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  • 22.01.2014 · IWW-Abrufnummer 140185

    Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 08.11.2013 – 5 U 1101/13

    Bei einem Mietvertrag auf bestimmte Zeit mit Verlängerungsklausel ist die Willenserklärung, mit welcher die Vertragspartner die - bei Untätigkeit automatisch eintretende - Vertragsverlängerung verhindern können, nicht als Kündigung im technischen Sinne anzusehen, auch wenn sie im Vertrag als solche - und nicht als "Widerspruch" - bezeichnet wird. Auf diese Willenserklärung ist die Regelung in § 193 BGB anzuwenden (Anschluss an BGH NJW 1975, 40). Die Rechtsprechung des BGH (NJW 2005, 1354), wonach § 193 BGB grundsätzlich nicht auf Kündigungsfristen anwendbar ist, findet in diesem Fall keine Anwendung.


    Oberlandesgericht Dresden

    Beschl. v. 08.11.2013

    Az.: 5 U 1101/13

    In dem Rechtsstreit

    xxx

    - Klägerin und Berufungsklägerin -

    Prozessbevollmächtigte:

    xxx

    gegen

    xxx

    - Beklagter und Berufungsbeklagter -

    Prozessbevollmächtigte:

    xxx

    wegen Mietforderung

    hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

    Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Haller,

    Richter am Oberlandesgericht Alberts und

    Richter am Oberlandesgericht Meyer

    ohne mündliche Verhandlung am 08.11.2013

    beschlossen:
    Tenor:

    Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Teil-Endurteil des Landgerichts Chemnitz, 1. Zivilkammer, vom 05.06.2013 (1 O 575/10) durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

    Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Sie sollte zur Vermeidung weiterer Kosten die Möglichkeit einer Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

    Der Verhandlungstermin am 19.11.2013 wird aufgehoben.
    Gründe

    I.

    Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einem inzwischen beendeten Mietverhältnis über Gewerberäume auf dem Grundstück xxx auf Zahlung rückständiger Miete für das Jahr 2010 und auf Betriebskosten-Nachzahlung für das Jahr 2010 in Anspruch.

    Die Parteien schlossen am 21./29.12.2002 einen Mietvertrag (Anlage K 1; Original Anlage K 16) über das streitgegenständliche Mietobjekt. Unter § 6 (Mietzeit, Kündigung) enthält der Vertrag in Ziffer 1. folgende Regelung: "Das Mietverhältnis beginnt am 1. Februar 2003 und endet frühestens am 31. Dezember 2004. Es verlängert sich um jeweils ein Jahr, wenn es nicht mit einer Frist von 7 Monaten auf den 31. Dezember eines Jahres, erstmals jedoch bis zum 31. Mai 2004 auf 31. Dezember 2004, gekündigt wird." Mit undatiertem Schreiben (Anlage K 5 = Anlage B 2), welches er als Einschreiben mit Rückschein am 28.05.2009 zur Post gab (Beleg vom 28.05.2009, Anlage B 3), erklärte der Beklagte die Kündigung des Mietvertrages zum 31.12.2009. Das Schreiben wurde der Klägerin am 02.06.2009, dem Dienstag nach Pfingsten, übergeben (Rückschein vom 02.06.2009, Anlage B 6). Mit Schreiben vom 31.03.2010 (Anlage B 7), welches der Klägerin am 07.04.2010 zuging, erklärte der Beklagte hilfsweise die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. Die Rückgabe des Mietobjektes an die Klägerin erfolgte spätestens am 28.06.2010. Am 07.11.2011 erstellte die Klägerin die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2010 (Anlage K 27), nach welcher der Beklagte Nachzahlungen in Höhe von 4.593,51 € zu zahlen hat.

    Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte habe durch die am 02.06.2009 zugegangene Kündigung das Mietverhältnis nicht zum 31.12.2009 beenden können. Die Vorschrift des § 193 BGB sei für den Lauf von Kündigungsfristen nicht anwendbar. Der Beklagte schulde deshalb die Miete für das gesamte Jahr 2010. Im Übrigen hat sie die Rückzahlung des Nachforderungsbetrages aus der Nebenkosten-Abrechnung vom 07.11.2011 begehrt.

