18.04.2013 · IWW-Abrufnummer 132175
Bundesgerichtshof: Urteil vom 13.03.2013 – XII ZR 34/12
InsO § 109 Abs. 1 Satz 1
Wird bei einem gewerblichen Mietverhältnis über das Vermögen eines Mieters das Insolvenzverfahren eröffnet, beendet die Kündigung des Insolvenzverwalters den Mietvertrag auch mit Wirkung für die Mitmieter.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. März 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers des Beklagten zu tragen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt nach der Beendigung eines gewerblichen Mietverhältnisses vom Beklagten die Zahlung rückständiger Miete, Nutzungsentschädigung oder Schadensersatz.
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Der Kläger schloss mit Wirkung zum 1. Januar 2000 mit Dr. R. (nachfolgend: Insolvenzschuldner) einen Mietvertrag über gewerblich genutzte Räume, in den der Beklagte mit Wirkung zum 1. Juli 2002 als weiterer Mieter eintrat. Nachdem im Februar 2009 über das Vermögen des Insolvenzschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, kündigte der zum Insolvenzverwalter bestellte Streithelfer mit Schreiben vom 28. April 2009 das Mietverhältnis unter Berufung auf § 109 InsO zum 31. Juli 2009. Mit Schreiben vom 14. September 2009 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er von seinem Vermieterpfandrecht Gebrauch mache. Am 30. Oktober 2009 verschaffte sich der Kläger Zutritt zu den Räumlichkeiten und verwertete die in den Räumlichkeiten vorgefundenen Gegenstände.
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Mit der Klage verlangt der Kläger die rückständige Miete für September 2009. Hilfsweise begehrt er Nutzungsersatz bzw. Schadensersatz in Höhe der entgangenen Miete.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet.
I.
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Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in NZM 2012, 684 f. veröffentlicht ist, hat einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Miete für September 2009 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
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Die vom Streithelfer als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Mitmieters des Beklagten zum 31. Juli 2009 ausgesprochene Kündigung habe das Mietverhältnis auch für den Beklagten beendet. Nach den Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung beende die auf einem insolvenzrechtlichen Sonderkündigungsrecht des Verwalters beruhende Kündigung das Mietverhältnis insgesamt mit Wirkung für und gegen sämtliche Beteiligte. Es bestehe kein Anlass, von der zu § 19 KO ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen. Zwar sei nicht zu verkennen, dass das Sonderkündigungsrecht aus § 109 Abs. 1 InsO dem Schutz der Masse diene. Dies zwinge aber nicht zu einer Betrachtungsweise, die allein diesen Schutzzweck im Blick habe. Ebenso wie unter der Geltung der Vorgängervorschrift des § 19 KO sei nämlich zu beachten, dass besondere Bedeutung der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses zukomme, und dass die vertraglich geschuldete Gebrauchsüberlassung der Mietsache unteilbar sei. Ebenso wie nach dem Beitritt des Beklagten zum Mietvertrag dem Insolvenzschuldner und dem Beklagten der Gebrauch der Mietfläche zur Berufsausübung nur einheitlich habe gewährt werden können, habe das Mietverhältnis nur einheitlich beendet werden können. Eine Teilkündigung sei unzulässig gewesen.
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Mit zutreffender Begründung habe das Landgericht auch einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung verneint. Dies gelte insbesondere für den vom Landgericht verneinten Rücknahmewillen des Klägers im Verhältnis zum Beklagten.
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Gleiches gelte für einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten in entsprechender Höhe. Der Kläger könne sich im Verhältnis zum Beklagten nicht darauf berufen, dieser habe ihm die Mietsache vorenthalten, wenn er dem Beklagten gegenüber selbst durchgehend zu verstehen gegeben habe, er halte ihn weiterhin aus dem Mietvertrag für verpflichtet.
II.
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Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand. Dem Kläger steht gegen den Beklagten weder ein Anspruch aus § 535 Abs. 2 BGB auf Zahlung der Miete für den Monat September 2009 zu, noch kann er den geltend gemachten Betrag im Wege des Nutzungs- oder Schadensersatzes verlangen.
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1. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers aus § 535 Abs. 2 BGB auf Zahlung der Miete für den Monat September 2009 verneint. Das Mietverhältnis ist durch die vom Streithelfer als Insolvenzverwalter erklärte Kündigung auch mit Wirkung für den Beklagten zum 31. Juli 2009 beendet worden.
