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  • 18.03.2014 · IWW-Abrufnummer 140809

    Landgericht Berlin: Urteil vom 26.09.2013 – 67 S 251/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    LG Berlin, 26.09.2013 - 67 S 251/13

    In dem Rechtsstreit
    xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxnxxxxx ,
    Klägerin, Widerbeklagten und Berufungsklägerin,
    - Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte xxxxxxxxx
    xxxxxxxxxxxxxxx ,-g e g e n
    xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxx ,
    Beklagten, Widerkläger und Berufungsbeklagten,
    - Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte xxxn
    xxxxxxxxxxxxxxxn ,-hat die Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin in Berlin - Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 26.09.2013 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht xxxnn und die Richterinnen am Landgericht xxxxxxnn und xxx

    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.05.2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte - 27 C 249/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

    Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Mitte sind vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.
    Entscheidungsgründe

    I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

    II. Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft und die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind erfüllt. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.

    Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

    1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von ihm innegehaltenen Wohnung im 4. Obergeschoss des Quergebäudes des Anwesens xxxxxxn ixxxn Berlin. Der Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 546 Abs. 1 BGB oder aus § 985 BGB, denn der zwischen den Parteien am 28. März 2003 geschlossene Mietvertrag ist durch die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung vom 12. Juli 2012 nicht beendet worden.

    Die - jedenfalls nachträgliche - Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung ergibt sich schon aus § 569 Abs. 3 Ziffer 2 BGB aufgrund der vollständigen Schonfristzahlung durch den Beklagten.

    Aber auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses im Schreiben vom 12. Juli 2012 ist unwirksam. Es liegt kein zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigendes Interesse der Klägerin im Sinne des § 573 Abs. 1, Abs. 2 Ziffer 1 BGB vor, denn der Beklagte hat seine vertraglichen Pflichten nicht schuldhaft verletzt.

    Wie das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und in nicht zu beanstandender Weise ausführt, war der monatlich zu entrichtende Mietzins im streitgegenständlichen Zeitraum November 2011 bis Juli 2012 wegen eines Mangels, der die Tauglichkeit der Mietsache für den vertragsgemäßen Gebrauch nicht nur unerheblich eingeschränkt hat, gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB gemindert.

    Die Kernsanierungsarbeiten auf dem Nachbargrundstück xxxxxxn mit der Folge, dass während des streitgegenständlichen Zeitraums November 2011 bis Juli 2012 die Wohnung des Beklagten erheblichen Lärm- und Staubemissionen und starken Erschütterungen ausgesetzt war, rechtfertigt zur Überzeugung der Kammer eine Minderung des monatlich zu entrichtenden Mietzinses.

    Der Beklagte hat substantiiert unter Vorlage von Lärmprotokollen für den Zeitraum 1. November 2011 bis 19. Januar 2012 und vom 11. August bis 12. September 2012 vorgetragen, dass in diesem Zeitraum werktäglich von 7.00 bis 18.00 Uhr ganztags Bauarbeiten stattgefunden haben. Es seien ganztägig Bohr-, Hammer-, Säge- und Klopfgeräusche wahrnehmbar gewesen. Diesem Vortrag ist die Klägerin nur unsubstantiiert entgegengetreten. Insbesondere war ihrem Beweisantritt hinsichtlich der Gewerbemieter im Vorderhaus nicht nachzugehen, da sich die Wahrnehmung dieser Zeugen allenfalls auf die dort zu vernehmenden Geräusche und sonstigen Emissionen beziehen kann, nicht aber auf den Zustand in der Wohnung des Beklagten im 4. Obergeschoss des Quergebäudes. Im Übrigen ist unstreitig, dass im Zeitraum Frühjahr 2011 bis August 2012 das Nachbargebäude xxxxxxx vollständig kernsaniert, die Grundrisse verändert, teilweise die Fassaden geöffnet und Balkone angebaut, das Garten- und das Quergebäude um eine bzw. zwei Etagen aufgestockt, dazu die Dächer geöffnet und neu gebaut, Dachterrassen errichtet und ein Außenaufzug angebaut wurde. Dass eine derartige Baumaßnahme über Monate mit erheblichem Lärm und Schmutz und erheblichen Erschütterungen verbunden ist, zumal sie teilweise unmittelbar an der Brandmauer stattfand, die zur Wohnung des Beklagten gehört, ist offensichtlich. Insofern handelt es sich um eine offenkundige Tatsache im Sinne des § 291 ZPO, hinsichtlich derer es keiner Beweiserhebung bedurfte.

