09.04.2024 · IWW-Abrufnummer 240773
Verwaltungsgericht Freiburg: Beschluss vom 07.08.2023 – 6 K 1728/23
Die Wohnungseigentümergemeinschaft wird gerichtlich und außergerichtlich - von einer (hier: nicht einschlägigen) Not-/Eilmaßnahme abgesehen - nur durch ihren Verwalter vertreten, nicht indessen durch den Verwaltungsbeirat, geschweige denn durch einzelne Mitglieder dieses Beirats (vgl. § 9b Abs. 1 Satz 1, § 18 Abs. 3, § 29 WEG). Eine Genehmigung des ohne Vertretungsmacht erfolgten Handelns einzelner Wohnungseigentümer - hier: Einwendungen im Verfahren nach § 55 LBO und Widerspruch gegen die spätere Baugenehmigung - kann nicht rückwirkend zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Einhaltung der für diese geltenden Präklusions- und Widerspruchsfrist führen. Die BGB-Regelungen über die Vertretung ohne Vertretungsmacht (§§ 177 ff. BGB) sind zwar grundsätzlich entsprechend anwendbar, können aber das sog. fristgebundene Vertretergeschäft nicht nachträglich wirksam werden lassen, wenn es um die Einhaltung von Fristen geht, die der Rechtssicherheit dienen. Zum für die Prüfung nachbarschützender Vorschriften maßgeblichen Gegenstand des Vorhabens i.S.v. § 29 Abs. 1 BauGB bei einer Baugenehmigung für die Erweiterung, den Umbau und die Sanierung
Tenor:
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des am 19.11.1993 in Kraft getretenen Bebauungsplans "Neuhausen I" der Antragsgegnerin, der für das Schulgrundstück eine Fläche für den Gemeinbedarf mit der Nutzungsart "Kinderheim" innerhalb eines Baufensters festsetzt. Auf den umgebenden Nachbargrundstücken, so auch auf demjenigen der Antragstellerin, sind jeweils allgemeine Wohngebiete festgesetzt.
Die Antragsgegnerin erteilte dem Beigeladenen unter dem 04.01.2023 die Baugenehmigung für den von diesem beantragten Umbau, die Sanierung und die Erweiterung des nördlichen Teils des Gebäudekomplexes. Im Zuge der Angrenzerbenachrichtigung hatten die beiden Wohnungseigentümer H. und S., die Mitglieder und Verwaltungsbeiräte der Antragstellerin sind, Einwendungen erhoben. Nach Zustellung der Baugenehmigung erhoben sie ferner Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
Am 14.06.2023 hat die Antragstellerin Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, mit dem sie sich gegen den Sofortvollzug der Baugenehmigung vom 04.01.2023 wendet.
II. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt erfolglos.
1.) Der Antrag ist bereits unzulässig. Er ist unstatthaft, da die Baugenehmigung vom 04.01.2023 gegenüber der Antragstellerin bestandskräftig geworden ist. Ferner fehlt ihr die Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO, denn eine Verletzung des Gemeinschaftseigentums scheidet offensichtlich und von vornherein aus, da sie mit ihren Einwendungen aufgrund materieller Präklusion gemäß § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO ausgeschlossen ist.
