25.02.2014 · IWW-Abrufnummer 140605
Bundesgerichtshof: Urteil vom 22.01.2014 – XII ZR 68/10
Eine sogenannte mietvertragliche Schriftformheilungsklausel hindert den Grundstückserwerber für sich genommen nicht, einen Mietvertrag, in den er nach § 566 Abs. 1 BGB eingetreten ist, unter Berufung auf einen Schriftformmangel zu kündigen, ohne zuvor von dem Mieter eine Heilung des Mangels verlangt zu haben.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 30. April 2010 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Räumung und Herausgabe von Mieträumen in Anspruch.
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Die Beklagte schloss am 20. September 2005 mit dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Insolvenzverwalter) einen schriftlichen Mietvertrag über eine Ladenfläche, um dort eine Apotheke zu betreiben. Vereinbart war eine feste Mietzeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2015.
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In § 24 Nr. 6 des Mietvertrages heißt es:
"Alle Vereinbarungen, die zwischen den Parteien getroffen worden sind, sind in diesem Vertrag enthalten. Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Den Mietvertragsparteien sind die besonderen gesetzlichen Schriftformerfordernisse der §§ 550, 126 BGB bekannt. Sie verpflichten sich hiermit gegenseitig, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun, und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform vorzeitig zu kündigen. Dies gilt nicht nur für den Abschluss des Ursprungsvertrages/Hauptvertrages, sondern auch für Nachtrags-, Änderungsund Ergänzungsverträge."
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In der Folgezeit führten der Insolvenzverwalter und der Beklagte Verhandlungen über etwaige Vertragsergänzungen und Zusatzvereinbarungen. Unter anderem begehrte der Beklagte mit Schreiben vom 10. November 2005 eine Vertragsmodifizierung, durch die ihm ein zusätzliches Kündigungsrecht zum 31. Dezember 2008 eingeräumt werden sollte. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2005 bestätigte der Insolvenzverwalter dem Beklagten schließlich die getroffenen Absprachen. Unter anderem wurde eine Vereinbarung bestätigt, dass die in § 2 Abs. 1 des schriftlichen Mietvertrages genannte Mietzeit neu für die Zeit vom 1. März 2006 bis zum 28. Februar 2012 fest vereinbart werde, wobei der Beklagte berechtigt sei, das Mietverhältnis dreimal um jeweils fünf Jahre zu verlängern, und dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin sich bereit erklärt habe, bauliche Veränderungen auf ihre Kosten durchzuführen.
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Die Klägerin wurde am 31. Januar 2008 als neue Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 8. April 2008 erklärte sie gegenüber dem Beklagten unter Hinweis auf die nicht eingehaltene Schriftform des Mietvertrages die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. Dezember 2008.
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Das Landgericht hat die auf Räumung und Herausgabe gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist nicht begründet.
I.
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Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Klägerin sei zur ordentlichen Kündigung des Mietvertrages unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 580 a Abs. 2 BGB berechtigt, weil der Mietvertrag wegen Nichteinhaltung der nach §§ 550 Satz 1, 578 Abs. 2 BGB vorgeschriebenen Schriftform als für unbestimmte Zeit abgeschlossen gelte. Da die Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagte unstreitig gegenüber dem Inhalt des schriftlichen Mietvertrages vom 20. September 2005 nachträglich Änderungen über die Dauer des Mietverhältnisses mündlich vereinbart hätten, sei die gesetzliche Schriftform des Vertrages nicht gewahrt.
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Die Klägerin könne sich ohne Verstoß gegen Treu und Glauben auf die fehlende Einhaltung der Schriftform berufen. Zwar habe die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit dem Beklagten in § 24 Nr. 6 des Mietvertrags vereinbart, bei fehlender Schriftform alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, um der gesetzlichen Schriftform zu genügen und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform vorzeitig zu kündigen. Nach überwiegender Auffassung seien derartige Klauseln wirksam und die Berufung des Kündigenden auf die fehlende Schriftform des Vertrags als treuwidrig anzusehen. Im vorliegenden Fall sei die Kündigung unter Berufung auf die fehlende Schriftform allerdings nicht von der ursprünglichen Vertragspartei, sondern von der Erwerberin des Grundstücks ausgesprochen worden. Der Einwand der Treuwidrigkeit wirke grundsätzlich nur zwischen den Vertragsparteien, im Regelfall dagegen nicht gegenüber einem Grundstückserwerber, der gemäß § 566 BGB in den Mietvertrag eintrete. Der Erwerber könne sich deshalb grundsätzlich auch dann auf den Formmangel berufen, wenn dies dem ursprünglichen Vermieter nach § 242 BGB verwehrt wäre.