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a) Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO kann der Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer ein Mietverhältnis über Räume, das der Schuldner als Mieter eingegangen ist, unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzschuldner nicht alleiniger Mieter der Räume war. Zwar kann bei einer Mehrheit von Mietern ein Mietvertrag grundsätzlich nur einheitlich von allen oder gegenüber allen Mietern gekündigt werden (vgl. BGHZ 26, 102 = NJW 1958, 421; BGHZ 144, 370 = NJW 2000, 3133, 3135 für einen Leasingvertrag). § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO räumt dem Insolvenzverwalter jedoch ein Sonderkündigungsrecht ein, um die Masse vor einem weiteren Anwachsen von Verbindlichkeiten aufgrund eines laufenden Mietvertrags zu schützen, wenn eine wirtschaftlich angemessene Nutzung des Mietobjekts nicht mehr möglich ist (Uhlenbruck/Wegener InsO 13. Aufl. § 109 Rn. 1). Dieser Zweck der Vorschrift gebietet es, dass der Insolvenzverwalter auch einen Mietvertrag, der von einer Mietermehrheit abgeschlossen worden ist, ohne Mitwirkung der übrigen Mieter kündigen kann (vgl. OLG Celle NJW 1974, 2012; MünchKommInsO/Eckert 2. Aufl. § 109 Rn. 36; Uhlenbruck/Wegener InsO 13. Aufl. § 109 Rn. 3).
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b) Umstritten ist allerdings, ob durch die Kündigung nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO nur der Insolvenzschuldner aus dem Mietvertrag ausscheidet oder das Mietverhältnis insgesamt, also auch mit Wirkung für die übrigen Mitmieter endet.
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Von Teilen der Literatur wird die Auffassung vertreten, mit der Kündigung durch den Insolvenzverwalter scheide nur der insolvent gewordene Mieter aus dem Mietverhältnis aus. Hinsichtlich der weiteren Mieter bleibe der Mietvertrag von der Kündigung unberührt. Zur Begründung wird vor allem auf den Zweck der Vorschrift verwiesen, die Masse vor weiteren Verbindlichkeiten zu schützen. Dieser Zweck sei ausreichend gewahrt, wenn nur der Insolvenzschuldner aus dem Mietvertrag ausscheide. Außerdem müsse bei der Auslegung des § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO berücksichtigt werden, dass der Vermieter und die weiteren Mitmieter in der Regel ein Interesse am Fortbestand des Mietvertrages hätten (MünchKommInsO/Eckert 2. Aufl. § 109 Rn. 37 f.; Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 10. Aufl. Rn. 1589).
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Nach anderer Auffassung soll der Kündigung nur dann eine Gesamtwirkung zukommen, wenn das Nutzungsrecht der Mitmieter von dem des Insolvenzschuldners abhänge oder die Mitmieter dem Mietvertrag nur aus Gründen der Mithaftung beigetreten seien und sie deshalb kein eigenes Interesse an der Gebrauchsüberlassung hätten. Sollten die Mitmieter hingegen durch den Mietvertrag ein eigenständiges Nutzungsrecht erhalten, bewirke die Kündigung nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO nur das Ausscheiden des Insolvenzschuldners und der Mietvertrag bliebe im Übrigen aufrechterhalten (OLG Köln ZIP 1995, 46; KPB/Tintelnot InsO [Stand: November 2012] § 109 Rn. 46; Andres in Andres/Leithaus InsO 2. Aufl. § 109 Rn. 6; Hörndler in Lindner-Figura/Oprée/ Stellmann Geschäftsraummiete 3. Aufl. Kap. 20 Rn. 72 f.; vgl. dazu auch Steinicke ZMR 2001, 160 ff.).
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Die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur vertritt demgegenüber mit dem Berufungsgericht die Auffassung, dass die Kündigung durch den Insolvenzverwalter stets das gesamte Mietverhältnis beende. Dies folge aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses sowie der Unteilbarkeit der Verpflichtung des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung (OLG Celle NJW 1974, 2012; OLG Düsseldorf ZMR 1987, 423, 424; RGZ 141, 391, 392 f. zu § 19 KO; Uhlenbruck/Wegener InsO 13. Aufl. § 109 Rn. 3; MünchKommBGB/Bydlinski 6. Aufl. § 425 Rn. 7; FK-InsO/Wegener 6. Aufl. § 109 Rn. 17; Braun/Kroth InsO 5. Aufl. § 109 Rn. 24; HambKomm/Ahrendt 3. Aufl. § 109 InsO Rn. 19; Nerlich/Römermann/Balthasar InsO [Stand: August 2012] § 109 Rn. 10; Blank in Schmidt-Futterer Mietrecht 10. Aufl. § 542 Rn. 140; Rolfs in Emmerich/Sonnenschein Miete 10. Aufl. § 542 Rn. 56; Belz in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. VIII B Rn. 218).
