11.04.2017 · IWW-Abrufnummer 193189
Bundesgerichtshof: Urteil vom 15.03.2017 – VIII ZR 92/16
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Prof. Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I - 14. Zivilkammer - vom 13. April 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Der Beklagte zu 1 mietete mit Vertrag vom 27. Juni 2003 von den Rechtsvorgängern der Klägerin eine in dem freistehenden Wohnhaus K. , M. , befindliche ca. 459 m2 große Neunzimmerwohnung, die er zusammen mit seiner Ehefrau und vier Kindern nutzt. Die Nettomiete beträgt 5.926,75 € monatlich. Bereits im Jahr 1995 war das Wohnhaus nach § 8 WEG in drei Eigentumswohnungen, bestehend aus dem Erdgeschoss und dem 1. Obergeschoss (Wohnung 1), dem 2. Obergeschoss (Wohnung 2) sowie dem Dachgeschoss (Wohnung 3) aufgeteilt worden. Die im Jahr 2003 an den Beklagten zu 1 vermieteten Räume bestehen im Wesentlichen aus der Wohnung 1 und Teilen der Wohnung 2.
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Mit Gesellschaftsvertrag vom 13. August 2012 wurde die Klägerin gegründet. Gesellschafter sind J. T. (im Folgenden: Gesellschafterin zu 1), deren geschiedener Ehemann, S. T. (Gesellschafter zu 2) sowie deren gemeinsamer Sohn, J. T. (Gesellschafter zu 3). Zweck der Gesellschaft ist nach § 1 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags "der Erwerb, die Verwaltung und Nutzung der nach WEG in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilten Immobilie K. , M. , so auch die Eigennutzung durch die Gesellschafter". Weiter sieht der Gesellschaftsvertrag in § 1 Nr. 2 die Aufteilung der Immobilie unter den Gesellschaftern in der Weise vor, dass der Gesellschafterin zu 1 die Wohnung 1, dem Gesellschafter zu 2 die Wohnung 2 und dem Gesellschafter zu 3 die Wohnung 3 zur Nutzung überlassen werden sollen. Mit notariellem Kaufvertrag vom 14. August 2012 erwarb die Klägerin das Wohnhaus in der K. zu einem Kaufpreis von rund 9,2 Millionen Euro.
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Mit Schreiben vom 24. März 2014 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit den Beklagten zum 31. Dezember 2014 wegen Eigenbedarfs mit der Begründung, die Gesellschafterin zu 1 wolle mit ihrem weiteren Sohn, T. T. , sowie ihren Eltern die Wohnung 1 beziehen; der Gesellschafter zu 2 wolle in die Wohnung 2 einziehen, während der Gesellschafter zu 3 in der Wohnung 3, die er bereits seit einiger Zeit nutze, verbleiben werde. Die Eltern der Gesellschafterin zu 1 seien alt und pflegebedürftig; die streitgegenständliche Wohnung biete für die Familie sowie das Pflegepersonal genügend Platz, der am jetzigen Wohnsitz der Gesellschafterin zu 1 in G. nicht vorhanden sei. Die Beklagten haben der Kündigung widersprochen.
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Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Neunzimmerwohnung gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Räumungs- und Herausgabebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
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Der Klägerin stehe ein Räumungsanspruch nach § 546 Abs. 1 BGB nicht zu, da die Kündigung vom 24. März 2014 das Mietverhältnis nicht beendet habe.
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Zwar scheitere die Kündigung nicht, wie es das Amtsgericht angenommen habe, an formellen Anforderungen; denn in dem Kündigungsschreiben sei der Kündigungsgrund klar und eindeutig identifizierbar bezeichnet worden. Die Kündigung sei schlüssig erläutert worden und ermögliche den Beklagten eine sachgerechte Rechtsverteidigung. Einer weiteren Begründung, insbesondere zu den bisherigen Wohnverhältnissen, habe es nicht bedurft.
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Die Kündigung sei jedoch aus Rechtsgründen unwirksam, denn die Klägerin könne als Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Kündigung nicht gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf ihrer Gesellschafter oder deren Angehörigen stützen. Eine solche "Zurechnung" des Eigenbedarfs der Gesellschafter sei mit dem Schutzzweck, der dieser Vorschrift und auch der Kündigungssperre nach § 577a Abs. 1a BGB zugrunde liege, nicht vereinbar, den Mieter vor einem unkalkulierbaren Risiko von Eigenbedarfskündigungen durch einen nicht überschaubaren Personenkreis zu bewahren. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei es nicht möglich, für Gesellschaften mit personalistischem Einschlag eine Ausnahme zuzulassen, da eine trennscharfe Differenzierung insoweit nicht erfolgen könne. Deshalb berufe sich die Klägerin im Streitfall ohne Erfolg darauf, das streitgegenständliche Objekt nicht als Investitionsobjekt, sondern lediglich zur Bewohnung durch ihre Gesellschafter im Sinne einer Familienzusammenführung erworben zu haben. Der vorliegende Fall veranschauliche, zu welch erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten eine Unterscheidung zwischen familiengeführten, einer einfachen Vermietermehrheit angenäherten Gesellschaften einerseits und am Immobilienmarkt wirtschaftlich tätigen Gesellschaften andererseits führen würde. Um Missbrauch vorzubeugen, komme daher ein Abstellen auf den Gesellschaftszweck nicht in Betracht.
