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  • 07.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123783

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 16.10.2012 – VIII ZR 360/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Hessel und die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider beschlossen:

    Tenor:

    Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

    Gründe

    I.

    1

    Der Beklagte war Mieter einer Wohnung der Klägerin in B. S. . Neben der Kaltmiete von 166 € monatlich war ein Nebenkostenvorschuss vereinbart, der sich bis August 2009 auf monatlich 89 € zuzüglich 45 € für Heizung und Warmwasser belief, so dass monatlich insgesamt 300 € zu zahlen waren und vom Beklagten die gesamte Mietzeit über auch bezahlt wurden. Ab September 2009 erhöhte die Klägerin aufgrund einer zuvor erteilten und mit einer Nebenkostennachzahlung endenden Jahresabrechnung für 2008 den zu zahlenden Heizkostenvorschuss um 20 € monatlich. Ferner erhöhte sie für die Zeit ab Oktober 2010 die Nebenkostenvorauszahlungen um weitere 5 €. Der Beklagte hielt die Erhöhungen für unberechtigt und zahlte sie trotz Abmahnung nicht.

    2

    Am 6. Oktober 2010 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis fristlos, nachdem der Beklagte die Miete für Oktober 2010 bis zu diesem Tage nicht gezahlt hatte. Hierbei stützte sie sich neben dem Rückstand mit der Miete für Oktober, die erst am Folgetag bei der Klägerin einging, unter anderem auf die seit September 2009 nicht gezahlten Erhöhungsbeträge der Heizkostenvorauszahlungen. Das Amtsgericht hat der in der Hauptsache auf Räumung der Wohnung gerichteten Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage auch unter Berücksichtigung einer während des Berufungsverfahrens ausgesprochenen weiteren Kündigung abgewiesen. Im Revisionsverfahren haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte inzwischen das Mietverhältnis seinerseits gekündigt und die Mietwohnung geräumt hatte.

    II.

    3

    Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist nur noch über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden (§ 91a Abs. 1 ZPO). Danach sind die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben. Zwar wäre das Urteil des Berufungsgerichts auf die zulässige Revision der Klägerin voraussichtlich aufgehoben worden. Ob die Klägerin bei streitiger Fortsetzung des Rechtsstreits mit ihrem Räumungsbegehren (§ 546 Abs. 1 BGB) aber auch in einem wiedereröffneten Berufungsverfahren obsiegt hätte, ist offen.

    4

    1.

    Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Beklagte seit September 2009 zur Zahlung der erhöhten Nebenkostenvorauszahlungen verpflichtet gewesen sei. Es hat die dadurch bedingten Zahlungsrückstände aber gleichwohl bei der Berechnung des für eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB erforderlichen Rückstands außer Betracht gelassen. Denn es hat § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB für anwendbar erachtet und gemeint, dass ein Vermieter bei einer einseitigen Betriebskostenerhöhung, die der Mieter für unberechtigt halte, auf die Nichtzahlung der Erhöhungsbeträge eine Kündigung erst dann stützen könne, wenn er den Mieter erfolgreich auf Zahlung verklagt und dieser binnen zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung nicht gezahlt habe. Dem hätte nicht gefolgt werden können.

    5

    Der Senat hat die Anwendbarkeit des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB auf eine Fallgestaltung, die - wie hier - dadurch gekennzeichnet ist, dass bei Kündigungsausspruch eine Zahlungsklage nicht erhoben war, mittlerweile in seinem Urteil vom 18. Juli 2012 (VIII ZR 1/11, WuM 2012, 497 Rn. 18 ff.) verneint, weil bei einer Erhöhung von Betriebskostenvorauszahlungen (§ 560 Abs. 4 BGB) die Schutzwirkung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB sich nur auf die während eines Klageverfahrens aufgelaufenen Erhöhungsbeträge, nicht jedoch auf diejenigen aus der Zeit vor Erhebung einer Zahlungsklage erstreckt und deshalb auch nicht für Kündigungen einschlägig ist, die ohne vorausgegangene Zahlungsklage ausgesprochen werden. Danach hätte sich der Beklagte im Falle einer wirksamen Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen bei Ausspruch der Kündigung vom 6. Oktober 2010 neben der gesamten Miete für Oktober 2010 auch mit dem Erhöhungsbetrag für den Vormonat in Verzug befunden, so dass der in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB für eine erfolgreiche Kündigung aus wichtigem Grund erforderliche Betrag von mehr als einer Monatsmiete zu diesem Zeitpunkt überschritten gewesen wäre.

    6

    2.

    Gleichwohl wäre der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif gewesen. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils ebenfalls entschieden hat (zuletzt Senatsurteil vom 18. Juli 2012 - VIII ZR 1/11, aaO Rn. 21 mwN), setzt eine Kündigung aus wichtigem Grund, die darauf gestützt ist, dass der Mieter erhöhte Nebenkostenvorauszahlungen nicht geleistet hat, die Feststellung voraus, dass die zugrunde liegende Anpassung der Vorauszahlungen (§ 560 Abs. 4 BGB) auf einer auch inhaltlich korrekten Abrechnung beruht hat. Insoweit ist das Berufungsgericht zwar der Entscheidung des Amtsgerichts beigetreten, das keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erhöhung der Nebenkosten gehabt und keine Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der vorgenommenen Erhöhungen gesehen hat. Dabei hat das Berufungsgericht jedoch übersehen, dass der Beklagte - worauf auch die Revisionserwiderung hinweist - jedenfalls im Berufungsrechtszug die Rechtmäßigkeit der den Erhöhungen zu Grunde liegenden Betriebskostenabrechnungen unter Hinweis auf vorprozessual erhobene Beanstandungen bestritten hatte. Das Berufungsgericht hätte deshalb - was dem Senat verschlossen gewesen wäre (vgl. BGH, Urteile vom 22. Mai 2012 - II ZR 233/10, WM 2012, 1620 Rn. 25; vom 22. Februar 2006 - IV ZR 56/05, BGHZ 166, 227 Rn. 12) - im wiedereröffneten Berufungsrechtszug die Berücksichtigungsfähigkeit des übergangenen Vorbringens am Maßstab des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO prüfen und sich bejahendenfalls sachlich mit den dann möglicherweise noch näher aufzuklärenden Beanstandungen des Beklagten auseinander setzen müssen. Welchen Ausgang dies genommen hätte, lässt sich nicht absehen.

    Ball

    Dr. Frellesen

    Dr. Hessel

    Dr. Achilles

    Dr. Schneider

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB