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  • 18.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242737

    Amtsgericht Bautzen: Urteil vom 29.05.2024 – 23 C 5/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Amtsgericht Bautzen

    23 C 5/23 WEG

    IM NAMEN DES VOLKES

    ENDURTEIL

    In dem Rechtsstreit
    K M.V., G. Straße, W.
    - Kläger -

    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte L., P.,, T. Straße, D, Gz.: 23/00451

    gegen

    Wohnungseigentümergemeinschaft D. Straße B., v.d.d. V.R.I. GmbH, W.G., B.
    - Beklagte -

    Prozessbevollmächtigte:
    D. & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, A.Straße, H., Gz.: 02-23/0517 na

    wegen Beschlussanfechtung

    hat das Amtsgericht Bautzen durch Richter am Amtsgericht B. am 29.05.2024

    für Recht erkannt:

    1. Der in der Eigentümerversammlung der WEG D.Straße , B. vom 13.09.2023  unter TOP 2 gefasste Beschluss

    Die Abrechnungsspitzen aus der Hausgeldabrechnung des Wirtschaftsjahres 2021 werden anerkannt. Sie sind fällig am 15.09.2023 und sind durch die Eigentümer auf das ihnen bekannte Hauskonto zu überweisen bzw. bei Lastschrifteinzugsverfahren zum vorgenannten Zeitpunkt abgebucht. Eine Rückzahlung positiver Abrechnungsspitzen erfolgt durch den Verwalter bis 15.09.2023. Die Differenz in Höhe von EUR 0,02 ist gegen die Erhaltungsrücklage auszubuchen.

    wird für ungültig erklärt

    2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen

    3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar
           
    Beschluss:

    Der Streitwert wird auf 48.657,08 EUR festgesetzt  , § 49 GKG  Bei Anfechtung eines Abrechnungsbeschlusses nach § 28 (2) WEG  insgesamt bemisst sich der Streitwert grundsätzlich nach dem Nennbetrag der Jahresabrechnung; das für die Berechnung der Grenzen des § 49 S.2 GKG massgebliche Individualinteresse des Klägers  entspricht seinem Nennbetrag der Abrechnung ( vgl. zuletzt BGH , Urteil vom 24.02.2023 , V ZR 152/22.)

    Gemessen hieran liegt das Gesamtinteresse der Wohnungseigentümer nach § 49 S. 1 GKG bei 52.820,91 € ( vgl.Anlage K2 / Hausgeldabrechnung Korrektur ) ; der Anteil des Klägers hieran ist ausgewiesen mit 6.487,61 € , das siebeneinhalbfache hierauf  = 48.657,08 € : der Streitwert ist mithin nach § 49 S.2 GKG auf diesen Betrag „gedeckelt“ .

    Tatbestand

    Die Parteien streiten um die Rechtmässigkeit eines in der Eigentümerversammlung vom 13.09.2023 gefassten Beschlusses.

    Der Kläger ist Sondereigentümer der Eigentumswohnung WE 10, gelegen im Dachgeschoss der GdWE D.Straße in B.   , die Beklagte ist die GdWE .

    In der Eigentümerversammlung vom 13.09.2023 wurde unter TOP 2 für das Wirtschaftsjahr 2021 mit 9 Ja - Stimmen , 2 Nein-Stimmen und einer Enthaltung  der folgende Beschluss gefasst :

    „TOP2 Abrechnungsspitzen 2021 Korrektur Mietplan

    Die Abrechnungsspitzen aus der Hausgeldabrechnung des Wirtschaftsjahres 2021 werden anerkannt. Sie sind fällig am 15.09.2023 und sind durch die Eigentümer auf das ihnen bekannte Hauskonto zu überweisen bzw. bei Lastschrifteinzugsverfahren zum vorgenannten Zeitpunkt abgebucht.

