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  • 15.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123411

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 22.11.2011 – I-24 U 2/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Düsseldorf

    I-24 U 2/11

    Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. November 2010 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 93.782,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 14.912,80 EUR seit dem 2. September 2009, weiteren 14.912,80 EUR seit dem 2. Oktober 2009, weiteren 14.912,80 EUR seit dem 13. November 2009, weiteren 14.912,80 EUR seit dem 2. Dezember 2009, weiteren 17.065,60 EUR seit dem 4. Januar 2010 und aus weiteren 17.065,60 EUR seit dem 2. Februar 2010 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

    Der Beklagten wird die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

    Die Gerichtsosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 8 % und die Beklagte zu 92 %. Die Beklagte trägt 92 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Streithelfers. Die Klägerin trägt 8 % der außergericht-lichen Kosten der Beklagten. Im Übrigen trägt jede Partei wie auch der Streithelfer die eigenen außergerichtlichen Kosten.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    G r ü n d e

    A

    Die Klägerin nimmt die Beklagte im Urkundenprozess auf Zahlung von Miete für die Zeit von September 2009 bis Februar 2010 und von Nebenkostenvorauszahlungen für die Monate Januar und Februar 2010 in Anspruch.

    Die Klägerin schloss mit der A. GmbH, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, insgesamt sieben Mietverträge über verschiedene Hallen auf dem Gelände L.-Straße XX in W. . Wegen der Einzelheiten der Mietverträge wird auf die als Anlagen zu den Akten gereichten Kopien verwiesen. Die sich aus den Mietverträgen ergebenden, der Höhe nach unstreitigen Mieten zahlte die Beklagte bis einschließlich August 2009 unbeanstandet, wobei die Klägerin über entsprechende Einzugsermächtigungen verfügte. Nach deren Widerruf im August 2009 erfolgten keine Mietzahlungen mehr.

    Die Klägerin hat beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an sie 101.993,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 16.965,60 EUR seit dem 2. September 2009, weiteren 16.965,60 EUR seit dem 2. Oktober 2009, weiteren 16.965,60 EUR seit dem 13. November 2009, weiteren 16.965,60 EUR seit dem 2. Dezember 2009, weiteren 17.065,60 EUR seit dem 4. Januar 2010 und aus weiteren 17.065,60 EUR seit dem 2. Februar 2010 zu zahlen.

    Der Streithelfer der Klägerin hat sich dem Klageantrag angeschlossen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hat sich gegenüber dem Anspruch der Klägerin erstinstanzlich darauf berufen, die Mietverträge seien wegen Wuchers nichtig; die vereinbarten seien mindestens dreimal so hoch wie die angemessenen Mieten. Zudem seien die Verträge wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam. Der Streithelfer der Klägerin, der der ehemalige Geschäftsführer der Beklagten ist, habe bei Abschluss der Verträge seine Vertretungsbefugnis für die Klägerin erkennbar überschritten. Schließlich seien die Hallen 10, 13, 14 und 21 der Beklagten zu keinem Zeitpunkt übergeben worden.

    Das Landgericht hat mit seinem am 23. November 2010 verkündeten Urteil der Klage stattgegeben und der Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei in der gewählten Verfahrensart statthaft und auch in der Sache begründet. Der Abschluss der Mietverträge, aus denen die Klägerin ihre Ansprüche herleite, sowie die Höhe der jeweiligen Mieten seien urkundlich belegt. Da die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Hallen als Erfüllung angenommen habe, sei auch davon auszugehen, dass die Beklagte unmittelbaren Besitz an den jeweiligen Mietgegenständen erlangt habe. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

    Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags mit der Berufung. Sie vertritt die Ansicht, die Klägerin habe schon nicht schlüssig dargelegt, die Hallen übergeben zu haben, jedenfalls könne sie eine Übergabe nicht mit Urkunden beweisen. Dem Landgericht sei auch nicht darin zu folgen, dass aus der Mietzahlung auf eine Annahme des Mietobjekts als Erfüllung geschlossen werden könne.

