09.04.2024 · IWW-Abrufnummer 240775
Amtsgericht Münster: Urteil vom 25.10.2023 – 38 C 1947/22
Gegen Ansprüche aus Nebenkostenabrechnungen besteht nach §§ 556 ABs. 3 S. 1, 242 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht, Solange der Vermieter dem Mieter die Einsicht in die der Rechnung zugrundeliegenden Belege im Sinne des § 259 Abs. 1 BGB gewährt hat.
Nach § 259 Abs. 1 BGB hat der Verpflichtete dem Anspruchsteller eine geordnete Zusammenstellung der Ausgaben und Einnahmen vorzulegen, welche die von ihm gelegte Rechnung stützt.
Der Vermieter hat sich um die Vorlage sämtlicher Belege zu bemühren, das umfasst auch Dokumente die er von Dritten anfragen muss.
Für die Einsicht bedarf es keines besonderen Interesses des Mieters, es genügt, dass dieser die Tätigkeiten des Vermieters überprüfen will.
Amtsgericht Münster
Tenor:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Nebenkosten.
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Die Beklagten mieteten ab dem 00.00.0000 bei der Klägerin eine Wohnung in der A.-straße, B.. Im Mietvertrag vereinbarten die Parteien, dass neben der Grundmiete die Heiz- und Betriebskosten im Voraus zu leisten sind. Die Gesamtmiete betrug zum 00.00.0000 512,84 €. Davon entfielen 362,64 € auf die Grundmiete und 119,00 € auf die Betriebskosten. Die Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2018 in Höhe von 156,57 €, 2019 in Höhe von 81,89 € und 2020 in Höhe von 72,66 € sind den Beklagten innerhalb der gesetzlichen Abrechnungsfrist zugegangen.
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Am 00.00.0000 forderten die Beklagten die Klägerin über den deutschen Mieterbund zur Gewährung von Einsicht in die Belege auf, die der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2018 zugrunde liegen. Die Beklagten nahmen den angebotenen Termin zur Belegeinsicht wahr. Die Klägerin forderte die Beklagten am 00.00.0000 zur Zahlung des Rechnungsbetrages auf.
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Am 00.00.0000 forderten die Beklagten über den Deutschen Mieterbund Belege zu der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2019 vom 00.00.0000 an. Das Auskunftsverlangen betraf die Positionen „Winterdienst, Gartenpflege, Hauswart und Müllabfuhr“. Darauf erfolgte von Seiten der Klägerin kein Terminangebot. Am 00.00.0000 forderte die Klägerin die Beklagten zur Zahlung der Nebenkostenrechnung für das Jahr 2019 auf.
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Auch bezüglich der Nebenkostenabrechnung für 2020 baten die Beklagten mit Schreiben vom 00.00.0000 über den Deutschen Mieterbund um Belegeinsicht. Am 00.00.0000 forderte die Klägerin die Beklagten zur Zahlung von Nebenkosten für das Jahr 2020 auf.
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Eine weitere Zahlungsaufforderung durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin erfolgte am 00.00.0000 mit Fristsetzung bis zum 00.00.0000.
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Die Klägerin legte zum Beleg der geleisteten Zahlungen einen SAP-Beleg vor. Für die übrigen Posten brachte sie Verträge und Rechnungen der Dienstleister bei.
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Die Klägerin behauptet, die Richtigkeit und Abrechenbarkeit der Nebenkosten.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 311,21 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 55,98 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten sind der Auffassung, dass ihnen hinsichtlich der Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2018, 2019 und 2020 ein Zurückbehaltungsrecht zustehe. Die Klägerin hätte ihnen Tätigkeitsnachweise und Zahlungsbelege für die abgerechneten Positionen vorlegen müssen. Zudem seien die Belge nicht in ausreichend geordneter Form vorgelegt worden. Daher seien die Kosten für die Posten Gartenpflege, Hauswart, Sperrmüll, Dichtigkeitsprüfung für 2018 und Winterdienst für 2019 und 2020 nicht ausreichend nachgewiesen. Sie bestreiten mit Nichtwissen, dass die abgerechneten Tätigkeiten tatsächlich ausgeführt wurden und die entsprechenden Zahlungen erfolgt sind.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
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Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von 311,21 € aus den Nebenkostenabrechnungen der Jahre 2018, 2019 und 2020 zu, da der Anspruch nicht fällig ist.