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Von einer weiteren Wiedergabe der Gründe des Berufungsurteils sieht der Senat im Hinblick darauf ab, dass es sich um eine - fast wortgleich begründete - Parallelentscheidung der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I zu deren Urteil vom 7. Oktober 2015 (Az.: 14 S 2969/15) handelt, die Gegenstand des Revisionsurteils des Senats vom 14. Dezember 2016 (VIII ZR 232/15 , NJW 2017, 111, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) gewesen ist.
II.
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Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung vom 24. März 2014 nicht ihre Wirksamkeit abgesprochen und ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe ( § 546 Abs. 1 , § 985 BGB ) nicht verneint werden.
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1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass das Schreiben der Klägerin vom 24. März 2014, in dem sie - neben dem Kündigungsausspruch - das Wohnkonzept beschrieben hat, das ihre Gesellschafter in dem Anwesen K. verwirklichen wollten, den an eine Kündigung zu stellenden formellen Anforderungen genügt. Entgegen der Rüge der Revisionserwiderung hat das Berufungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass die Klägerin den Kündigungsgrund in dem Schreiben vom 24. März 2014 so konkret bezeichnet hat, dass er identifiziert und von anderen Kündigungsgründen unterschieden werden kann. Hierzu war es nicht erforderlich, nähere Angaben zur Größe der Wohnung zu machen, die bisher von der Gesellschafterin zu 2 bewohnt wird.
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2. Soweit das Berufungsgericht indes der Klägerin die Befugnis abspricht, eine ordentliche Kündigung auf den Eigenbedarf ihrer Gesellschafter stützen zu können, ist seine Auffassung von Rechtsirrtum beeinflusst. Denn wie der Senat jüngst in seinem Urteil vom 14. Dezember 2016 (VIII ZR 232/15 , aaO) in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung ( Senatsurteile vom 27. Juni 2007 - VIII ZR 271/06 , NJW 2007, 2845 Rn. 15; vom 16. Juli 2009 - VIII ZR 231/08 , NJW 2009, 2738 Rn. 13 f.; vom 23. November 2011 - VIII ZR 74/11 , NJW-RR 2012, 237 Rn. 23) bekräftigt hat, kann sich eine teilrechtsfähige (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts in entsprechender Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines oder mehrerer ihrer Gesellschafter oder deren Angehörigen berufen. Zu den dafür maßgeblichen Erwägungen verweist der Senat auf sein Urteil vom 14. Dezember 2016 (VIII ZR 232/15 , aaO, dort insbesondere Rn. 15 ff.), in dem er sich im Einzelnen mit der weitgehend wortidentischen gegenteiligen Argumentation des Berufungsgerichts auseinandergesetzt hat, ohne sie zu billigen. Daran hält der Senat auch in Ansehung der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Kritik durch die Revisionserwiderung fest. Im Hinblick auf die dort vorgetragenen gesellschaftsrechtlichen Argumente verweist der Senat insbesondere auf die Rn. 18 ff. seines Urteils vom 14. Dezember 2016 (VIII ZR 232/15 , aaO).
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3. Demgemäß kann sich die Klägerin im Streitfall gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB analog auf einen Eigenbedarf ihrer (Gründungs-)Gesellschafter zu 1 und 2 berufen, dessen Vorliegen im Revisionsverfahren zu unterstellen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass es sich im Streitfall bei der Klägerin um eine sehr einfach strukturierte (Familien-)Gesellschaft mit überschaubarem Bestand handelt, deren Zweck im Gesellschaftsvertrag mit dem Erwerb des Anwesens K. und der Aufteilung der Nutzung der dort befindlichen Wohnungen unter den drei Gesellschaftern beschrieben ist. Dieser Umstand macht es nur besonders deutlich, dass es nicht gerechtfertigt ist, die Klägerin anders als eine Miteigentümer- oder Erbengemeinschaft zu behandeln.
III.
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Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben ( § 562 Abs. 1 ZPO ). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen zum Vorliegen des geltend gemachten Eigenbedarfs ( § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB analog) und zu möglichen Härtegründen nach § 574 BGB getroffen hat; sie ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Dr. Bünger
Von Rechts wegen