Die nunmehr im Prozess erklärte Genehmigung kann den Widerspruch der beiden Wohnungseigentümer H. und S. sowie deren Einwendungen im Zuge der Angrenzerbenachrichtigung nicht zugunsten der Antragstellerin wirksam werden lassen. Zwar enthalten die Schreiben vom 12.12.2022 (Einwendungen) und vom 01.02.2023 (Widerspruch) Rügen einer Verletzung des Gemeinschaftseigentums. Nach § 9a Abs. 2 WEG n.F. (in der Fassung seit 01.12.2020 - künftig: WEG) übt ausschließlich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.02.2021 - 3 S 2373/20 - juris Rn. 21; Hamburgisches OVG, Urteil vom 12.05.2021 - 1 Bf 492/19 - juris Rn. 47; VG München, Beschluss vom 31.08.2021 - M 9 SN 21.976 - juris Rn. 21). Gleichwohl sind die beiden Wohnungseigentümer im Verwaltungsverfahren nicht als Vertreter des Verwalters bzw. der WEG aufgetreten. Denn die genannten, jeweils gemeinsam verfassten (daher die Formulierung: "... reichen wir hiermit ...") Schreiben enthielten nur die Namen und Unterschriften der Herren H. und S. und gaben auch nur deren Wohnadressen an, die im Übrigen nicht mit der WEG-Adresse identisch sind. Zwar war der Zusatz "Eigentümer/Beirat WEG" enthalten. Ein deutliches Handeln im Auftrag des Verwalters und im Namen der Antragstellerin wurde daraus indessen nicht ersichtlich. Die Wohnungseigentümergemeinschaft wird gerichtlich und außergerichtlich - von einer hier nicht einschlägigen Not-/Eilmaßnahme abgesehen - nur durch ihren Verwalter vertreten, nicht indessen durch den Verwaltungsbeirat, geschweige denn durch einzelne Mitglieder dieses Beirats (vgl. § 9b Abs. 1 Satz 1, § 18 Abs. 3, § 29 WEG). Anders als von der Antragstellerin geltend gemacht, ist dem in der Akte des Baugenehmigungsverfahrens enthaltenen Einwendungsschreiben vom 12.12.2022 (vgl. VAS. 54) am Ende kein handschriftlicher Zusatz ("eingereicht von den Beiräten für die WEG ...") hinzugefügt. Nur das im Prozess vorgelegte und nicht unterschriebene, offensichtlich daher wohl eine ausschließlich interne Mehrfertigung für die eigenen Unterlagen darstellende Schreiben vom 12.12.2022 enthält diesen Zusatz.
Selbst wenn die beiden Wohnungseigentümer als Vertreter aufgetreten wären, hätten sie damals ohne Vertretungsmacht gehandelt. Eine Vollmacht gemäß § 14 LVwVfG für das Verwaltungsverfahren hatte der Verwalter nämlich nicht erteilt, vielmehr wurde erst jetzt im Prozess (vorsorglich) eine Genehmigung erklärt. Zwar hindert § 14 Abs. 1 LVwVfG nicht die entsprechende Anwendung der BGB-Regelungen über eine Vertretung ohne Vertretungsmacht (vgl. für den inhaltsgleichen § 14 VwVfG: Dombert, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG 2. Aufl. 2019, § 14 Rn. 30). Eine entsprechend § 177 Abs. 1, § 184 Abs. 1 BGB rückwirkende Genehmigung scheidet hier jedoch sowohl für den Widerspruch als auch für die Angrenzereinwendungen aus, da beide Verfahrenshandlungen bzw. Erklärungen fristgebunden gewesen sind (vgl. § 70 Abs. 1 VwGO und § 55 Abs. 2 Satz 1 LBO). Diese dem öffentlichen sowie dem Interesse des Bauherrn an Rechtssicherheit dienenden Fristen aber waren im Zeitpunkt der unter dem 19.07.2023 erfolgten Genehmigung bereits abgelaufen, so dass keine Rückwirkung mehr möglich war (vgl. - jeweils m.w.N. - für das "fristgebundene Vertretergeschäft": MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. 2021, BGB § 177 Rn. 54; BeckOGK/Ulrici, 01.08.2021, BGB § 177 Rn. 163). Anhaltspunkte oder Vortrag dazu, dass die für den jeweiligen Fristlauf maßgeblichen Formerfordernisse des § 55 Abs. 1 und Abs. 2 LBO (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.02.2019 - 3 S 2963/18 - juris Rn. 8) sowie des § 70 VwGO nicht eingehalten worden wären, gibt es nicht.
