03.04.2023 · IWW-Abrufnummer 234515
Landgericht Bonn: Beschluss vom 26.07.2022 – 6 T 81/22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Bonn, 6 T 81/22
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 13.04.2022 (Az. 115 C 187/21) dahingehend abgeändert, dass die Kosten des Rechtsstreits allein die Klägerin zu tragen hat.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
I.
2
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 13.04.2022 ist zulässig, §§ 91a Abs. 2, 567 ZPO. Die Beschwerde ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 569 ZPO eingelegt worden. Weiterhin übersteigt der Hauptsachestreitwert die Grenze von 600 EUR, §§ 91a Abs. 2 S. 2, 511 ZPO.
3
II.
4
Für die Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO gelten im Grundsatz die allgemeinen Kostentragungsregeln. Es ist also darauf abzustellen, wer die Kosten hätte tragen müssen, wenn die Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden wäre. Gemäß §§ 91, 92 ZPO ist mithin entscheidend, ob und in welchem Umfang die Klage bei Abgabe der Erledigungserklärungen Erfolg versprach (vgl. MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 91a Rn. 45 m.w.Nachw.). Das Beschwerdegericht überprüft die vom Ausgangsgericht nach § 91a Abs. 1 ZPO getroffene Entscheidung hierbei insgesamt und trifft eine eigene Ermessensentscheidung, ist also nicht darauf beschränkt, die angefochtene Entscheidung nur auf die fehlerfreie Ermessensausübung zu überprüfen (vgl. Musielak/Voit/Flockenhaus, 19. Aufl. 2022, ZPO § 91a Rn. 25a; Zöller/Althammer, Zivilprozessordnung, 34. Aufl., § 91a Rn. 28, a.A: BeckOK ZPO/Jaspersen, 45. Ed. 1.7.2022, ZPO § 91a Rn. 38, jeweils m.w.Nachw.).
5
Die Klage versprach hier von Anfang an keinen Erfolg, da der Mietaufhebungsvertrag vom 19.04.2021, der eine Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.01.2022 vorgesehen hat, einer vorzeitigen Kündigung durch die Klägerin entgegenstand. Da die Klägerin mit ihrer im November 2021 erhobenen Klage eine vorzeitige Räumung und Herausgabe des Wohnraums begehrt hat und der Beklagte die Herausgabepflicht zum 31.01.2022 seinerseits sofort anerkannt hat, konnte die (weitergehende) Klage der Klägerin keinen Erfolg haben, so dass die Klägerin die Kosten des durch Räumung und Herausgabe der Wohnung zum Ende Januar 2022 erledigten Rechtsstreits nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO allein zu tragen hat.
6
Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Mietaufhebungsvertrags gehört die Einigung über die Beendigung des Mietverhältnisses (vgl. Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, BGB § 542 Rn. 240). Eine solcher Vertrag muss regelmäßig auch eine Vereinbarung zum Zeitpunkt der Beendigung enthalten (vgl. BeckOK BGB/Wiederhold, 62. Ed. 1.5.2022, BGB § 542 Rn. 54). Die vertragliche Übereinkunft ist regelmäßig für beide Seiten bindend, so dass die Beendigung des Mietverhältnisses zu dem vereinbarten Zeitpunkt feststeht. Zwar trifft es zu, dass einem Mietaufhebungsvertrag damit in erster Linie eine Beendigungswirkung in Bezug auf das Mietverhältnis zukommt. Eine solche Vereinbarung steht aber zugleich regelmäßig einer vorzeitigen ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses entgegen, da andernfalls die mit dem Aufhebungsvertrag beabsichtigte Gewissheit über den Beendigungszeitpunkt in Frage gestellt wäre. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn zwischen den Parteien die Wirksamkeit einer vorherigen ordentlichen Kündigung im Streit stand, da dem Mietaufhebungsvertrag in diesem Fall zugleich der Charakter eines (außergerichtlichen) Vergleichs i.S. von § 779 BGB zukommt. Dies war hier der Fall, da die Klägerin das Mietverhältnis bereits mit Kündigung vom 04.11.2020 wegen Eigenbedarfs zu kündigen versucht hatte. Im Zuge des von dem Beklagten erhobenen Widerspruchs gegen diese Kündigung ist es sodann zu dem Abschluss des Mietaufhebungsvertrags vom 19.04.2021 gekommen.
7
Zudem spricht im vorliegenden Fall auch der Text des Mietaufhebungsvertrags vom 19.04.2021 für ein Verständnis der Vertragsparteien, wonach eine vorzeitige Beendigung des Mietvertrags grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte. In Ziff. 3 der Vereinbarung wurde der Fall einer vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses ausdrücklich geregelt ‒ allerdings nur für die Situation, dass der Beklagte als Mieter eine vorherige Beendigung wünschte. Damit haben die Parteien bei einer verständigen Auslegung der Vereinbarung gemäß §§ 133, 157 BGB zum Ausdruck gebracht, dass eine vorzeitige Beendigung des Mietverhältnis außerhalb dieser Bestimmung nicht möglich sein sollte. Da eine vorzeitige Beendigungsmöglichkeit durch die Klägerin nicht vereinbart wurde, war eine solche entsprechend vertraglich ausgeschlossen.
8
IV.
9
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
10
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Dies scheidet bei einer Entscheidung nach § 91a ZPO in Bezug auf materiell-rechtliche Gründe grundsätzlich aus (vgl. BGH NJW-RR 2009, 425).
