18.10.2018 · IWW-Abrufnummer 204980
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 04.09.2018 – VIII ZR 100/18
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. September 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger, Kosziol und Dr. Schmidt
beschlossen:
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I.
1
Die Beklagten waren bis Ende März 2016 Mieter einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Die geschuldete Bruttomiete belief sich zuletzt auf 820 € monatlich. Die Klägerin verlangt Zahlung ausstehender Mieten für die Monate November 2015, Januar 2016 und März 2016 in Höhe von insgesamt 2.460 € nebst Zinsen.
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Am 14. März 2013 hatten die Beklagten der Klägerin einen regelmäßig wiederkehrenden fauligen Geruch in der Wohnung angezeigt. Der Mangel wurde erst im Dezember 2015 behoben. Im Oktober/November 2015 sprach der Beklagte zu 2 in mehreren E-Mails die Frage einer Mietminderung an. In seiner E-Mail vom 15. Oktober 2015 findet sich folgender Passus:
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In einer weiteren an die Hausverwaltung der Klägerin gerichteten E-Mail vom 5. November 2015 teilte der Beklagte zu 2 dieser auf deren Antwort vom 23. Oktober 2015, wonach einer Mietminderung nicht zugestimmt werden könne, da "wir stets darum bemüht sind, zeitnah entsprechende Maßnahmen zur Beseitigung der Mängel zu treffen und diese insbesondere in Bezug auf das Geruchsproblem bereits durchgeführt worden sind", unter anderem Folgendes mit:
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Am selben Tag glichen die Beklagten, die in der Zwischenzeit die Miete zunächst unregelmäßig entrichtet hatten, die bis dahin aufgelaufenen Mietrückstände vollständig aus.
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Gegen die mit der Klage geltend gemachten Mietforderungen haben die Beklagten mit Ansprüchen wegen Minderung der Wohnungsmiete um monatlich 15 % seit Januar 2011 in Höhe von insgesamt 7.380 € aufgerechnet.
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Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 2.378 € stattgegeben; dabei hat es für die Novembermiete eine Minderung von 10 % angesetzt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagten - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - nur zur Zahlung von 1.476 € nebst Zinsen verurteilt. In Höhe von 902 € (11 x 82 €) hat es den Beklagten für den Zeitraum von Januar 2015 bis Oktober 2015 und für Dezember 2015 aufrechenbare bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche zugesprochen, weil die Miete auch in diesen Monaten um 10 % gemindert gewesen sei. Anders als das Amtsgericht hat es diesen Rückzahlungsanspruch nicht an § 814 BGB scheitern lassen.
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Mit der vom Berufungsgericht beschränkt hinsichtlich der zur Aufrechnung gestellten Forderungen zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
II.
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1. Ein Grund zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben ( § 552a Satz 1 , § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Das Berufungsgericht hat die Revision "im Hinblick auf Darlegungs- und Beweiserleichterungen des Vermieters im Rahmen des § 814 BGB bei vom Mieter vorbehaltlos erbrachten Zahlungen trotz Vorliegens eines Mangels" wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
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a) Insoweit besteht jedoch kein höchstrichterlicher Klärungsbedarf. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Leistungsempfänger darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 814 BGB (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 17. Oktober 2002 - III ZR 58/02 , NJW 2002, 3772 unter 3; vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 199/04 , NJW-RR 2005, 1464 unter II 3). Zweifel hieran gehen zu seinen Lasten ( BGH, Urteile vom 17. Oktober 2002 - III ZR 58/02 , aaO; vom 5. März 2015 - IX ZR 133/14 , BGHZ 204, 231 Rn. 45 ). Erleichterungen für die Darlegung und den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des § 814 BGB werden dem Leistungsempfänger - wie auch das Berufungsgericht unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angenommen hat - nicht zugebilligt.
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b) Auch dem Urteil des Senats vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 274/02 , BGHZ 155, 380, 389 sind solche Erleichterungen nicht zu entnehmen. Der Senat hat dort zwar ausgeführt, ein Mieter, der bei einem nach Abschluss des Mietvertrags entstandenen oder bekannt gewordenen Mangel die Miete über einen längeren Zeitraum und ohne jeden Vorbehalt ungekürzt weiterzahle, könne - soweit ihm, wie im Regelfall beim heutigen Kenntnisstand der beteiligten Verkehrskreise anzunehmen, sein Recht zur Herabsetzung der Miete bekannt sei - die "Überzahlung" nicht zurückfordern ( § 814 BGB ). Diese Ausführungen sind aber nicht als Einräumung einer Darlegungs- oder Beweiserleichterung für den Leistungsempfänger zu verstehen. Davon geht auch die Revision nicht aus.
