05.09.2019 · IWW-Abrufnummer 211032
Bundesgerichtshof: Urteil vom 21.08.2019 – VIII ZR 263/17
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. August 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger sowie die Richter Dr. Schneider, Dr. Bünger, Kosziol und Dr. Schmidt
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 2. November 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben als das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen abgerissener Tapeten in Höhe von 663,42 € bejaht und den Beklagten (nach Abzug restlicher Kaution) zur Zahlung von 645,14 € nebst Zinsen sowie von 147,56 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt hat.
Die weitergehende Revision wird als unzulässig verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Der Beklagte war vom 1. März 2008 bis zum 30. September 2012 Mieter einer Doppelhaushälfte der Klägerin in D. . Die Klägerin übergab dem Beklagten das Haus zu Mietbeginn unrenoviert. In der Folgezeit, in der die Parteien kurzzeitig eine Beziehung miteinander führten, erklärte die Klägerin dem Beklagten, er könne in dem Haus "renovieren wie er es möchte". Der Beklagte begann mit Renovierungsarbeiten am Objekt, stellte diese jedoch ein, nachdem er erfahren hatte, dass die Klägerin das Haus verkaufen wollte. Das Haus wurde am 2. Oktober 2012 an die Klägerin zurückgegeben.
2
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 9.307,15 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat nur in geringem Umfang Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat das amtsgerichtliche Urteil - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - dahin abgeändert, dass der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 645,14 € nebst Zinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter und wendet sich außerdem dagegen, dass das Berufungsgericht die von der Klägerin geltend gemachte Schadensposition Reinigungskosten (180 €) erst wegen der Hilfsaufrechnung mit der Kaution als unbegründet angesehen hat.
Entscheidungsgründe
3
Die Revision hat teilweise Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
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Der infolge einer unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung nicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen verpflichtete Beklagte habe mit dem Abreißen der Tapeten in den Fensterlaibungen der Küche und an Teilen der Flurwände, ohne die damit begonnene Renovierung der Wände zu Ende zu führen, den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache überschritten. Er sei der Klägerin daher nach § 535 Abs. 1 , § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Der Beklagte hätte begonnene Renovierungsarbeiten zu Ende führen oder den vorherigen Zustand wiederherstellen müssen. Ein eventueller Verkauf des Objekts durch die Klägerin hätte nicht zwingend das Ende des Mietverhältnisses zur Folge gehabt ( § 566 BGB ) und habe daher das Einstellen der Arbeiten durch den Beklagten nicht gerechtfertigt. Aber selbst wenn gewiss gewesen wäre, dass das Mietverhältnis der Parteien beendet werden würde, wäre der Beklagte unabhängig vom Alter und der Renovierungsbedürftigkeit der Dekoration gehalten gewesen, den durch den Teilabriss verursachten Schaden zu beseitigen. Eine vorherige Aufforderung zur Beseitigung des Schadens unter Fristsetzung sei für das Ersatzverlangen der Klägerin nicht erforderlich gewesen.
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In Anbetracht der nachvollziehbar begründeten Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen sei ein Kostenaufwand zur Schadensbehebung von 829,27 € notwendig. Es sei jedoch ein Abzug "neu für alt" gerechtfertigt, wenn beim Ersetzen einer gebrauchten Sache durch eine neue Sache bei dem Geschädigten eine messbare Vermögensmehrung eintrete, die sich für ihn günstig auswirke, und wenn dem Geschädigten die Anrechnung dieser Vermögensmehrung zumutbar sei. Im vorliegenden Fall sei unabhängig von dem Alter der Tapeten zu berücksichtigen, dass der Beklagte mit deren Teilabriss in die Entscheidungsfreiheit der Klägerin eingegriffen habe. Sie hätte die Wohnung ohne den Teilabriss unrenoviert weitervermieten können oder sich mit dem Nachmieter darüber einigen können, dass dieser die Renovierung übernimmt. Dies sei durch das Vorgehen des Beklagten jedenfalls erschwert worden, weil die Bereitschaft eines Nachmieters zu einer solchen Einigung nach dem Teilabriss der Tapeten geringer sein dürfte, da ohne den Abriss ein Anstrich der Wände für eine Renovierung ausgereicht hätte. Deshalb sei der Abzug "neu für alt" nach § 287 ZPO hier nur moderat mit 20 % der Kosten zu bemessen, so dass die Klägerin wegen der Beschädigung der Tapeten nicht den zur Wiederherstellung an sich erforderlichen Betrag von 829,27 €, sondern nur 663,42 € beanspruchen könne.
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Da die Klägerin darüber hinaus noch Ersatz für eine vom Beklagten beschädigte Fensterbank in Höhe von 231,72 € verlangen könne, ergebe sich eine begründete Schadensersatzforderung von insgesamt 895,14 €. Darüber hinaus habe die Klägerin Anspruch auf 100 € für die Reinigung der Dachrinnen, auf 210 € für Aufwendungen zur Bekämpfung von Schädlingen, auf 180 € für die Reinigung des Objekts nach Auszug des Beklagten sowie auf 60 € für den Austausch der Badezimmertür. Von dem mithin insgesamt geschuldeten Betrag von 1.445,14 € sei die geleistete Kaution in Höhe von 800 € in Abzug zu bringen, so dass ein Zahlbetrag von 645,14 € verbleibe.
II.
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Diese Beurteilung hält, soweit die Revision zugelassen ist, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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1. Das Berufungsgericht hat die Revision nur beschränkt bezüglich des Anspruchs der Klägerin auf Schadensersatz wegen des Abreißens der Tapeten zugelassen, wie sich aus der vom Berufungsgericht für die Zulassung angegebenen Begründung ergibt. Denn das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision zur Klärung der Frage für erforderlich erachtet, ob das teilweise Abreißen von Tapeten als haftungsbegründender Tatbestand zu sehen sei und inwieweit ein Ersatzanspruch des Vermieters von dem Zustand des Mietobjekts vor Beginn der später abgebrochenen Renovierung abhänge. Dies betrifft nur den genannten Schadensersatzanspruch und begegnet keinen Bedenken, da die Revision bezüglich eines - wie hier - tatsächlich und rechtlich selbständigen Teils des Gesamtstreitstoffs zugelassen werden kann, auf den auch die Partei selbst die Revision hätte beschränken können (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17 , NJW 2018, 1880 Rn. 20; Senatsurteil vom 15. März 2017 - VIII ZR 295/15 , NJW 2017, 2679 Rn. 13; jeweils mwN).
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Von der Zulassung erfasst sind neben der auf die Entfernung von Tapetenteilen gestützten Schadensersatzforderung auch die damit zusammenhängenden außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hat das Berufungsgericht die Revision jedoch nicht nur beschränkt auf den Grund des Anspruchs zugelassen. Denn es hat die Zulassung der Revision auch mit der von ihm als klärungsbedürftig erachteten Frage begründet, ob und inwieweit ein Ersatzanspruch des Vermieters wegen entfernter Tapetenteile von dem Zustand abhängt, in dem sich das Objekt zuvor befunden hat.
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Soweit die Revision meint, auch der vom Berufungsgericht bejahte Anspruch auf Ersatz von Reinigungskosten in Höhe von 180 € sei untrennbar mit der Frage eines bestehenden Schadensersatzanspruchs wegen des Abreißens der Tapeten verbunden, so dass die insoweit zugelassene Revision auch die Frage eines bestehenden Anspruchs auf Ersatz von Reinigungskosten erfasse, trifft dies jedoch nicht zu. Denn es ist weder festgestellt noch ersichtlich, dass die nach Übergabe des Objekts im Oktober des Jahres 2012 entstandenen Reinigungskosten in einem Zusammenhang mit Verschmutzungen stehen könnten, die durch das Abreißen von Tapetenteilen im Jahr 2008 entstanden sind.
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2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten wegen eines "Teilabrisses" von Tapeten nicht bejaht werden.
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a) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass eine Pflichtverletzung des Mieters darin liegen kann, dass er (ohne anschließend neue Tapeten anzubringen) in der Mietwohnung vorgefundene Tapeten ganz oder teilweise entfernt und dass er einen dadurch verursachten Schaden nach § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen hat. Hiergegen wendet sich auch die Revision nicht.
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b) Wie der Senat - nach Erlass des Berufungsurteils - mit Urteil vom 28. Februar 2018 (VIII ZR 157/17 , BGHZ 218, 22 Rn. 9 ff. ) entschieden hat, bedarf es - entgegen der Auffassung der Revision - für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen Überschreitens des vertragsgemäßen Gebrauchs, wie er auch hier in Rede steht, einer vorherigen Fristsetzung nicht.
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Der Senat hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass es sich bei der den Mieter treffenden Verpflichtung, die ihm überlassenen Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch nach Maßgabe von § 538 BGB entsprechenden Zustand zu halten, insbesondere die Räume aufgrund der aus der Übertragung des Besitzes an der Wohnung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer von § 538 BGB nicht mehr gedeckten Verschlechterung führen kann, um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB handelt, deren Verletzung (schuldrechtlich) eine Schadensersatzpflicht allein nach den in § 280 Abs. 1 BGB geregelten Voraussetzungen begründet ( Senatsurteil vom 28. Februar 2018 - VIII ZR 157/17 , aaO Rn. 23). Für diese rechtliche Einordnung ist es unerheblich, ob der Schadensersatzanspruch vor oder nach Beendigung des Mietverhältnisses geltend gemacht wird ( Senatsurteil vom 28. Februar 2018 - VIII ZR 157/17 , aaO Rn. 23 f.).
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c) Von Rechtsirrtum beeinflusst ist jedoch die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin sei - unabhängig vom Alter und Zustand der vom Beklagten entfernten Tapetenteile - ein Schaden in Höhe von 80 % der Kosten entstanden, die für eine Neutapezierung der betreffenden Wände erforderlich wären.
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Die Revision verweist mit Recht darauf, dass der Beklagte in den Tatsacheninstanzen jeglichen Schaden bestritten und insoweit ausgeführt hat, dass sich an den betreffenden Stellen eine rund 30 Jahre alte - nicht zum Überstreichen geeignete, aber vor seiner Besitzzeit mehrfach überstrichene - Mustertapete befunden hätte, die sich teilweise bereits gelöst habe. Damit hat der Beklagte geltend gemacht, dass die vorhandene Dekoration angesichts ihres Alters und Zustandes ohnehin wertlos gewesen und aus diesem Grund durch das Entfernen einiger abgelöster Tapetenteile überhaupt kein Schaden entstanden sei. Da die Klägerin im Rahmen des von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nach § 280 Abs. 1 BGB die Beweislast für das Entstehen und die Höhe des geltend gemachten Schadens trägt, durfte das Berufungsgericht nicht entscheiden, ohne Feststellungen zum Alter und zum Zustand der (angeblich) beschädigten Sache zu treffen.
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Die Überlegung des Berufungsgerichts, der Klägerin sei - unabhängig vom Zustand und Alter der Tapeten - deshalb ein Schaden fast in Höhe des Neuwerts entstanden, weil der Beklagte "in die Entscheidungsfreiheit der Klägerin" eingegriffen habe, geht fehl. Es ist nicht im Ansatz nachvollziehbar, inwiefern - wie vom Berufungsgericht erwogen - die durch die Schädigungshandlung des Beklagten angeblich vereitelte Möglichkeit der Klägerin, das Haus nach Beendigung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten mit einer renovierungsbedürftigen Dekoration weiter zu vermieten, es rechtfertigen könnte, den Wert einer völlig verschlissenen Dekoration fast mit dem Neuwert anzusetzen.
III.
19
Das Berufungsurteil kann daher im Umfang der zugelassenen Revision keinen Bestand haben. Es ist deshalb nach § 562 Abs. 1 ZPO insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht wegen der entfernten Tapeten einen Schadensersatzanspruch der Klägerin in Höhe von 663,42 € bejaht und den Beklagten in der Folge nach Verrechnung mit der restlichen Kaution zur Zahlung von 645,14 € nebst Zinsen sowie weiterer 147,56 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt hat. Die weitergehende Revision ist als unzulässig zu verwerfen. Im Umfang der Aufhebung ist die nicht entscheidungsreife Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dr. Milger
Dr. Schneider
Dr. Bünger
Kosziol
Dr. Schmidt
Von Rechts wegen