     Eine Rückzahlung positiver Abrechnungsspitzen erfolgt durch den Verwalter bis 15.09.2023. Die Differenz in Höhe von EUR 0,02 ist gegen die Erhaltungsrücklage auszubuchen.(Anlage K1 ).“

    In der Einzelabrechnung für den Zeitraum vom 01.01.2021 - 31.12.2021 wurden dem Kläger unter der Position „sonstige Kosten individuell WE“ 2.804,05 € eingestellt.( Anlage K2 ). Es handelt sich hierbei um Kosten, die im Zusammenhang mit Verstopfungen und  einer Kamerabefahrung von Abwasserleitungen angefallen waren.

    Die Abwasserleitungen verlaufen in den Fussböden der jeweiligen Wohnung bis zum zentralen Abwasserrohr. Im Jahr 2021 kam es im Bereich der Wohnung des Klägers wiederholt zu Verstopfungen.  Die Kosten der Ursachenermittlung und Beseitigung der Verstopfungen beliefen sich auf insgesamt 2.804,06 €.

    Der Kläger behauptet, dass ihm sog. „individuelle Kosten“ angelastet worden seien , die sowohl nach Gesetz wie auch der Teilungserklärung mit einem anderen Verteilungsschlüssel , nämlich nach Miteigentumsanteilen ( MEA ) auf alle Eigentümer hätten verteilt und nicht dem Kläger direkt hätten zugewiesen werden dürfen , vgl. §§ 16(2) WEG , 15 Ziff. 1 der Teilungserklärung . Die Abwasserleitungsstränge stünden nach § 5 WEG im Gemeinschaftseigentum  ,  eine konstitutive Zuordnung von wesentlichen Gebäudebestandteilen zum Sondereigentum durch die Teilungserklärung ( dort § 3 Ziff.2d - Anlage K3 -) könne  nicht erfolgen  , vgl.BGH , V ZR 57/12 , Rz 11: Nach dieser Entscheidung gehören zu dem zu Gemeinschaftseigentum stehenden Versorgungsnetz  die Leitungsteile , die bis zur ersten Handhabung durch den Sondereigentümer  vorgesehenen Absperrmöglichkeit verlegt wurden  ,d ,h, nicht sondereigentumsfähig sind . Die für Zuleitungen entschiedene Frage gelte - hier spiegelbildlich -. für Abwasserleitungen. Bei der Beseitigung von Verstopfungen von Rohrleitungen, die nach der letzten Zugriffsmöglichkeit des Sondereigentümers liegen , handle es sich um Verstopfungen in Leitungen des gemeinschaftlichen Eigentums  , zu deren Beseitigung die WEG  als Erhaltungsmassnahme nach § 19 WEG verpflichtet ist : Hierfür gelte der Kostenverteilungsschlüssel nach § 16 (2) WEG , eine Zuweisung an einen einzelnen Wohnungseigentümer als „individuelle Kosten“ sei nicht statthaft.

    Die WEG fehle die Beschlusskompetenz bzgl. der Schaffung von Leistungspflichten eines Wohnungseigentümers mit konstituierender Wirkung. Nach § 19 WEG gehöre zur ordnungsgemässen Verwaltung gemeinschaftliches Eigentum zu erhalten : Für Arbeiten und Leistungen im Sondereigentum hätte die GdWE überhaupt keine Handlungskompetenz gehabt , das „Unterjubeln“ solcher Kosten im Rahmen einer Jahresabrechnung / Beschlussfassung nach § 28 (2) WEG sei unzulässig .

    Der Gesamtbeschluss habe angefochten werden müssen, da der Fehler alle Abrechnungen betreffe und die Endsummen in allen Abrechnungen falsch seien.

    Der Kläger beantragt daher,

    Der in der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft WEG D.Straße, B. vom 13.09.2023 gefasste Beschluss unter TOP 2, der da lautet:

    Die Abrechnungsspitzen aus der Hausgeldabrechnung des Wirtschaftsjahres 2021 werden anerkannt. Sie sind fällig am 15.09.2023 und sind durch die Eigentümer auf das ihnen bekannte Hauskonto zu überweisen bzw. bei Lastschrifteinzugsverfahren zum vorgenannten Zeitpunkt abgebucht. Eine Rückzahlung positiver Abrechnungsspitzen erfolgt durch den Verwalter bis 15.09.2023. Die Differenz in Höhe von EUR 0,02 ist gegen die Erhaltungsrücklage auszubuchen.wird für ungültig erklärt, hilfsweise die Nichtigkeit des Beschlusses festgestellt.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen

    Diese sei in jedem Fall zu weitgehend erhoben: Es hätte ausgereicht , den gefassten Beschluss nur insoweit für ungültig erklären zu lassen , als die Kostenposition für die Beseitigung der Verstopfungen in Höhe von 2804,05 € allein der Wohnung des Klägers und nicht allen Wohnungseigentümern nach dem Verteilungsschlüssel der Gemeinschaftsordnung zugewiesen worden ist .