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c) Nach alledem liegen weder die vom Berufungsgericht bejahten Zulassungsgründe ( § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 , Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ) noch der weiter im Gesetz genannte Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts ( § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO ) vor.
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2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die von den Beklagten für die Monate Januar 2015 bis Oktober 2015 sowie Dezember 2015 geschuldete Bruttomiete gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB jeweils um 10 % (= 82 € monatlich) gemindert ist und den Beklagten daher wegen der erfolgten Überzahlungen aufrechenbare Gegenforderungen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zustehen, die nicht durch § 814 Alt. 1 BGB ausgeschlossen sind.
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a) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht für die Monate Januar 2015 bis Oktober 2015 und Dezember 2015 eine Minderung der monatlichen Bruttomiete um jeweils 10 % bejaht.
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aa) Sie macht zunächst geltend, der gerügte Mangel begründe allenfalls eine unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung und rechtfertige daher keine Mietminderung, weil er bereits seit Januar 2011 bestanden habe, die Beklagten aber erst im November 2015 auf dessen Beseitigung gedrungen hätten. Ein Mangel, mit dem in einem solch langen Zeitraum gelebt und gewohnt werden könne, sei bereits begrifflich nicht erheblich. Diese Einschätzung findet im Prozessstoff keine Stütze. Die Revision lässt nicht nur die Schilderungen des in erster Instanz gehörten Zeugen P. , sondern insbesondere auch außer Acht, dass sich die Beseitigung des am 14. März 2013 angezeigten Mangels mehrere Jahre hinzog, weil die Ursache hierfür nicht gefunden werden konnte. Dementsprechend hat der Beklagte zu 2 in seiner E-Mail vom 5. November 2015 geschrieben: "Leider ist die Beseitigung der Mängel seit 2013 fruchtlos [...]".
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bb) Die vom Berufungsgericht bejahte Minderung um 10 % in den in Frage stehenden Monaten ist - anders als die Revision den Ausführungen auf Seite 7 des amtsgerichtlichen Urteils entnehmen will - auch nicht deswegen geringer oder gar nicht anzusetzen, weil sich der Mangel "immer wieder in unregelmäßigen Abständen" ausgewirkt habe. Das Amtsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision, die dessen Würdigung nur unvollständig wiedergibt, nicht verkannt, dass bei einem Mangel, der sich nur periodisch erheblich auf die Gebrauchstauglichkeit einer Mietsache auswirkt, die Miete nur für den betroffenen Zeitraum gemindert ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 132/09 , NJW 2011, 514 Rn. 13). Es hat diesen Umstand ausdrücklich auf Seite 8 seines Urteils berücksichtigt, indem es nach Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme abschließend ausgeführt hat: "Nach Auffassung des Gerichtes ist die Nutzbarkeit der Wohnküche stark eingeschränkt, wenn ein muffiger Abwassergeruch existiert. Da der Mangel nachweislich lediglich immer wiederkehrend, mal intensiver, mal nicht so intensiv festzustellen war, hält das Gericht insgesamt eine Minderung in Höhe von 10 % für angemessen, § 287 ZPO ". Dieser Einschätzung hat sich das Berufungsgericht auf Seite 5 seines Urteils angeschlossen und hat die vom Amtsgericht für den Monat November 2015 berücksichtigte Minderungsquote von 10 % der Bruttomiete auch für die weiteren Monate des Jahres 2015 angesetzt. Dies ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
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b) Der Revision bleibt auch der Erfolg versagt, soweit sie sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, die Beklagten seien nicht gemäß § 814 BGB gehindert, bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche wegen überzahlter Mieten geltend zu machen.