2.) Der danach unzulässige Antrag wäre darüber hinaus aber auch unbegründet. Bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO (i.V.m. § 80a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 VwGO) gebotenen Abwägung überwiegen das (besondere) öffentliche Interesse und das Interesse des Beigeladenen, von der kraft Gesetzes (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB) sofort vollziehbaren Baugenehmigung sofort Gebrauch machen zu dürfen, das private Interesse der Antragstellerin, von diesen Wirkungen vorläufig verschont zu bleiben. Die angefochtene Baugenehmigung verstößt bei der im summarischen Verfahren möglichen Erkenntnis aller Voraussicht nach nicht gegen nachbarschützende Vorschriften. Ausgehend von den ausschließlich zu prüfenden, weil im Rahmen der Nachbarbeteiligung unter Vermeidung einer materiellen Präklusion gemäß § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO von den beiden Wohnungseigentümern S. und H. geltend gemachten Einwendungen (zum Erfordernis der "Thematisierung", wonach das gefährdete Rechtsgut zu bezeichnen und zumindest grob die befürchteten Beeinträchtigungen darzulegen sind: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.03.2014 - 3 S 183/14 - juris Rn. 27; Beschluss vom 26.04.2002 - 5 S 629/02 - juris Rn. 7) ergibt sich dies aus Folgendem:
a.) Ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften liegt nicht vor. Unabhängig davon, dass § 55 Abs. 4 LBO bereits keinen Nachbarschutz vermitteln dürfte, ist gegen diese Vorschrift schon nicht verstoßen worden. Denn das Vorhaben betrifft zwar einen Sonderbau (vgl. § 38 Abs. 2 Nrn. 5 und 6 LBO), § 55 Abs. 4 LBO normiert indessen ausschließlich verfahrensrechtliche Anforderungen im Zuge der Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie, wenn es um die - vorliegend nicht einschlägige - Nachbarschaft zu sog. Störfallbetrieben geht.
b.) Eine Regelung betreffend den "nicht genehmigten Bolzplatz" enthält die Baugenehmigung vom 04.01.2023 nicht. Diese Nutzung ist vielmehr ausschließlich Gegenstand des bestandskräftigen Bescheids der Antragsgegnerin vom 01.09.2004, dessen Vollzug hier nicht Streitgegenstand ist.
c.) Nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts in Gestalt der Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans "Neuhausen I" werden schließlich sehr wahrscheinlich ebenfalls nicht durch die Baugenehmigung verletzt.
Genehmigt worden ist der Umbau, die Sanierung und die Erweiterung der S.schule. Bei der Erweiterung um einen westlichen, jeweils die Schulräume im EG, 1. und 2. OG mit einem sog. Differenzierungsraum versehenden und ein Fluchttreppenhaus enthaltenden Gebäudetrakt handelt es sich um eine Änderung i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB. Diese Erweiterung verändert den Bestand der vorhandenen baulichen Anlage im Maß der baulichen Nutzung (Flächenzuwachs) in bodenrechtlich beachtlicher Weise. Ihre isolierte Beurteilung ist nicht möglich, deshalb muss das Gesamtgebäude in seiner durch die Erweiterung geänderten Gestalt geprüft werden (BVerwG, Urteil vom 17.06.1993 - 4 C 17.91 - juris Rn. 16; Urteil vom 27.08.1998 - 4 C 5.98 - juris Rn. 19; Beschluss vom 15.09.2021 - 4 B 16.21 - juris Rn. 4). Allerdings erstreckt sich die eine Änderung gestattende Genehmigung nicht auf alle bebauungsrechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit des Gesamtvorhabens, sondern nur auf die Voraussetzungen, die durch sie berührt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.02.2000 - 4 B 106.99 - juris Rn. 2). Im Fall ist folglich nur das Maß der baulichen Nutzung betroffen. Denn der Bauantrag und die Genehmigung vom 04.01.2023 haben nichts an Art und Umfang der in den Jahren 1997 und 2001 genehmigten Nutzung des nördlichen Gebäudeteils für eine Sonderbeschulung von maximal bis zu 35 Kindern geändert.
Anders als die Erweiterung berührt der innerhalb des bestehenden nördlichen Gebäudetraktes stattfindende Umbau mit Sanierung der Schulräume (u.a. Neugliederung und -anordnung von 5 statt bislang 6 Klassenräumen, ferner Einrichtung eines weiteren Differenzierungsraumes im EG, 1. und 2. OG) nicht die Identität der Anlage und stellt folglich keine bauplanungsrechtlich relevante Änderung dar. Denn die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks wird nicht tangiert und diese Maßnahmen erreichen angesichts geschätzter Rohbaukosten von 234.000,-- EUR, die überdies zusammen mit dem westlichen Anbau anfallen, nicht den Aufwand für einen Neubau (vgl. zu diesen Gesichtspunkten BVerwG, Beschluss vom 19.04.1991 - 4 B 9.91 - juris Rn. 5; Beschluss vom 10.10.2005 - 4 B 60.05 - juris Rn. 4). Mangels Wechsels der Nutzungsart oder des Nutzungszwecks liegt darin schließlich auch keine Nutzungsänderung i.S.v. § 29 Abs. 1 BauGB. Eine lediglich gebäudeintern geänderte, aber gleichwohl wie bisher den Schulzwecken dienende Nutzungsverteilung bzw. -intensivierung einzelner Räume genügt hierfür nicht (vgl. für die Nutzungsintensivierung ohne Änderung der für die Bestimmung der Nutzungsart maßgebenden Merkmale: BVerwG, Urteil vom 29.10.1998 - 4 C 9.97 - juris Rn. 14).