    Die Klägerin hat auf entsprechende Hinweise des Senats auf ihre Ansprüche verzichtet, soweit sie Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von insgesamt 8.211,20 EUR nebst hierauf entfallende Zinsen beansprucht hat. Ihrer zunächst erklärten Teilklagerücknahme hat die Beklagte nicht zugestimmt. Im Übrigen verteidigt die Klägerin das erstinstanzliche Urteil.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    B

    Soweit die Klägerin auf die Klageforderung verzichtet hat, war die Klage abzuweisen (§ 306 ZPO). Soweit sie ihre Klageforderung noch weiter verfolgt, hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg.

    I.

    Nachdem die Klägerin auf die Zahlung des für die Monate September bis Dezember 2009 auf die Nebenkostenvorauszahlung entfallenden Anteils der Miete nebst Zinsen verzichtet hat – dies betrifft monatlich 2.052,80 EUR, insgesamt 8.211,20 EUR – beläuft sich die übrige Klageforderung noch auf 93.782,40 EUR. In dieser Höhe ist die Klage im Urkundenprozess statthaft (§ 597 Abs. 2 ZPO) und begründet. Denn die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis zu Grund und Höhe des geltend gemachten Mietzinsanspruchs mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln geführt.

    1.

    Grundsätzlich können auch Ansprüche auf Mietzahlung im Urkundenprozess geltend gemacht werden (vgl. BGH, NJW 2005, 2701; NJW 2007, 1061; KG, ZMR 2011, 116).

    Die Klage ist auch nicht deswegen im Urkundenprozess unstatthaft, weil die Beklagte sich darauf beruft, die Mietobjekte seien ihr nicht übergeben worden, so dass sie die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erheben könne. Denn es ist davon auszugehen, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Hallen als Erfüllung angenommen hat.

    a) Zwar muss nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen der Vermieter beweisen, dass er seine vertragliche Pflicht, dem Mieter die Mietsache in vertragsgemäßem Zustand zu überlassen, erfüllt hat, d.h. dass er dem Mieter den unmittelbaren Besitz an der Mietsache verschafft hat (vgl. BGH NJW 1999, 1408; Senat, NJW-RR 2005, 97; OLG Düsseldorf [10. Zivilsenat], BeckRS 2011, 01531). Demgegenüber trägt aber nach Überlassung der Mietsache gemäß § 363 BGB grundsätzlich der Mieter die Beweislast dafür, dass die Mietsache zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft war, wenn er die ihm überlassene Sache als Erfüllung angenommen hat (vgl. BGH, NJW 2007, 2394, Tz. 23 f. m.w.N.; NJW 1985, 2328, unter II 2 b). Die Vorschrift des § 363 BGB führt zu einer Beweislastumkehr (Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 363 Rdnr. 3). Ihr liegt zugrunde, dass demjenigen, der eine Leistung als Erfüllung annimmt, die Beweislast obliegt, wenn er die Leistung später nicht mehr als die geschuldete gelten lassen will. Demzufolge ist die Klage des Vermieters im Urkundenprozess statthaft, wenn entweder unstreitig ist, dass der Mieter die Mietsache als Erfüllung angenommen hat, oder wenn der Vermieter ein solches Verhalten des Mieters durch Urkunden, etwa ein Übergabeprotokoll oder Kontoauszüge, aus denen sich ergibt, dass der Mieter zunächst die ungeminderte Miete gezahlt hat, beweisen kann (vgl. BGH, NJW 2009, 3099; vgl. auch Senat, OLGR Düsseldorf 2008, 727).