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c) Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen.
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aa) § 109 Abs. 1 InsO gewährt dem Insolvenzverwalter ein Sonderkündigungsrecht, um Mietverhältnisse, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst mit Wirkung für die Masse fortbestehen (§ 108 Abs. 1 InsO), aber wirtschaftlich für die Masse nicht mehr sinnvoll genutzt werden können, unabhängig von einer vereinbarten Vertragsdauer oder den Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung beenden zu können. Dabei ist die Vorschrift auf die Kündigung eines Mietvertrages ausgerichtet, der vom Insolvenzschuldner allein abgeschlossen worden ist (Uhlenbruck/Wegener InsO 13. Aufl. § 109 Rn. 3). Zu der Frage, ob durch die Kündigung bei einem Mietvertrag, an dem eine Mehrheit von Mietern beteiligt ist, das Mietverhältnis insgesamt beendet wird, verhält sich die Vorschrift deshalb nicht. Die Wirkung der Kündigung nach § 109 Abs. 1 InsO bei Mietverträgen, die auf Mieterseite von weiteren Personen neben dem Insolvenzschuldner abgeschlossen worden sind, bestimmt sich daher nach allgemeinen mietrechtlichen Grundsätzen. Danach kann ein Mietverhältnis, wenn auf Mieterseite mehrere Personen beteiligt sind, grundsätzlich nur mit Wirkung für sämtliche Mieter gekündigt werden (vgl. BGHZ 26, 102 = NJW 1958, 421; BGHZ 144, 370 = NJW 2000, 3133, 3135 für einen Leasingvertrag; RGZ 90, 328, 330). Auch bei Beteiligung von mehreren Mietern entsteht durch den Abschluss des Mietvertrages nur ein einheitliches Rechtsverhältnis zum Vermieter, bei dem alle Mitmieter gemeinschaftlich die Mieterseite des bestehenden Mietverhältnisses bilden (BGHZ 136, 314 = NZM 1998, 22, 24). Der Vermieter kann seine Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung gemäß § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB nur einheitlich gegenüber sämtlichen Mietern erfüllen. Der Mietgebrauch stellt eine im Rechtssinne unteilbare Leistung dar (MünchKommInsO/Eckert 2. Aufl. § 109 Rn. 36) und kann daher durch eine Kündigung nur einheitlich gegenüber sämtlichen Mietern beendet werden (vgl. BGHZ 26, 102 = NJW 1958, 421). Eine Kündigung mit Wirkung nur für einen der Mieter würde das Mietverhältnis grundlegend zu Lasten des oder der anderen Vertragsparteien umgestalten (vgl. BGHZ 96, 302 = NJW 1986, 918 für die Anfechtung und BGH Urteil vom 9. Juli 2002 XI ZR 323/01 NJW 2002, 2866, 2867 für einen Darlehensvertrag) und wäre als eine Teilkündigung grundsätzlich unzulässig (Blank in Schmidt-Futterer Mietrecht 10. Aufl. § 542 BGB Rn. 87). Die Kündigung eines Mietvertrages kann daher nur einheitlich für alle oder gegenüber allen Mietern ausgeübt werden (BGH Urteil vom 28. April 2010 VIII ZR 263/09 NZM 2010, 577 Rn. 7; RGZ 141, 391, 392 f.).
