12.11.2004 · IWW-Abrufnummer 042860
Bundesgerichtshof: Urteil vom 06.10.2004 – VIII ZR 355/03
Für die Beurteilung der Frage, ob eine Mietwohnung Mängel aufweist, ist in erster Linie die von den Mietvertragsparteien vereinbarte Beschaffenheit der Wohnung, nicht die Einhaltung bestimmter technischer Normen maßgebend.
Fehlt es an einer Beschaffenheitsvereinbarung, so ist die Einhaltung der maßgeblichen technische Normen geschuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen.
Nimmt der Vermieter bauliche Veränderungen vor, die zu Lärmimmissionen führen können, so kann der Mieter erwarten, daß Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden, die den Anforderungen der zur Zeit des Umbaus geltenden DIN-Normen genügen.
Wird ein älteres Wohnhaus nachträglich um ein weiteres Wohngeschoß aufgestockt, so entsteht an der Mietwohnung, die vor der Aufstockung im obersten Wohngeschoß gelegen war, ein Mangel, wenn die Trittschalldämmung der darüber errichteten Wohnung nicht den Anforderungen der im Zeitpunkt der Aufstockung geltenden DIN-Norm an normalen Trittschallschutz genügt. Die Einhaltung der Anforderungen an erhöhten Trittschallschutz kann der Mieter nur dann verlangen, wenn dies mit dem Vermieter vereinbart ist.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 355/03
Verkündet am:
6. Oktober 2004
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Ball, Dr. Leimert, Dr. Wolst und Dr. Frellesen
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 7, vom 30. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlußrevision der Kläger wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Kläger erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger mieteten von den Rechtsvorgängern der Beklagten mit Vertrag vom 28. Juli 1987 eine Wohnung im dritten Obergeschoß des Anwesens H. Straße in H. . Das direkt über der von den Klägern gemieteten Wohnung gelegene Dachgeschoß des vor dem Jahre 1918 errichteten Hauses war zunächst nicht ausgebaut und wurde lediglich als Abstellraum genutzt. Im Jahr 2001 wurde der Dachboden abgetragen und an seiner Stelle von der Beklagten eine zweigeschossige Wohnung errichtet, die sie als Eigentumswohnung veräußerte.
Seit dem Bezug der neuerrichteten Dachgeschoßwohnung, die Ende Oktober 2001 fertiggestellt war, fühlen sich die Kläger durch den von dort ausgehenden Trittschall gestört. Ein von ihnen in Auftrag gegebenes Privatgutachten des Sachverständigen M. ergab einen Normtrittschallpegel von L' = 58,5, der die Grenzwerte der DIN 4109 (Normtrittschallpegel L' < 53 dB bzw. < 46 dB für erhöhten Schallschutz) überschreitet. Der ferner eingeschaltete Sachverständige T. ermittelte in seinem Prüfbericht Nr. 09.2001.02 einen Wert von 57 dB. Die Kläger minderten ab November 2002 die Miete um 20 %.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger von den Beklagten die Herstellung eines erhöhten Trittschallschutzes von 46 dB, hilfsweise einen Trittschallschutz von 53 dB. Ferner verlangen sie im Hinblick auf den ihrer Ansicht nach mangelhaften Trittschallschutz Rückzahlung bereits gezahlter Miete und Ersatz der Kosten für das Gutachten des Sachverständigen M. . Widerklagend hat die Beklagte Zahlung der Differenz zwischen der vereinbarten und der geminderten Miete gefordert.
Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten, mit der sie allein die Entscheidung über die Klage angegriffen hat, hat das Landgericht die Beklagten lediglich zur Herstellung eines Trittschallschutzes von 53 dB verurteilt und die Klage hinsichtlich des verlangten erhöhten Trittschallschutzes abgewiesen. Es hat ferner dem Zahlungsantrag der Kläger stattgegeben. Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die vollständige Klageabweisung erstrebt. Die Kläger begehren mit ihrer unselbständigen Anschlußrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt:
Es sei vom Vorliegen eines Mangels der Mietwohnung auszugehen. Maßgebend sei zwar in erster Linie das, was die Parteien als vertragsgemäß vereinbart hätten. Fehle es an entsprechenden Abreden, sei aber die Einhaltung der maßgeblichen technischen Normen geschuldet. Danach seien grundsätzlich die DIN-Normen zugrunde zu legen, die zur Zeit der Errichtung des Gebäudes galten. Das sei für den nachträglichen Dachgeschoßausbau die zu diesem Zeitpunkt gültige DIN-Norm 4109, da die Wohnung über der Wohnung der Kläger erst durch den Ausbau errichtet worden sei. Es komme nicht entscheidend darauf an, ob die bei Anmietung vorhandene einfache Holzbalkendecke baualtersgemäß gewesen sei oder ob der technisch vorhandene Trittschallschutz nach Umbau des Dachgeschosses den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspreche und besser sei als bei Anmietung des Objekts. Bei Anmietung seien Lärmimmissionen aus der Etage über der Mietwohnung nicht zu befürchten gewesen, weil oberhalb der Wohnung keine weitere Wohnnutzung stattgefunden habe. Die Sollbeschaffenheit des Mietobjekts sei deshalb eine Wohnung ohne störenden Lärmbelästigungen aus dem darüber liegenden Dachgeschoß. Der Mieter dürfe davon ausgehen, daß er auch bei einem späteren Ausbau des Dachgeschosses vor Lärmimmissionen jedenfalls in der Weise geschützt werde, daß die zum Zeitpunkt des nachträglichen Ausbaus geltenden technischen Normen eingehalten würden.
Die Kläger hätten jedoch keinen Anspruch auf Einhaltung der Grenzwerte gemäß den "Empfehlungen für einen erhöhten Schallschutz" nach Beiblatt 2 der DIN 4109. Vorbehaltlich besonderer Vereinbarungen müsse der Mieter die Geräusche hinnehmen, die durch eine vertragsgemäße Nutzung der anderen Wohnungen eines Mehrfamilienhauses entstünden.
Soweit die Beklagte einwende, die Ursache der Lärmimmissionen liege im Gemeinschaftseigentum bzw. im Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers, führe dies nicht zu einer Unmöglichkeit der Mangelbeseitigung, sondern lediglich dazu, daß die Vornahme der Mangelbeseitigung wegen der Notwendigkeit der Mitwirkung Dritter nicht allein vom Willen der Beklagten abhänge, so daß Zwangsmittel nach § 888 ZPO ausgeschlossen seien, wenn der Schuldner vorher mit der gebotenen Intensität zumindest versucht habe, diese Dritten zur Mitwirkung zu veranlassen. Im übrigen sei die Trittschalldämmung anders als der Bodenbelag nicht Gegenstand des Sondereigentums, sondern gehöre grundsätzlich zum gemeinschaftlichen Eigentum, wobei die anderen Wohnungseigentümer zumindest zur Duldung der Arbeiten verpflichtet seien.
Den Klägern seien auch die Kosten der Rechtsverfolgung zu ersetzen, weil die Beklagte die Mangelhaftigkeit durch den von ihr veranlaßten Umbau schuldhaft herbeigeführt habe. Die klägerseitig vorgenommene Mietminderung von 20 % sei unter Zugrundelegung eines Trittschallschutzes von L' ~ 57 dB angemessen.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Die Revision der Beklagten hat allerdings in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Mangel der Mietwohnung im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB wegen des nicht ausreichenden Trittschallschutzes bejaht. Ein Mangel ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand (BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714 unter A II 2 a m.w.Nachw. zur Rechtsprechung; Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. III. B Rdnr. 1344). Maßgeblich sind daher, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, die Vereinbarungen der Parteien und nicht in erster Linie die Einhaltung bestimmter technischer Normen. Fehlen jedoch ausdrückliche Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache, so ist jedenfalls die Einhaltung der maßgeblichen technischen Normen geschuldet (vgl. KG, WuM 1980, 255; LG Berlin GE 1996, 1249; Staudinger/Emmerich, BGB (2003), § 536 Rdnr. 27; vgl. auch LG Berlin, GE 1996, 677). Dabei ist, wovon auch die Revision zu Recht ausgeht, nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen (Senatsurteil vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, WuM 2004, 527; Kraemer in Bub/Treier aaO Rdnr. 1338; differenzierend Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 8. Aufl., § 536 Rdnr. 29 f.).