    Die Kammer hält im gegenständlichen Verfahren eine Minderung von 25% für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum von November 2011 zum Abschluss der Bauarbeiten im Juli 2012 für angemessen. Es bedarf insofern auch keiner Differenzierung hinsichtlich einzelner Zeitabschnitte. Bei umfangreichen Bauarbeiten ist es vielmehr zulässig, selbst ohne konkrete Darlegung des Mieters bezüglich des qualitativen und quantitativen Ausmaßes der jeweiligen Bauarbeiten eine feste Minderungsquote für die gesamte Dauer des Bauvorhabens zuzusprechen, auch wenn

    in einzelnen Zeiten keine besonders starken Störungen stattfinden (vgl. insoweit KG, GE 2001, 620 f.; LG Köln, WuM 2004, 234, LG Berlin, Urteil vom 13. März 2013 - 65 S 321/11).

    Eine Minderung des Mietzinses war entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages im März 2003 hinsichtlich zukünftiger, vom Nachbargebäude xxxxxxn ausgehender Lärmbelästigungen eine Beschaffenheitsvereinbarung dergestalt getroffen hätten, dass mit solchen zu rechnen und eine Minderung deshalb ausgeschlossen wäre.

    Der Beklagte hat unter Vorlage eines Fotos des Hauses xxxxxx aus dem Jahre 2010 substan-tiiert vorgetragen, dass das Haus zwar unsaniert, keineswegs aber erkennbar baufällig oder stark sanierungsbedürftig gewesen sei. Vom Zustand innerhalb des Gebäudes konnte sich der Beklagte kein eigenes Bild machen. Allein die Tatsache, dass andere Gebäude in der xxxnn und auch das Haus, in welchem sich die Wohnung des Beklagten befindet, im Zeitpunkt des Einzugs des Beklagten frisch saniert waren, ließ für ihn nicht den zwingenden Schluss zu, dass das Nachbargebäude xxxxxxn in näherer oder fernerer Zukunft in dem hier gegebenen Umfang kernsaniert und vollständig umgestaltet werden würde. Eine derartige Sanierung fand dann auch über etwa 8 Jahre nicht statt, sondern begann erst im Frühjahr 2011.

    Ein Ausschluss der Minderung kommt zwar dann in Betracht, wenn bereits zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses konkrete Anhaltspunkte für bevorstehende Bauarbeiten vorgelegen haben, wie bei einer Lage in einem ausgewiesenen Sanierungsgebiet oder bei baufälligen Gebäuden, erneuerungsbedürftigen Fassaden oder bei nahe gelegenen Baulücken (vgl. OLG München, Urteil vom 26.03.1993 - 21 U 6002/92; KG, Urteil vom. 03.06.2002 - 8 U 74/01; LG Berlin, Urteil vom 28.08.2006 - 62 S 73/06; LG Berlin, Urteil vom 24.11.2009 - 65 S 346/09; LG Bonn, Urteil vom 25.03.1985 - 6 AS 2/85; LG Leipzig, Urteil vom 08.06.2005 - 3 O 4016/04; LG Frankfurt, WuM 2007, 316 f.; LG Gießen, ZMR 2011, 384). Vergleichbare konkrete Anhaltspunkte für bevorstehende Bauarbeiten in dem später unstreitig erfolgten Umfang sind im gegenständlichen Verfahren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 28. August 2003 aber nicht erkennbar gewesen.

    Auch turnusmäßig vorzunehmende und üblicherweise im Altbaubestand vorherzusehende Bauarbeiten in Nachbargebäuden können zum Ausschluss einer Minderung des Mietzinses führen, weil ihr Erfordernis für den Mieter bei Vertragsschluss grundsätzlich vorhersehbar ist und vorhergesehen werden muss. Auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12) können aber Lärmbelästigungen, die die innerhalb der Berliner Innenstadtlagen nach Umfang und Intensität üblichen Grenzen - wie im gegenständlichen Verfahren - bei weitem übersteigen, einen zur Minderung berechtigenden Mangel darstellen. Von einem solchen geht die

    Kammer - wie bereits dargestellt - im gegenständlichen Verfahren unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles aus.

    Auch wenn ein Mieter im zentralen Innenstadtbereich einer Großstadt wie Berlin zudem jederzeit damit rechnen muss, dass (Straßenbau-) Arbeiten in größerem Umfang und von längerer Dauer stattfinden, von denen auch Lärmbelästigungen ausgehen (BGH, a.a.O.), so muss er aber regelmäßig ohne konkrete äußere Anhaltspunkte nicht damit rechnen, dass in einem Nachbargebäude Entkernungsarbeiten stattfinden, die zu einer das übliche Maß deutlich übersteigenden Zunahme der Lärm- und Schmutzemissionen führen (anders: Landgericht Berlin, Urteil vom 27. September 2011 - 63 S 641/10; wie hier: Landgericht Berlin, Urteil vom 13. März 2013 - 65 S 321/11).

    2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

    3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

    4. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es ist nicht erforderlich, die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

    verkündet am : 26.09.2013

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 536 Abs. 1 S. 2, 3 BGB; § 546 Abs. 1 BGB; § 985 BGB