    Die zitierte Rechtsprechung des BGH zu Wasserleitungen sei nicht auf Abwasserrohre übertragbar: Die Abgrenzung erfolge am Wasserhahn,  Abwasserleitungen stehen nicht ständig unter Druck und haben keine Absperrventile , auf die der Nutzer Zugriff hat ,weshalb auch von der Wohnung des Klägers aus Zugriff auf die Verstopfungsstelle innerhalb des Abwasserrohrs bestanden und die Verstopfung von dort aus beseitigt worden ist . Die im Bereich seines Fussbodens verlaufende Abwasserleitung diene - entgegen der Auffassung des Klägervertreters - ausschliesslich der Ableitung des in der klägerischen Wohnung anfallenden Abwassers in das Hauptabwasserrohr der Gemeinschaft. Es entspreche deshalb ordnungsgemässer Verwaltung, wenn diejenigen Kosten , die einem einzelnen Wohnungseigentümer und dessen Sondereigentum zugeordnet werden können ,diesem auch im Rahmen der Jahresabrechnung zugewiesen werden . Selbst wenn sämtliche Abwasserleitungen zum Gemeinschaftseigentum gehören würden, wären diese Kosten auf den Kläger umlagefähig , da seiner Sondereigentumseinheit konkret zuordenbar .  

    Der Kläger repliziert hierauf: Die Anfechtung des Gesamtbeschlusses entspreche der Gesetzes- und Rechtslage  : Der Fehler betreffe alle Abrechnungen , da die Endsummen in allen Abrechnungen falsch seien. Abwasserleitungen sind nach der letzten für den Eigentümer handhabbaren Abstellmöglichkeit Gemeinschaftseigentum. Eine Kamerabefahrung im Jahr 2021 habe zudem ergeben , dass die 9 Meter lange , gusseiserne Abwasserleitung lediglich auf einer Länge  von ca.  0,6-0,8 m durch das Sondereigentum verläuft, i.ü. durch Gemeinschaftseigentum .

    Zum Sach- und Streitstand wird im übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlage verwiesen und Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

    I.

    1.Der Kläger hat seine Klage innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 45 WEG erhoben und begründet: Die Beschlussfassung datiert vom 13.09.2023 ; die Klage wurde  am 12.10.2023 erhoben und am 13.11.2023 begründet .

    2. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten war der gesamte Beschluss wegen fehlerhafter Zuweisung der strittigen Einzelposition an den Kläger anstelle der Verteilung nach Miteigentumsanteilen ( MEA ) nach §§ 16 (2) WEG , 15 Ziff. 1 der Teilungserklärung   vollständig für ungültig zu erklären.