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aa) Der Kondiktionsausschluss des § 814 Alt. 1 BGB greift - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erst ein, wenn der Leistende nicht nur die Tatumstände kennt, aus denen sich ergibt, dass er nicht verpflichtet ist, sondern auch weiß, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet ( BGH, Urteile vom 28. November 1990 - XII ZR 130/89 , BGHZ 113, 62, 70 ; vom 17. Oktober 2002 - III ZR 58/02 , aaO; vom 11. November 2008 - VIII ZR 265/07 , NJW 2009, 580 Rn. 17; vom 13. Mai 2014 - XI ZR 170/13 , NJW-RR 2014, 1133 Rn. 109; jeweils mwN). Der Leistende muss also aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung der Laiensphäre auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben ( BGH, Urteile vom 25. Januar 2008 - V ZR 118/07 , NJW-RR 2008, 824 Rn. 13; vom 13. Mai 2014 - XI ZR 170/13 , aaO; jeweils mwN).
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bb) Die Frage, ob gemessen an diesen Maßstäben ein Rückforderungsanspruch nach §§ 812 ff. BGB wegen Kenntnis der Nichtschuld ausgeschlossen ist, ist nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung anhand der in erster Linie vom Tatrichter zu würdigenden konkreten Umstände des Einzelfalls zu beantworten (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 1990 - XII ZR 130/89 , aaO; vom 17. Oktober 2002 - III ZR 58/02 , aaO; vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 199/04 , aaO; vom 25. Januar 2008 - V ZR 118/07 , aaO; vom 11. November 2008 - VIII ZR 265/07 , aaO; vom 13. Mai 2014 - XI ZR 170/13 , aaO Rn. 109 f.). Vor diesem Hintergrund hat der Senat im Urteil vom 16. Juli 2003 (VIII ZR 274/02 , aaO) in seinem obiter dictum nur eine überschlägige Regelfallbetrachtung angestellt, nicht aber eine Würdigung der Einzelfallumstände als obsolet ansehen wollen. Davon geht letztlich auch die Revision aus.
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cc) Das Berufungsgericht ist unter Anwendung dieser Grundsätze zu der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Überzeugung gelangt, dass die Beklagten keine Kenntnis davon hatten, dass sie die Bruttomiete für die in Rede stehenden Monate nicht in voller Höhe schuldeten.
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(1) Zwar ist - wie die Revision zu Recht geltend macht und das Berufungsgericht verkennt - von einer positiven Kenntnis einer Minderung nach § 536 BGB nicht erst dann auszugehen, wenn der Mieter über eine umfassende Kenntnis sämtlicher Elemente des Minderungsrechts nach § 536 BGB verfügt. Angesichts des Umstands, dass eine Minderungsquote in aller Regel wegen der dabei in vieler Hinsicht gegebenen Bemessungsunwägbarkeiten (Art, Dauer, Erheblichkeit des Mangels) von einem Laien - und häufig auch von einem rechtlichen Beistand - nur überschlägig angesetzt werden kann, steht einem Kondiktionsausschluss nach § 814 Alt. 1 BGB nicht entgegen, dass sich der Mieter nur zu einer ungefähren Bestimmung einer Minderungsquote in der Lage sieht.
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(2) Gleichwohl hält die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Denn das Berufungsgericht stellt zu Recht darauf ab, dass den Beklagten ausweislich der - auch von der Revision angeführten - E-Mails des Beklagten zu 2 vom 15. Oktober 2015 und vom 5. November 2015 zumindest ein wesentlicher rechtlicher Aspekt nicht bewusst war, nämlich der Umstand, dass eine Mietminderung kraft Gesetzes eintritt, wenn ein Mangel vorliegt, der die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache mindert oder aufhebt ( § 536 BGB ) und der dem Vermieter angezeigt worden ist ( § 536c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB ). Beiden E-Mails des Beklagten zu 2 liegt die fehlerhafte Vorstellung zugrunde, eine Minderung könne nur dann vorgenommen werden, wenn der Vermieter sein Einverständnis hierzu erklärt. Die Beklagten haben damit hinsichtlich der Minderung der Bruttomiete in den Monaten Januar 2015 bis Oktober 2015 und Dezember 2015 nicht die für eine positive Kenntnis im Sinne von § 814 Alt. 1 BGB erforderlichen zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen. Soweit die Revision den Formulierungen in der E-Mail vom 15. Oktober 2015 allein den Versuch einer Streitbeilegung durch Abschluss eines Vergleiches entnehmen will, setzt sie in unzulässiger Weise ihre eigene Einschätzung an die Stelle der Würdigung des Berufungsgerichts.
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3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Dr. Milger
Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Kosziol
Dr. Schmidt
Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.