich.
Bezüglich der Einzelabrechnungen kann die Entscheidung des Landgerichts keinen Bestand haben. Der Senat ist an einer abschließenden Entscheidung gehindert, da noch weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschriften der Heizkostenverordnung nach § 3 HKV auf die Wohnungseigentümergemeinschaft unmittelbar Anwendung finden, ohne dass es eines Beschlusses oder einer Vereinbarung bedürfte (BGH NJW 2012, 1434 = MDR 2012, 510 [BGH 17.02.2012 - V ZR 251/10] = ZWE in 2012, 216). Die Heizkostenverordnung enthält zwingendes Recht (BGH ZMR 2006, 766 = WuM 2006, 418 = BGH 2006, 1094 [BGH 19.07.2006 - VIII ZR 212/05]) und geht rechtsgeschäftlichen Regelungen vor (§ 2 HeizkostenV). Auf eventuell abweichende Regelungen der Teilungserklärung kommt es deshalb nicht an.
Im vorliegenden Fall ist es jedoch offen, ob nicht eine Ausnahme nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a HeizkostenV a.F. (= § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b HeizkostenV n.F.) vorliegt. Das ist naheliegend, wenn die Behauptung des Antragstellers zutrifft, dass nur ein geringer Teil der Wärme durch Zähler erfasst wird (vgl. Schmid, ZMR 2010, 884; ders. Handbuch der Mietnebenkosten, 12. Aufl., Rn. 6054). Allerdings verbietet es § 11 HeizkostenV auch nicht, nach der Heizkostenverordnung abzurechnen (Schmid in Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 3. Aufl., § 11 HeizkostenV Rn. 4). Inwieweit sich hier eventuell Variierungen im Hinblick auf § 242 BGB ergeben, bedarf, falls es weiterhin darauf ankommen sollte, noch weiterer tatsächlicher Aufklärung.
Wie auch das Landgericht richtig gesehen hat, hat der BGH (MDR 2011, 92 = WuM 2011, 21 [BGH 17.11.2010 - VIII ZR 112/10] = GE 2011, 126) für das Mietrecht entschieden, dass Verbrauchswerte, die von Zählern abgelesen werden, deren Eichgültigkeitsdauer abgelaufen ist, nicht gänzlich unverwertbar sind. Ihnen fehlt jedoch die Vermutung der Richtigkeit, so dass diese auf andere Weise festgestellt werden muss. Hierfür kann neben einem Sachverständigengutachten zur Richtigkeit der Anzeige im Einzelfall bereits der Vortrag geeigneter Grundlagen für eine richterliche Schätzung nach § 287 ZPO genügen, wie etwa die Vorlage der Verbrauchswerte der letzten unbeanstandeten Abrechnungsperiode. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an und überträgt sie auf das Wohnungseigentumsrecht. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, die Verwertung von Messergebnissen nicht mehr geeichter Zähler im Wohnungseigentumsrecht anders zu behandeln als im Mietrecht. Allerdings ist, da dieses Verfahren noch nach altem Recht abzuwickeln ist, nicht auf die Darlegungs- und Beweislast des Vermieters abzustellen, sondern auf den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 12 FGG a.F. Das Landgericht hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent, hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, so dass keine Zurückverweisung erforderlich ist.
c) Bezüglich der Vorschüsse ist die Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beschluss bezüglich der Vorschusszahlung nach § 28 Abs. 2 WEG nicht lediglich für ungültig zu erklären, nichtig ist. Die Nichtigkeit kann auch festgestellt werden, wenn die Ungültigerklärung beantragt ist.
Die Wohnungseigentümer sind nicht berechtigt, bereits entstandene, aber noch nicht erfüllte Zahlungsverpflichtungen eines Wohnungseigentümers mit Stimmenmehrheit erneut zu beschließen und so neu zu begründen. Ein dennoch gefasster Beschluss ist wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig. Beitragsrückstände gehören ihrer Art nach generell nicht zu den Bestandteilen einer Abrechnung im Sinne des § 28 Abs. 3 WEG (vgl. zum Ganzen BGH MDR 2012, 632 = ZMR 2012, 642 [BGH 09.03.2012 - V ZR 147/11] = ZWE 2012, 260). Diese Rechtsauffassung, der sich der Senat anschließt, hat zur Folge, dass auch die Zusammenstellung der Vorauszahlungen nicht in Bestandskraft erwachsen kann, sondern der Beschluss diesbezüglich nichtig ist (so bereits AG Kempten, ZMR 2008, 84 [AG Kerpen 22.10.2007 - 15 II 36/06]; a. A. LG Wuppertal ZMR 2009, 557; Abramenko in Rieke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 3. Aufl., § 28 Rn. 77).
3. Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht vorzubehalten.
4. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wurde gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG a.F. festgesetzt. Dabei legt der Senat etwa 10% des Volumens der Heizkostenabrechnungen und für die Vorauszahlung einen Betrag von 1.200 EUR zugrunde.