Entgegen der Auffassung der Revision bedeutet dies jedoch nicht, daß die Kläger keinen höheren Schallschutz verlangen können, als er der Zeit vor 1918 entsprach. Zwar haben die Parteien einen Mietvertrag über eine Wohnung abgeschlossen, die sich in einem vor dem Jahr 1918 errichteten und nicht den aktuellen Schallschutzbestimmungen angepaßten Gebäude befindet. Auch trifft den Vermieter grundsätzlich keine Pflicht zur Modernisierung (so auch Schmidt-Futterer/Eisenschmid aaO Rdnr. 30). Wenn der Vermieter jedoch selbst bauliche Veränderungen vornimmt, die zu Lärmimmissionen führen können, kann der Mieter erwarten, daß Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden, die den Anforderungen der zur Zeit des Umbaus geltenden DIN-Normen genügen. Die Revision übersieht, daß die Kläger zunächst im obersten bewohnten Stockwerk gewohnt haben, weil der darüber befindliche Dachboden lediglich als Abstellraum genutzt wurde. Durch die Errichtung der zweigeschossigen Wohnung über der Wohnung der Kläger haben sich die Nutzungsgewohnheiten erheblich geändert. Zu Recht führt das Berufungsgericht aus, daß die Wohnung über der Wohnung der Kläger durch den Ausbau erst errichtet worden ist. Dementsprechend sind hinsichtlich des zwischen diesen Wohnungen erforderlichen Trittschallschutzes auch die zum Zeitpunkt des Ausbaus geltenden DIN-Normen die den jeweiligen technischen Mindeststandard wiedergeben (vgl. BGHZ 139, 16, 20), als Vertragsinhalt anzusehen.
Auch der Durchführung einer Ortsbesichtigung bedurfte es entgegen der Ansicht der Revision zur Ermittlung der Lärmbeeinträchtigung nicht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Trittschallpegel in der Wohnung der Kläger den von der DIN 4109 festgelegten Grenzwert jedenfalls um 4 dB überschreitet. Damit steht auch unabhängig von einer Ortsbesichtigung fest, daß der Trittschallschutz nicht ausreichend und folglich die Wohnung der Kläger mit einem Mangel behaftet ist.
Die Kläger waren daher berechtigt, die Miete zu mindern. Die vom Tatrichter für angemessen gehaltene Höhe der Minderung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2. Dagegen hat die Anschlußrevision der Kläger Erfolg.
Allerdings ergibt sich ein Anspruch der Kläger auf Einbau eines erhöhten Trittschallschutzes von 46 dB entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht schon daraus, daß das Dachgeschoß vor dem Umbau nicht bewohnt war und die Kläger somit "außergewöhnlich störungsfrei" wohnen konnten. Ein Mieter ist nicht davor geschützt, daß in dem Haus, welches er bewohnt, Umbauarbeiten stattfinden. Es bleibt die freie Entscheidung des Vermieters, ob er solche Arbeiten durchführen und zum Beispiel das Dachgeschoß ausbauen läßt. Einen Anspruch auf erhöhten Schallschutz hat der Mieter nur dann, wenn dies mit dem Vermieter vereinbart ist. Ob dies hier der Fall war, ist zwischen den Parteien streitig. Die Anschlußrevision weist mit Recht darauf hin (§ 286 ZPO), daß die Kläger unter Benennung von Zeugen eine solche Vereinbarung behauptet haben. Diesen Beweisangeboten hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen, um zu klären, ob die Kläger Anspruch auf erhöhten Schallschutz haben.
Zur Klärung dieser Frage und Durchführung der dazu erforderlichen Beweisaufnahme ist das Berufungsurteil daher auf die Anschlußrevision der Kläger aufzuheben, soweit die Klage auf erhöhten Schallschutz abgewiesen worden ist, und die Sache ist insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.