    Der Beklagte behauptet, er habe schon mit Schreiben vom 07.05.2009 (Anlage B 1) gekündigt, dessen Zugang er allerdings nicht beweisen könne. Eine nochmalige Kündigung vom 30.05.2009 (Anlage B 4) sei durch einen Boten am 31.05.2009 in den Briefkasten der Klägerin in xxx eingeworfen worden. Die Rückgabe der Schlüssel für das Mietobjekt sei schon am 16.04.2010 erfolgt. Die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2010 sei nicht prüfbar und inhaltlich unrichtig.

    Wegen des Sachverhaltes im Übrigen und der in I. Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.

    In der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 15.05.2013 war der Beklagte säumig. Das Landgericht verkündete am 05.06.2013 ein Teil-Versäumnis- und Teil-Endurteil.

    Im Wege des Teil-Versäumnisurteils verurteilte es den Beklagten zur Zahlung von 23.537,09 € an die Klägerin, was der Miete für den Zeitraum 01.01. bis 28.06.2010 und dem offenen Restbetrag aus der Heizkostenabrechnung 2008 in Höhe von 332,09 € entspricht. In Bezug auf die restliche Miete für das Jahr 2010 sowie in Bezug auf die Betriebskostennachzahlung aus der Abrechnung für das Jahr 2010 wies das Landgericht die Klage mit dem Teil-Endurteil, also im Wege eines unechten Versäumnisurteiles, ab. Zur Begründung dieser Abweisung führte das Landgericht im Wesentlichen aus, der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag sei ein Mietverhältnis auf bestimmte Zeit mit Verlängerungsklausel, so dass die in § 6 Ziff. 1 des Mietvertrages angesprochene Kündigung keine Kündigung im technischen Sinne, sondern nur die Ablehnung eines befristeten Vertragsangebotes sei, auf welche die Vorschrift des § 193 BGB anzuwenden sei. Die am 02.06.2009 der Klägerin zugegangene Kündigung habe deshalb das Mietverhältnis zum 31.12.2009 beenden können.

    Nach Rückgabe des Mietobjektes an die Klägerin könne diese demzufolge weder die Zahlung von Miete noch die Zahlung von Nutzungsentschädigung verlangen. Den Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten könne die Klägerin nicht auf die Abrechnung vom 07.11.2011 stützen, weil diese wegen des fehlerhaften Nutzungszeitraumes vom 01.01. bis zum 31.12.2010 formell nicht ordnungsgemäß sei.

    Gegen das ihr am 10.06.2013 zugestellte Teil-Endurteil hat die Klägerin am 08.07.2013 Berufung eingelegt und diese - nach entsprechender Fristverlängerung - am 15.08.2013 begründet.

    Die Klägerin trägt vor, das angefochtene Teil-Endurteil beruhe auf einer fehlerhaften Rechtsansicht des Landgerichtes. Die Parteien hätten im Jahre 2002 ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, welches durch Kündigung habe beendet werden können.

    Auf eine solche Kündigung sei die Regelung in § 193 BGB nicht anwendbar. Das undatierte Schreiben des Beklagten habe die Kündigungsfrist, welche am 31.05.2009 abgelaufen sei, nicht wahren können und deshalb nicht zu einer Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2009 geführt. Die Klägerin könne vom Beklagten deshalb noch die Miete für den Zeitraum 01.07. bis 31.12.2010 in Höhe von 23.250,00 € und die Nebenkosten-Nachzahlung für das Jahr 2010 i.H.v. 4.593,51 € verlangen, mithin einen Gesamtbetrag von 27.843,51 €.

    Die Klägerin beantragt,

    das Teil-Endurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 05.06.2013 (1 O 575/10) zu ändern und Ziffer 3 des Teil-Endurteils wie folgt neu zu fassen:

    Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 27.843,00 € zuzüglich ausgerechneter jährlicher Zinsen von 1.323,00 € bis 05.01.2011 und jährlicher Zinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 27.843,00 € seit dem 06.01.2011 zu zahlen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Er verteidigt die Auffassung des Landgerichtes, wonach der Beklagte das Mietverhältnis mit der am 02.06.2009 der Klägerin zugegangenen Willenserklärung mit Wirkung zum 31.12.2009 beenden konnte.

    II.