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In wie weit die, dem geltend gemachten Zahlungsanspruch zugrunde liegenden, Nebenkosten zutreffend abgerechnet sind, kann hier mangels Fälligkeit des Anspruchs dahinstehen. Jedenfalls steht fest, dass die Parteien die Verpflichtung zur Zahlung von Nebenkosten im Sinne des § 556 Abs. 1 S. 1 BGB in einem Mietvertrag vereinbarten.
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Den Beklagten steht gegen etwaige Ansprüche aus den Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2018, 2019 und 2020 im Sinne des § 556 Abs. 3 S. 1 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 242 BGB zu. Ein solches Leistungsverweigerungsrecht ergibt sich aus Treu und Glauben gegenüber dem Zahlungsverlangen des Vermieters aus der Betriebskostenabrechnung, solange der Vermieter dem Mieter eine Belegeinsicht im Sinne des § 259 Abs. 1 BGB nicht gewährt hat (BGH NZM 2021, 31 (32)). Die Klägerin gewährte den Beklagten keine umfassende Belegeinsicht, indem sie keine Zahlungsbelege über die streitigen Posten und die übrigen Belege nicht in einer geordneten Form vorlegte.
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In Streit steht hier entgegen der klägerischen Auffassung nicht, ob etwaige Aufwendungen aus der Nebenkostenabrechnung dem Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 556 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 BGB entsprechen. Die Beklagen bestreiten vielmehr, dass die Klägerin ihrer Pflicht aus § 259 Abs. 1 BGB zur Einräumung der Möglichkeit einer umfassenden Prüfung der Rechnungen nachgekommen ist.
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Nach § 259 Abs. 1 BGB hat der Verpflichtete dem Anspruchsteller eine geordnete Zusammenstellung der Ausgaben und Einnahmen vorzulegen, welche die von ihm gelegte Rechnung stützt. Belege für die Rechnungsposten sind vorzulegen, wenn solche üblicherweise erstellt werden. diese Pflicht trifft auch den Vermieter in Bezug auf die Nebenkostenabrechnung (BGH NZM 2021, 31 (32)). Die Abrechnungsunterlagen umfassen dabei neben den Rechnungen auch die Zahlungsbelege über die abgerechneten Betriebskosten. Soweit der Vermieter einen Zahlungsbeleg nicht vorzulegen vermag, kann sich daraus ein Anlass für Nachfragen oder Einwendungen des Mieters ergeben. Die Vorlage von Zahlungsbelegen ist in jedem Fall erforderlich, wenn der Vermieter nach dem Abflussprinzip abrechnet, indem er Zahlungen an Dritte auf die Mieter umlegt. In diesem Fall kommt es entscheidend darauf an, welche Kosten im Abrechnungszeitraum tatsächlich durch den Vermieter bezahlt wurden (BGH NZM 2021, 31 (32)). Nur so lässt sich für den Mieter die Richtigkeit des in Rechnung gestellten Betrags überprüfen. Sachliche Zweifel an der Rechnung genügen nicht, nur Mängel an den Formalanforderungen begründen eine Nichterfüllung des Anspruchs nach § 259 Abs. 1 BGB (BGH NJW 2021, 765 (768)). Fehlt es an Belegen, muss der Vermieter für jeden Beleg einzeln darlegen, warum er diese trotz Bemühungen nicht vorlegen kann (Krüger, in: Müko-BGB § 259 Rn. 23).
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Die Klägerin hat den Anspruch der Beklagen auf Vorlage der Rechnungsbelege nicht erfüllt. Für die streitigen Posten legte die Klägerin entgegen der Forderung der Beklagten keinerlei Zahlungsbelege vor. Auch ein SAP-Auszug genügt nicht, um Transaktionen nachzuweisen, da es sich dabei nur um eine firmeninterne Dokumentationssoftware handelt. Das vorgelegte Dokument muss vielmehr geeignet sein, den tatsächlichen Zahlungsabfluss auf dem Konto der Klägerin hinreichend zu dokumentieren.
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Es liegt auch kein Entschuldigungsgrund für die Nichtvorlage der Zahlungsbelege vor.