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bb) Entgegen der Auffassung der Revision gebietet der Schutzzweck des § 109 Abs. 1 InsO keine Ausnahme von der Gesamtwirkung der Kündigung. Es ist zwar zutreffend, dass dem Zweck der Vorschrift, die Masse vor einem Anwachsen der Verbindlichkeiten aus dem Fortbestand eines Mietvertrages zu schützen, Genüge getan wäre, wenn nur der Insolvenzschuldner aus dem Mietvertrag ausscheiden würde. Dieser Gesichtspunkt zwingt aber nicht dazu, die Wirkung der vom Insolvenzverwalter erklärten Kündigung auf den Insolvenzschuldner zu beschränken und den allgemeinen Grundsatz, dass die Kündigung eines Mietvertrages nur einheitlich für alle oder gegenüber allen Mietern ausgeübt werden kann, insoweit aufzugeben. Zwar wird dieser Grundsatz durch § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO bereits dadurch durchbrochen, dass der Insolvenzverwalter das Sonderkündigungsrecht ohne Mitwirkung der anderen Mitmieter ausüben kann (so zutreffend MünchKommInsO/Eckert 2. Aufl. § 109 Rn. 39). Diese Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz, dass ein Mietverhältnis nur einheitlich von allen Mietern gekündigt werden kann, ist aber durch den besonderen Schutzzweck des § 109 Abs. 1 InsO gerechtfertigt (Uhlenbruck/Wegener InsO 13. Aufl. § 109 Rn. 3). Die Möglichkeit des Insolvenzverwalters, das Mietverhältnis allein kündigen zu können, ändert jedoch nichts daran, dass die Kündigung wegen der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses Gesamtwirkung hat (Uhlenbruck/Wegener InsO 13. Aufl. § 109 Rn. 3). Eine Beschränkung der Kündigungswirkung nur auf den Insolvenzschuldner lässt sich aus dem Gesetzeszweck nicht herleiten (so schon RGZ 141, 391, 392 f. zu § 19 KO).
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cc) Soweit die Revision meint, die Annahme einer Gesamtwirkung der Kündigung berücksichtige nicht angemessen die Interessen des Vermieters und der weiteren Mitmieter an einer Fortsetzung des Mietverhältnisses, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar sind Fälle denkbar, in denen der Vermieter und die anderen Mieter das Mietverhältnis auch ohne den insolvent gewordenen Mieter fortsetzen möchten. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Sind die anderen Mieter wirtschaftlich nicht mehr in der Lage, die Mietzahlungen allein aufzubringen, oder hat der Vermieter den Mietvertrag ursprünglich gerade im Hinblick auf die erwartete wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des jetzt insolvent gewordenen Mieters abgeschlossen, kann auch ein Interesse der übrigen Vertragsparteien bestehen, dass das Mietverhältnis durch die Kündigung des Insolvenzverwalters insgesamt beendet wird (vgl. MünchKommBGB/Bydlinski 6. Aufl. § 425 Rn. 4 mwN). Sofern der Vermieter und die anderen Mieter das Mietverhältnis ohne den insolventen Schuldner fortsetzen wollen, bleibt es ihnen unbenommen, einen neuen Mietvertrag abzuschließen (so schon RGZ 141, 391, 392 zu § 19 KO). Zudem können sich die Mietvertragsparteien vor den Folgen einer Kündigung nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO durch eine entsprechende mietvertragliche Regelung schützen, nach der der Mietvertrag im Falle einer Kündigung nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO mit den weiteren Mietern fortgesetzt werden soll (vgl. hierzu OLG Celle NJW 1974, 2012; RGZ 141, 391, 392; FK-InsO/Wegener 6. Aufl. § 109 Rn. 17).
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dd) Die Wirkung der Kündigung nach § 109 Abs. 1 InsO kann auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Mitmieter ein eigenes Nutzungsinteresse an der Mietsache haben oder ob der Abschluss des Mietvertrages nur auf Gründen der Mithaftung beruht. Mit der Rechtsnatur der Kündigung als Gestaltungsrecht ist dieses Verständnis von der Wirkung einer auf § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO gestützten Kündigung nicht vereinbar. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss eine Kündigungserklärung eindeutig sein. Sie muss zweifelsfrei erkennen lassen, dass der Mietvertrag beendet werden soll und gegen wen sich die Kündigung richtet (Blank in Schmidt-Futterer Mietrecht 10. Aufl. § 542 BGB Rn. 13 f.). Hinge die Wirkung der Kündigung nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO davon ab, ob die weiteren Mieter den Mietvertrag nur aus Haftungsgründen abgeschlossen haben oder ein eigenes Nutzungsinteresse an dem Mietobjekt verfolgen, wäre die erforderliche Rechtssicherheit nicht mehr gewährleistet. Der Umfang der Kündigungswirkung würde sich erst bestimmen lassen, wenn der Grund für die Beteiligung der weiteren Mieter an dem Mietverhältnis geklärt ist. Zu welchem Zweck die weiteren Mieter den Mietvertrag abgeschlossen haben, ergibt sich jedoch nur aus dem Innenverhältnis der Mieter, das dem Vermieter oft nicht bekannt ist.