    b) Orientiert an diesen Grundsätzen ist hier ist auch unter Berücksichtigung der weiteren auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 27. Juni 2011 vorgebrachten Einwendungen der Beklagten davon auszugehen, dass die Beklagte das Mietobjekt vorbehaltlos als Erfüllung angenommen hat. Denn sie hat unstreitig für sämtliche in Rede stehenden Objekte bis einschließlich August 2009 die vereinbarten Mieten ungekürzt gezahlt. Bei objektiver Betrachtung lässt ein solches Verhalten keinen anderen Schluss zu, als dass der Mieter den vertragsgemäßen Erhalt des Mietobjekts grundsätzlich akzeptiert hat; ein Mieter, der keinen Besitz an dem Mietobjekt erhalten hat, würde nicht für einen längeren Zeitraum ungekürzt und vorbehaltlos Mietzahlungen erbringen.

    Diese Rechtsauffassung führt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dazu, dass die Übergabe der Mietsache nach erfolgter Mietzahlung keine Anspruchsvoraussetzung mehr wäre. Der Schluss aus der vorbehaltlosen länger währenden Mietzahlung auf die Annahme als Erfüllung bedeutet vielmehr lediglich eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast mit der Folge, dass der Mieter zu beweisen hat, keinen Besitz an der Mietsache erlangt zu haben.

    Auch wenn die Zahlungen aufgrund einer umfassenden Einzugsermächtigung geleistet worden sind, ändert dies nichts daran, dass sich hieraus auf die Annahme der Mietobjekte als Erfüllung schließen lässt. Denn die Beklagte hat den Einzug der Mieten geduldet und erst im August 2009 von der ihr zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Einzugsermächtigung zu widerrufen. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, die Abbuchungen nur deshalb hingenommen zu haben, weil ihr ehemaliger Geschäftsführer die Buchhaltung entsprechend angewiesen habe, dort jedoch über die tatsächliche Nutzung der Hallen nichts bekannt gewesen sei, weil dies in der Zuständigkeit der Liegenschaftsverwaltung gelegen habe. Die Beklagte muss sich das Handeln ihres Geschäftsführers gemäß § 35 GmbHG zurechnen lassen; nach außen nicht erkennbare Mängel ihrer internen Organisation kann sie Dritten gegenüber nicht geltend machen. Gründe, die es rechtfertigten, die Beklagte an dem von ihr zurechenbar gesetzten Rechtsschein nicht festzuhalten, hat sie nicht dargetan. Dass die Klägerin es versäumt hat, ein Übergabeprotokoll zu erstellen, ist in diesem Zusammenhang ohne Relevanz.

    c) Ist damit von einer Annahme als Erfüllung auszugehen, kommt es entsprechend dem Rechtsgedanken des § 363 BGB auf die Frage, ob die Klägerin zu einer förmlichen Übergabe der einzelnen Hallen jeweils substantiiert vorgetragen hat, im Urkundenverfahren nicht an, zumal die Klägerin - unwidersprochen - dargetan hat, die Beklagte habe in den gesamten Zeitraum die Möglichkeit gehabt, die fraglichen Hallen zu nutzen. Hierfür spricht ergänzend, dass der Bundesgerichtshof es ausdrücklich für zulässig erachtet hat, den Schluss auf eine Annahme als Erfüllung aus Kontoauszügen zu ziehen; auch aus diesen ergeben sich aber keine näheren Umstände einer erfolgten Übergabe. Mit ihrem nicht durch Urkunden belegbaren Einwand, es habe tatsächlich keine Übergabe stattgefunden, ist die Beklagte auf das Nachverfahren zu verweisen.

    2.

    Die weiteren Einwendungen der Beklagten sind im Urkundenprozess nicht statthaft und werden von ihr im Berufungsverfahren auch nicht mehr geltend gemacht. Dies betrifft insbesondere die Frage der Sittenwidrigkeit der Mietverträge wegen angeblich überhöhten Mietzinses sowie die des behaupteten Missbrauchs der Vertretungsmacht durch den ehemaligen Geschäftsführer der Beklagten durch kollusives Zusammenwirken mit der Klägerin.

    II.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

    Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 363 BGB