Tenor:
beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 13.04.2022 (Az. 115 C 187/21) dahingehend abgeändert, dass die Kosten des Rechtsstreits allein die Klägerin zu tragen hat.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
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I.
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Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 13.04.2022 ist zulässig, §§ 91a Abs. 2, 567 ZPO. Die Beschwerde ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 569 ZPO eingelegt worden. Weiterhin übersteigt der Hauptsachestreitwert die Grenze von 600 EUR, §§ 91a Abs. 2 S. 2, 511 ZPO.
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II.
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Für die Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO gelten im Grundsatz die allgemeinen Kostentragungsregeln. Es ist also darauf abzustellen, wer die Kosten hätte tragen müssen, wenn die Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden wäre. Gemäß §§ 91, 92 ZPO ist mithin entscheidend, ob und in welchem Umfang die Klage bei Abgabe der Erledigungserklärungen Erfolg versprach (vgl. MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 91a Rn. 45 m.w.Nachw.). Das Beschwerdegericht überprüft die vom Ausgangsgericht nach § 91a Abs. 1 ZPO getroffene Entscheidung hierbei insgesamt und trifft eine eigene Ermessensentscheidung, ist also nicht darauf beschränkt, die angefochtene Entscheidung nur auf die fehlerfreie Ermessensausübung zu überprüfen (vgl. Musielak/Voit/Flockenhaus, 19. Aufl. 2022, ZPO § 91a Rn. 25a; Zöller/Althammer, Zivilprozessordnung, 34. Aufl., § 91a Rn. 28, a.A: BeckOK ZPO/Jaspersen, 45. Ed. 1.7.2022, ZPO § 91a Rn. 38, jeweils m.w.Nachw.).
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Die Klage versprach hier von Anfang an keinen Erfolg, da der Mietaufhebungsvertrag vom 19.04.2021, der eine Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.01.2022 vorgesehen hat, einer vorzeitigen Kündigung durch die Klägerin entgegenstand. Da die Klägerin mit ihrer im November 2021 erhobenen Klage eine vorzeitige Räumung und Herausgabe des Wohnraums begehrt hat und der Beklagte die Herausgabepflicht zum 31.01.2022 seinerseits sofort anerkannt hat, konnte die (weitergehende) Klage der Klägerin keinen Erfolg haben, so dass die Klägerin die Kosten des durch Räumung und Herausgabe der Wohnung zum Ende Januar 2022 erledigten Rechtsstreits nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO allein zu tragen hat.
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Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Mietaufhebungsvertrags gehört die Einigung über die Beendigung des Mietverhältnisses (vgl. Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, BGB § 542 Rn. 240). Eine solcher Vertrag muss regelmäßig auch eine Vereinbarung zum Zeitpunkt der Beendigung enthalten (vgl. BeckOK BGB/Wiederhold, 62. Ed. 1.5.2022, BGB § 542 Rn. 54). Die vertragliche Übereinkunft ist regelmäßig für beide Seiten bindend, so dass die Beendigung des Mietverhältnisses zu dem vereinbarten Zeitpunkt feststeht. Zwar trifft es zu, dass einem Mietaufhebungsvertrag damit in erster Linie eine Beendigungswirkung in Bezug auf das Mietverhältnis zukommt. Eine solche Vereinbarung steht aber zugleich regelmäßig einer vorzeitigen ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses entgegen, da andernfalls die mit dem Aufhebungsvertrag beabsichtigte Gewissheit über den Beendigungszeitpunkt in Frage gestellt wäre. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn zwischen den Parteien die Wirksamkeit einer vorherigen ordentlichen Kündigung im Streit stand, da dem Mietaufhebungsvertrag in diesem Fall zugleich der Charakter eines (außergerichtlichen) Vergleichs i.S. von § 779 BGB zukommt. Dies war hier der Fall, da die Klägerin das Mietverhältnis bereits mit Kündigung vom 04.11.2020 wegen Eigenbedarfs zu kündigen versucht hatte. Im Zuge des von dem Beklagten erhobenen Widerspruchs gegen diese Kündigung ist es sodann zu dem Abschluss des Mietaufhebungsvertrags vom 19.04.2021 gekommen.
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Zudem spricht im vorliegenden Fall auch der Text des Mietaufhebungsvertrags vom 19.04.2021 für ein Verständnis der Vertragsparteien, wonach eine vorzeitige Beendigung des Mietvertrags grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte. In Ziff. 3 der Vereinbarung wurde der Fall einer vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses ausdrücklich geregelt ‒ allerdings nur für die Situation, dass der Beklagte als Mieter eine vorherige Beendigung wünschte. Damit haben die Parteien bei einer verständigen Auslegung der Vereinbarung gemäß §§ 133, 157 BGB zum Ausdruck gebracht, dass eine vorzeitige Beendigung des Mietverhältnis außerhalb dieser Bestimmung nicht möglich sein sollte. Da eine vorzeitige Beendigungsmöglichkeit durch die Klägerin nicht vereinbart wurde, war eine solche entsprechend vertraglich ausgeschlossen.
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Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Dies scheidet bei einer Entscheidung nach § 91a ZPO in Bezug auf materiell-rechtliche Gründe grundsätzlich aus (vgl. BGH NJW-RR 2009, 425).
RechtsgebietMietaufhebungsvertrag