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Der Vermieter hat sich um die Vorlage sämtlicher Belege zu bemühen, das umfasst auch Dokumente die er von Dritten anfragen muss. Dem kann der Zumutbarkeitsgrundsatz entgegenstehen, wenn zum Beispiel der Mieter erst nach einem erheblichen Zeitraum nach dem Belegen fragt (Krüger, in: Müko-BGB § 259 Rn. 35). Ein solcher Zumutbarkeitseinwand scheidet im vorliegenden Fall jedoch aus, da die Beklagten unmittelbar nach der Übersendung der jeweiligen Abrechnung um Belegeinsicht baten. Es ist der Klägerin zumutbar, die Unterlagen zur Übersicht für die Mieter bereit zu halten und bei bedarf zusammen zu stellen. Auch die Zusammenstellung der Rechnungen und der entsprechenden Zahlungsbelege stellt für sich keinen unzumutbaren Aufwand dar, sondern ist Inhalt der gesetzlich vorgesehenen Pflicht. Insbesondere sollte die Zusammenstellung nach der Erstellung der Nebenkostenabrechnung keinen besonderen Aufwand bedeuten, da eine umfassende Sichtung der Belege Voraussetzung der Rechnungserstellung durch den Vermieter ist.
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Nach § 259 Abs. 1 BGB bedarf es zudem einer geordneten Zusammenstellung der Abrechnungsbelege (BGH NJW 1963, 950 (952)). Das umfasst eine zweckmäßige, übersichtliche Aufgliederung in Abrechnungsposten (BGH NJW 1982, 573 (574)). Das bei der Darstellung von Nebenkostenabrechnungen maßgebliche Verständnis eines juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieters (BGH NJW 1982, 573 (574)) ist auch für die Gestaltung der Belegübersicht entscheidend (BGH NJW 2008, 2260 (2261)). Anderenfalls kann der Mieter sein Prüfungsrecht nicht sinnvoll ausüben.
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Diesem Erfordernis hat die Klägerin mit der Beibringung von Abrechnungsbelegen nicht genüge getan. Die Belege können in der eingereichten Form durch einen durchschnittlichen Bürger nicht sinnvoll ausgewertet werden. Die zur Akte gereichten Belege sind weder thematisch noch chronologisch stringent sortiert. Es ist nur eine grobe Zuordnung zu den einzelnen Abrechnungsposten nachvollziehbar. Zur genauen Bestimmung der Zusammensetzung der einzelnen Posten müsste der Mieter die Belege hier selbstständig ordnen. Insbesondere bleibt es ihm selbst überlassen, Zusammenhänge in den Rechnungen fortlaufender Verträge zu erkennen. Weiter wird die im Schriftsatz selbst festgesetzte Nummerierung der Anlagen im Anhang nicht chronologisch eingehalten. Zudem werden Belge nachgereicht, deren thematischer Zusammenhang mit den Belegen der vorherigen Anhänge nicht eindeutig erkennbar ist. Es bedürfte einer Zusammenstellung, welche die einzelnen Rechnungsposten klar voneinander abgrenzt und eine thematische sowie chronologische Sortierung aufweist.
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Entgegen der klägerischen Auffassung, die Mieter müssten einen besonderen Grund für das Einsichtsverlangen geltend machen, ist die Forderung der Beklagten auf Belegeinsicht zulässig. Für die Einsicht bedarf es keines besonderen Interesses des Mieters, es genügt, dass dieser die Tätigkeiten des Vermieters überprüfen will. Insbesondere bedarf es keiner Vermutungen des Mieters hinsichtlich einer absichtlich falsch gelegten Rechnung, sondern es genügt, dass der Mieter die Nebenkostenabrechnung auf etwaige Versehen des Vermieters überprüfen möchte (BGH NZM 2021, 31 (32)).
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Ein Anspruch auf Zinsen besteht wegen der Unbegründetheit des Hauptanspruchs nicht.
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Mangels der Begründetheit des Hauptanspruchs liegt auch kein Verzug der Beklagten vor, der die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen begründete.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Zulassung der Berufung erfolgte gemäß § 511 Abs. 4 ZPO. Es ist zu erwarten, dass die Beurteilung der streitgegenständlichen Frage auch für andere Mietverhältnisse und andere Mietzeiträume Bedeutung erlangen wird.
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Der Streitwert wird auf 339,20 EUR festgesetzt.
RechtsgebietBetriebskostenabrechnungVorschriften§ 259 BGB