Anhaltspunkte dafür, mit diesem vorgenannten bauplanungsrechtlich relevanten Regelungsgehalt der Baugenehmigung werde gegen nachbarschützende Vorschriften verstoßen, gibt es nicht:
Ein Verstoß gegen das Maß der Nutzung betreffende Vorschriften des Bebauungsplans "Neuhausen I" liegt sehr wahrscheinlich nicht vor. Das folgt daraus, dass die dort erfolgten Festsetzungen zur Zahl der Vollgeschosse sowie über Grund- und Geschossfläche nicht nachbarschützend sind. Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung sind nicht schon kraft Bundesrechts nachbarschützend, sondern dienen städtebaulichen Zwecken. Ob sie gleichwohl auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vom Willen der Gemeinde als Plangeber ab. Maßgeblich ist insoweit, ob die Festsetzungen nach der Konzeption des Plangebers in einem wechselseitigen, die Planbetroffenen zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbindenden Austauschverhältnis stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.08.2018 - 4 C 7.17 - juris Rn. 14; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.02.2019 - 5 S 2487/18 - juris Rn. 32). Eine hinreichende Deutlichkeit dahin, dass der Plangeber den Willen gehabt hätte, die Maßfestsetzungen um eine drittschützende Zielrichtung zu erweitern, ergibt sich weder aus dem Textteil noch aus der Begründung des Bebauungsplans oder aus sonstigen verlautbarten Absichtsbekundungen. Die Begründung zum Bebauungsplan führt ausschließlich städtebauliche Ziele der Gestaltung des Landschafts- und Ortsbildes an (vgl. Ziffer 1.4 und 2.3.1).
Die in der Antragsbegründung vorgebrachte Rüge einer Überschreitung der Baugrenze wäre der Antragstellerin aufgrund insoweit eingetretener Präklusion verwehrt, da dieser Belang im Einwendungsschreiben vom 12.12.2022 nicht benannt wurde. Gleichwohl weist die Kammer darauf hin, dass ein solcher Verstoß sehr wahrscheinlich auch nicht vorläge, da nach dem Vortrag der Antragstellerin nur die Einhaltung der westlichen, straßenseitigen Baugrenze kontrovers ist. Nicht indessen betroffen ist die nördliche, seitliche Baugrenze zum Grundstück der Antragstellerin, der aber allenfalls nachbarschützende Wirkung zukommen könnte. Demgegenüber vermitteln regelmäßig vordere straßenseitige Baugrenzen keinen Nachbarschutz. Nur dann, wenn dem Bebauungsplan im Einzelfall zu entnehmen ist, dass mit dieser Festsetzung - auch - ein nachbarschaftliches Austauschverhältnis begründet und nach dem Willen des Ortsgesetzgebers ein gegenseitiges Verhältnis der Rücksichtnahme geschaffen werden sollte, kann einer vorderen, straßenseitigen Baugrenze nachbarschützende Wirkung beizumessen sein (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2020 - 8 S 702/19 - juris Rn. 32; Beschluss vom 01.10.1999 - 5 S 2014/99 - juris Rn. 5). Für einen solchen Ausnahmefall ist vorliegend indessen ebenfalls nichts erkennbar.