    Der Berufung fehlt zur einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich die Erfolgsaussicht und es sind auch die weiteren Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO erfüllt, so dass der Senat beabsichtigt, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen. Wegen der beabsichtigten Entscheidung im Beschlusswege wird der Verhandlungstermin aufgehoben.

    Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Miete für den Zeitraum vom 01.07. bis zum 31.12.2010 nicht vom Beklagten verlangen kann, weil das zwischen den Parteien ursprünglich bestehende Mietverhältnis aufgrund des am 02.06.2009 der Klägerin zugegangenen Schreibens des Beklagten zum 31.12.2009 endete (dazu 1.). Die Klägerin kann auch auf der Grundlage der Betriebskostenabrechnung vom 07.11.2011 keine Nachzahlungen vom Beklagten verlangen (dazu 2.).

    1. Mit dem Mietvertrag vom 21./29.12.2002 haben die Parteien ein Mietverhältnis auf bestimmte Zeit (Zeitmietvertrag) mit Verlängerungsklausel begründet. Das Mietverhältnis läuft nach der Regelung in § 6 Ziff. 1 des Mietvertrages jeweils bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, dem 31. Dezember des Jahres 2004 bzw. der Folgejahre, und verlängert sich dann um ein Jahr, wenn es nicht bis zum 31. Mai desselben Jahres gekündigt wird. Mit dem Begriff der "Kündigung" wird danach - abweichend von dem gewöhnlichen Verständnis - nicht die Beendigung eines unbefristet laufenden Dauerschuldverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft bezeichnet, sondern eine Erklärung, welche die Verlängerung des bis zu einem bestimmten Zeitpunkt laufenden Vertrages verhindert. Der BGH hat dies für eine vergleichbare Regelung in einem Pachtvertrag in seinem Urteil vom 16.10.1974 (VIII ZR 74/73, NJW 1975, 40) klargestellt. Danach enthält die vertragliche Regelung bereits das wechselseitige Angebot der Vertragsparteien, das Mietverhältnis um ein Jahr zu verlängern, welches durch Schweigen der Vertragspartner angenommen wird.

    Gleichzeitig wird den Vertragspartnern die Möglichkeit eröffnet, mit einer Erklärung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt die Vertragsverlängerung i.S.v. § 542 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu verhindern. Auf eine solche Erklärung aber ist die Regelung in § 193 BGB anzuwenden (so BGH, Urt. v. 16.10.1974, aaO.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.07.1993, 10 U 253/92, ZMR 1993, 521). Wendet man aber die Regelung des § 193 BGB im folgenden Falle an, dann ging die "Kündigung" des Beklagten am 02.06.2009 rechtzeitig zu, denn der 31.05.2009 war ein Sonntag und der 01.06.2009 ein gesetzlicher Feiertag, der Pfingstmontag. Nach Rückgabe des Mietobjektes durch den Beklagten spätestens am 28.06.2010 hat die Klägerin demnach weder einen Anspruch auf Zahlung von Miete aus dem Mietvertrag gemäß § 535 Abs. 2 BGB noch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung aus § 546a Abs. 1 BGB.