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Dieser Grundsatz greife auch in dem Fall ein, dass die ursprünglichen Vertragsparteien eine Schriftformheilungsklausel vereinbart hätten. Die Klausel sei auf den Grundstückserwerber nur insoweit übergegangen, als sie formwidrige Vertragsänderungen betreffe, die mit diesem vereinbart worden seien. Zur Heilung von Formverstößen aus der Zeit vor dem Eigentumsübergang könne der Erwerber, jedenfalls soweit ihm diese nicht bekannt gewesen seien, nicht verpflichtet werden. Andernfalls würde der Schutzzweck des § 550 BGB, der zwingendes Recht darstelle, verfehlt. Bei einem anderen Verständnis könnte der durch § 550 BGB geschützte Grundstückserwerber nämlich nicht absehen, zu welchen Bedingungen sein Rechtsvorgänger einen Mietvertrag abgeschlossen habe. Wäre der Erwerber gleichwohl verpflichtet, nach Maßgabe der Schriftformheilungsklausel an der Herbeiführung der gesetzlichen Form ihm nicht bekannter Veränderungen des Mietvertrages mitzuwirken, könnte er sich bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages keine Klarheit über den wesentlichen Inhalt des Mietvertrages und die ihn daraus treffenden Verpflichtungen verschaffen. Der Grundstückserwerber könne in einem solchen Fall auch nicht auf einen etwaigen Schadensersatzanspruch gegen den Grundstücksverkäufer verwiesen werden, weil dieser häufig, wie auch hier infolge der Insolvenz der Verkäuferin, nicht durchsetzbar wäre. Daher sei der Grundstückserwerber, jedenfalls wenn er keine Kenntnis von nicht schriftlich fixierten Änderungsvereinbarungen des Mietvertrages habe, nicht verpflichtet, aufgrund einer Schriftformheilungsklausel an der Herbeiführung der Schriftform solcher Änderungsvereinbarungen mitzuwirken.
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Die Berufung auf den Formmangel seitens der Klägerin sei auch nicht aus einem anderen Grund als treuwidrig anzusehen. Der Vortrag des Beklagten, bei Wirksamkeit der Kündigung sei seine Existenz bedroht, sei weder hinreichend dargetan noch in erheblicher Weise unter Beweis gestellt.
II.
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Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Das Mietverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 8. April 2008 gemäß §§ 542 Abs. 1, 550, 578 Abs. 1, 2, 580 a Abs. 2 BGB zum 31. Dezember 2008 beendet worden.
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1. Nach § 542 Abs. 1 BGB können durch ordentliche Kündigung zwar nur Mietverhältnisse beendet werden, für die der Zeitpunkt ihrer Beendigung nicht im Vertrag bestimmt ist. Mietverträge, die für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen worden sind, gelten nach § 550 Satz 1 BGB aber für unbestimmte Zeit. Ein solcher Vertrag kann gemäß § 550 Satz 2 BGB nach Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Mietobjekts mit der hierfür in § 580 a Abs. 2 BGB vorgesehenen Frist, nämlich spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres, gekündigt werden.
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Die Voraussetzungen des § 550 Abs. 1 BGB sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Mietvertrag ist, wie das Berufungsgericht zu Recht und von der Revision nicht angegriffen angenommen hat, nicht (mehr) in schriftlicher Form geschlossen, nachdem der Insolvenzverwalter und der Beklagte in Abweichung von dem Inhalt des schriftlichen Mietvertrages vom 20. September 2005 unter anderem Änderungen hinsichtlich der Dauer des Mietverhältnisses vereinbart haben, ohne hierüber eine von beiden Vertragsparteien unterzeichnete Urkunde zu errichten. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Schriftform nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt (Senatsurteile vom 13. November 2013 XII ZR 142/12 NJW 2014, 52 Rn. 22; vom 24. Februar 2010 XII ZR 120/06 NJW 2010, 1518