Im Übrigen verletzt die angefochtene Baugenehmigung schließlich sehr wahrscheinlich auch nicht das Gebot der Rücksichtnahme, welches sich im überplanten Gebiet aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergibt (BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007 - 4 B 55.07 - juris Rn. 5):
Eine rücksichtslose, weil erdrückende Wirkung des nördlichen Gebäudekomplexes ist angesichts eines Abstands von etwa 20 m zum Gebäude der Antragstellerin zu verneinen. Nicht der mit Fenstern nur zur S.straße geplante Anbau mit drei Differenzierungsräumen (die jeweils dazu dienen, ein Kind aus der Klasse herauszunehmen, wenn es einen Gewaltausbruch bekommt oder anderweitig stört), sondern allein die im westlichen Teil der nördlichen Wand zusätzlich eingebauten Fenster ermöglichen zwar eine Blickrichtung auf das Grundstück der Antragstellerin. Eine im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB bodenrechtlich relevante bzw. wesentliche, weil mit erheblichen Beeinträchtigungen einhergehende Situationsänderung ist damit jedoch angesichts der schon bisher bestehenden, bestandskräftig genehmigten Schulnutzung in diesem Gebäudeteil nicht verbunden. Selbst wenn Fenster, Balkone oder Terrassen eines neuen Gebäudes den Blick auf ein Nachbargrundstück - sogar dessen Ruhebereich - ermöglichen, ist deren Ausrichtung nicht aus sich heraus rücksichtslos. In bebauten Gebieten entspricht es vielmehr dem Regelfall, dass Blicke auf Nachbargrundstücke geworfen werden können, indessen vom Nachbarn durch zumutbare eigene Maßnahmen des Sichtschutzes vermieden bzw. gemindert werden können (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.01.2017 - 8 S 1641/16 - juris Rn. 35; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.09.2018 - 10 B 1114/18 - juris Rn. 8).
Die schließlich ferner (bereits im Verfahrens nach § 55 LBO) aufgeführten Probleme eines wegen Fehlens ausreichender Stellplätze stark belastenden Verkehrs aufgrund Bringens und Holens der Kinder sowie An- und Abfahrt von Mitarbeitern werden durch die angefochtene Baugenehmigung mangels zusätzlich gestatteter Nutzung und sich dadurch verstärkendem Zu- und Abfahrtsverkehr nicht verstärkt. Im Übrigen würde selbst eine angespannte Situation wohl sehr wahrscheinlich auch nicht eine Rücksichtslosigkeit zulasten der Antragstellerin begründen können. Auf einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann sich der Nachbar nämlich nur dann berufen, wenn ein Stellplatzmangel geeignet ist, die bestimmungsgemäße Nutzung seines eigenen Grundstücks zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung liegt - jedenfalls solange der freie Zugang zum Grundstück möglich ist - allerdings nicht schon darin, dass die angrenzenden Straßen durch Fahrzeuge von Nutzern der baulichen Anlage zum Parken in Anspruch genommen werden und dem Nachbarn nur noch mit den daraus folgenden Einschränkungen zur Verfügung stehen. Das dem Nachbarn durch das Eigentum vermittelte Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung seines Grundstücks begründet kein Recht auf bevorzugte Nutzung des angrenzenden öffentlichen Straßenraums. Probleme, die sich aus der Verteilung knappen öffentlichen Straßenraums auf verschiedene Verkehrsteilnehmer ergeben, sind mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts zu regeln. Als rücksichtslos kann ein Verzicht auf die notwendigen Stellplätze ferner (nur) dann gerügt werden, wenn der durch ihn bewirkte parkende Verkehr und Parksuchverkehr den Nachbarn in der Wohnnutzung seines Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.10.2019 - 5 S 963/17 - juris Rn. 59). Hierfür ist vorliegend aber zu keiner Zeit etwas vorgetragen worden. Das auf den vorgelegten Lichtbildern ersichtliche Zuparken der Brandschutzzone betrifft nicht das Anwesen der Antragstellerin, sondern der S.schule.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und folglich kein Risiko einer Kostentragung (für den Fall seines Unterliegens, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.1.3, 1.5 und Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Den von den Bausenaten des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg bei Nachbarklagen gegen eine Baugenehmigung unabhängig von der Größe des Bauvorhabens grundsätzlich angesetzten Wert von 10.000,-- EUR hat die Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte reduziert, da sich die Antragstellerin wesentlich gegen die Nutzung des Gebäudes wendet (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.12.2019 - 5 S 2431/19 - juris Rn. 37).