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ee) Schließlich spricht auch § 425 Abs. 1 und 2 BGB nicht gegen eine Gesamtwirkung der vom Insolvenzverwalter erklärten Kündigung. Danach wirkt die von einem oder gegenüber einem Gesamtschuldner erklärte Kündigung nur gegen diesen, nicht auch gegen die weiteren Gesamtschuldner. § 425 Abs. 2 BGB erfasst jedoch nur die Fälligkeitskündigung, etwa von Darlehensverträgen (vgl. MünchKommBGB/Bydlinski 6. Aufl. § 425 Rn. 4 mwN). Ob und in welchem Umfang eine Beendigungskündigung von Dauerschuldverhältnissen Wirksamkeit entfaltet, die nur von einem Gesamtschuldner erklärt wurde, regelt die Vorschrift nicht (vgl. BGH Urteil vom 9. Juli 2002 XI ZR 323/01 NJW 2002, 2866, 2867). Hinzu kommt, dass mehrere Mieter nicht nur als Gesamtschuldner angesehen werden können. Dies trifft zwar hinsichtlich der mietvertraglichen Pflichten zu (Palandt/Weidenkaff BGB 72. Aufl. § 535 Rn. 7). In Bezug auf die unteilbare Hauptleistungspflicht des Vermieters, den Mietern den Gebrauch der Mietsache zu überlassen, sind mehrere Mieter hingegen Gesamtgläubiger gemäß § 432 Abs. 1 BGB (vgl. MünchKommBGB/Häublein 6. Aufl. § 535 Rn. 48 mwN).
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2. Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Nutzungsersatz gemäß § 546 a BGB in Höhe der Miete für den Monat September 2009. Das Berufungsgericht hat diesen Anspruch mit der Begründung verneint, dass der Kläger in diesem Zeitraum keinen Rücknahmewillen gehabt habe, weil er gegenüber dem Beklagten auf die Fortsetzung des Mietverhältnisses bestanden habe. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats. Die nicht erfolgte Rückgabe der Mietsache führt nämlich nicht ohne weiteres zu einem Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546 a BGB. Denn das Gesetz gewährt Nutzungsentschädigung nur, wenn der Mieter dem Vermieter die Mietsache vorenthält. Vorenthaltung bedeutet Zurückbehaltung gegen den Willen des Vermieters. Sie liegt nicht vor, wenn der Vermieter der Auffassung des Mieters, der Mietvertrag sei beendet, widerspricht, indem er zu erkennen gibt, dass nach seiner Ansicht nicht wirksam gekündigt worden ist. Solange er den Mietvertrag nicht als beendet ansieht, will er keine Räumung verlangen (Senatsurteil vom 2. November 2005 XII ZR 233/03 NJW 2006, 140, 141 f.). Auch die Revision erhebt hiergegen keine Einwände.
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3. Zutreffend hat das Berufungsgericht schließlich auch einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 280 Abs. 1 und 2, §§ 286, 546 a Abs. 2 BGB abgelehnt. Voraussetzung für diesen Anspruch wäre, dass der Beklagte seine Verpflichtung zur Rückgabe der Mietsache schuldhaft nicht erfüllt hat. Nach § 276 BGB haftet der Mieter für fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten. Fahrlässig handelt der Mieter, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Das ist der Fall, wenn der Mieter nach einem objektivierten Maßstab des jeweiligen Verkehrskreises die Vorenthaltung erkennen und vermeiden konnte (Streyl in Schmidt-Futterer Mietrecht 10. Aufl. § 546 a BGB Rn. 92).
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Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen, die von der Revision nicht angegriffen werden, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Kläger im September 2009 vom Beklagten noch die Zahlung der Miete verlangte und in mehreren Schreiben zum Ausdruck brachte, dass er trotz der Kündigung durch den Insolvenzverwalter das Mietverhältnis mit dem Beklagten für fortbestehend ansah. Deshalb bestand für den Beklagten in dem fraglichen Zeitraum keine Veranlassung, auf eine Räumung des Mietobjekts hinzuwirken. Hinzu kommt, dass der Kläger einen ihm entstandenen Schaden nicht schlüssig dargelegt hat. Dazu wäre erforderlich gewesen, dass er die Räume im September 2009 anderweitig hätte vermieten können und ihm die Miete für diesen Zeitraum deshalb nicht zugeflossen ist, weil der Beklagte seiner Räumungsverpflichtung nicht nachgekommen ist. An diesem Vortrag fehlt es hier (vgl. BGH Beschluss vom 13. Juli 2010 VIII ZR 326/09 NZM 2010, 815 Rn. 3).
Dose
Schilling
Günter
Nedden-Boeger
Botur
Von Rechts wegen
Verkündet am: 13. M ärz 2013