    Nach der Rechtslage ab dem 01.12.2020 beschliessen die Wohnungseigentümer gemäss § 28 (2) WEG nicht mehr über die Jahresabrechnung als Rechenwerk und die einzelnen Bestandteile, sondern auf Grundlage der Verwalterabrechnung nur noch über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung  der beschlossenen Vorschüsse. Dementsprechend können Fehler in der Jahresabrechnung eine Anfechtung des Beschlussses nach § 28(2) WEG nur dann begründen, wenn sie sich auf die Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer auswirken ( BeckOK WEG , zu § 28 WEG Rz 119 ff.Dötzsch/Schultzky/Zschieschack WEG-Recht 2021 Kap. 10 / Rz 101; LG München, Urteil vom 13.07.2022 , 1 S 2338/22 WEG ). Davon ist vorliegend auszugehen, da die Abrechnung der Position „individuelle Zuweisung“  nach einem fehlerhaften Verteilungsschlüssel umgelegt worden ist. Bei Umlegung nach MEA hätte sich für den Kläger ein deutlich niedrigerer Nachschuss ergeben . Die fehlerhafte Verteilung dieser Kostenposition führt zwingend zu einem falschen Rechenergebnis auch in allen aus der Jahresabrechnung abgeleiteten Einzelabrechnungen und hat zur Folge, dass der Beschluss über die Genehmigung der Nachschüsse / Anpassung der Vorschüsse insgesamt für ungültig zu erklären ist . Wenn ein Wohnungseigentümer einen Nachschuss-Beschluss angreift mit dem Ziel, in die Zahlungsflüsse einzugreifen , muss er daher immer sämtliche Nachschüsse angreifen , d.h. den Beschluss in Bezug auf alle Wohnungseigentümer. ( vgl. BeckOK zum WEG, aaO., Rz 132;Dötzsch/Schultzky/Zschieschack WEG-Recht 2021 Kap. 10 / Rz 101 u.a. ).  

    3. Die streitgegenständliche Abwasserleitung steht im Gemeinschaftseigentum. Hierfür gilt der  Verteilungsschlüssel nach § 16 (2) WEG , 15 Ziff.1 der Teilungserklärung , d.h. Verteilung nach Miteigentumsanteilen ( MEA ) ,eine Zuweisung an einen einzelnen Eigentümer als „individuelle Kosten“ ist mithin  nicht statthaft : Nach der Rechtsprechung des BGH ( Urteil vom 26.10.2012 , V ZR 57/12 ) sind Versorgungsleitungen , soweit sie sich im räumlichen Bereich des Gemeinschaftseigentums befinden , rechtlich als einheitliche  Anlage iSd. § 5 (2) WEG anzusehen; zu dem im Gemeinschaftseigentum stehenden Versorgungsnetz gehören danach  die Leitungen nicht nur bis zum Eintritt in den räumlichen Bereich des Sondereigentums , sondern jedenfalls bis zur ersten für die Handhabung durch den Sondereigentümer vorgesehenen Absperrmöglichkeit.

    Nichts anderes gilt - wie hier - für Entsorgungs-/Abwasserleitungen. Nach § 5 (2) WEG sind Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind , sowie Anlagen und Einrichtungen , die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen , nicht Gegenstand des Sondereigentums , selbst wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume befinden. Mag sein, dass es  nicht für jede Abwasserleitung   eine im Bereich des Sondereigentums gelegene Absperrmöglichkeit ( z.B. Toilette ) gibt .  Die wesentlichen Aspekte - einheitliches Leitungsnetz, natürliche Betrachtungsweise , Notwendigkeit einer gemeinsamen Verfügungsbefugnis - gelten indessen in  gleicher Weise ( BeckOK WEG , zu § 5 WEG , Rz 44 ).  Davon geht i.ü. auch  § 4 Nr.1 der Teilungserklärung aus  ( Anlage K3 )

    Anzumerken bleibt, dass der Klägervortrag im Schriftsatz vom 07.02.2024 unbestritten geblieben ist  : Danach  wurde im Oktober des Jahres 2021 eine Kamerabefahrung durchgeführt  und  das Video der (Vor)verwaltung zugeleitet ; aus diesem ergebe sich , dass die 9 m lange gusseiserne Abwasserleitung lediglich auf einer Länge von 0,6 - 0,8 m durch das Sondereigentum des Klägers verläuft .

    4. Das Abwasserrohr wurde auch nicht durch § 3 Nr.2d der Teilungserklärung zu Sondereigentum gemacht . Denn durch eine Teilungserklärung kann Sondereigentum an wesentlichen Bestandteilen des Gebäudes i.S.d. §§ 93,94 BGB,  zu denen die innerhalb eines Gebäudes verlegten Leitungen zählen , nicht begründet werden .

    II.

    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 , 709  ZPO.

    Rechtsbehelfsbelehrung:

    xxx

    RechtsgebietWohnungseigentumVorschriften§ 5 WEG