    Die von der Klägerin in der Berufungsbegründung zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes stehen der dargelegten Rechtsauffassung des Senates, die auf dem Urteil des BGH vom 16.10.1974 (aaO.) beruht, nicht entgegen. Das Urteil des BGH vom 25.01.1991 (V ZR 116/90, NJW 1991, 1348) befasste sich mit einer Regelung zur Laufzeit in einem Pachtvertrag über einen Kleingarten, welche der vorliegend zu beurteilenden Regelung ähnelt. Der Vertrag sollte bis zum Ende eines Jahres laufen und sich stillschweigend um ein Jahr verlängern, wenn er nicht vor dem 1. Oktober diesen Jahres zum 31. Dezember desselben Jahres gekündigt würde. In Übereinstimmung mit dem Urteil des BGH vom 16.12.1974 (aaO.) qualifizierte der BGH auch im Urteil vom 25.01.1991 (aaO.) den Pachtvertrag als befristeten Vertrag mit Verlängerungsklausel. In der Entscheidung befasst er sich allerdings nur mit der Frage, ob die Regelung in § 16 Abs. 3, Abs. 4 Bundeskleingartengesetz anwendbar ist. Die von der Klägerin problematisierte Frage, ob die die Beendigung herbeiführende Erklärung als Kündigung oder als Ablehnung der Verlängerung des Pachtverhältnisses anzusehen sei, ließ der BGH ausdrücklich offen, weil es darauf bei seiner Entscheidung nicht ankam. Auch das Urteil des BGH vom 29.04.2002 (II ZR 330/00, NJW 2002, 2170) bestätigt die Rechtsauffassung des Senates und des Landgerichtes. In dieser Entscheidung ging es um einen Mietvertrag, in welchem geregelt war, dass das Mietverhältnis am 31.03.1996 enden sollte und sich jeweils um ein Jahr verlängern würde, wenn eine der Parteien nicht spätestens 6 Monate vor Ablauf der Mietzeit der Verlängerung widerspreche. In Übereinstimmung mit den vorgenannten Entscheidungen qualifizierte der BGH auch im Urteil vom 29.04.2002 (aaO.) den Mietvertrag mit der vorgenannten Regelung als Mietvertrag auf bestimmte Zeit mit Verlängerungsklausel. Mit der Frage, ob die Regelung des § 193 BGB Anwendung findet, beschäftigte sich der BGH dagegen nicht, weil es darauf in seinem Fall nicht ankam. Vielmehr führte der BGH nur aus, dass die Verlängerung des Mietvertrages nicht zu einem neuen Mietverhältnis führt, sondern das bestehende Mietverhältnis fortsetzt. Auch die Urteile des BGH vom 20.06.2007 (VIII ZR 257/06, NJW 2007, 2760) und vom 23.06.2010 (VIII ZR 230/09, NJW 2010, 3431) stehen der Rechtsauffassung des Senats nicht entgegen. In ihnen geht es jeweils um Wohnraummietverträge, in welchen die Parteien vor der Mietrechtsreform auf der Grundlage von § 565a Abs. 1 BGB a.F. einen befristeten Mietvertrag mit Verlängerungsklausel vereinbart haben. Der BGH prüft und bejaht lediglich die Frage, ob die seinerzeit vereinbarten Beendigungsfristen auch nach der Rechtsänderung durch die Mietrechtsreform Bestand haben und ob die alte Regelung nach der Rechtsänderung durch die Mietrechtsreform im Rahmen eines Formularmietvertrages der Inhaltskontrolle standhält. Mit der im vorliegenden Falle entscheidenden Frage, ob die Regelung des § 193 BGB anwendbar ist, beschäftigt er sich dagegen nicht. Dies gilt schließlich auch für das Urteil des BGH vom 14.06.2006 (VIII ZR 257/04, NJW 2006, 2696). Auch in diesem Fall ging es um die Frage, inwieweit die Regelungen eines Altvertrages nach der Mietrechtsreform weiter gelten konnten.

    Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung kommt es für die Anwendbarkeit des § 193 BGB nicht darauf an, ob die Parteien die in § 6 Ziff. 1 des Mietvertrages geregelte Erklärung als "Kündigung" oder als "Widerspruch" bezeichnet haben. Entscheidend ist vielmehr die Wirkungsweise dieser Erklärung aufgrund der vertraglichen Regelung. Danach handelt es sich gerade nicht um eine Kündigung im technischen Sinne, wie der BGH im Urteil vom 16.10.1974 (aaO.) ausgeführt und begründet hat.

    2. Der Senat teilt auch die Auffassung des Landgerichtes, dass die Nebenkosten-Abrechnung vom 07.11.2011 bereits an einem formellen Fehler leidet, weil sie einen Abrechnungszeitraum zugrunde legt, der für den Beklagten nicht maßgeblich ist. Die Umlage von Nebenkosten auf den Beklagten kam nur bis zur Rückgabe des Mietobjektes an die Klägerin in Betracht, also allenfalls bis zum 28.06.2010. In der Betriebskostenabrechnung wird der Abrechnungszeitraum aber auf die Zeit vom 01.01. bis zum 31.12.2010 datiert. Auf die formell unwirksame Betriebskosten-Abrechnung kann die Klägerin keinen Zahlungsanspruch stützen.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 535 Abs. 1 BGB; § 546 BGB; § 193 BGB