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  • 02.05.2007 · IWW-Abrufnummer 071512

    Bundesgerichtshof: Urteil vom 04.04.2007 – VIII ZR 223/06

    Ein Verzicht des Vermieters auf das Recht, das Wohnraummietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu kündigen, bedarf - wie der gesamte Mietvertrag - gemäß § 550 Satz 1 BGB der Schriftform, wenn der Verzicht für mehr als ein Jahr gelten soll.


    BUNDESGERICHTSHOF
    IM NAMEN DES VOLKES
    URTEIL

    VIII ZR 223/06

    Verkündet am:
    4. April 2007

    in dem Rechtsstreit

    Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 9. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers und Dr. Wolst sowie die Richterinnen Hermanns und Dr. Hessel

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, 17. Zivilkammer, vom 20. Juli 2006 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. August 2006 wird zurückgewiesen.

    Die Beklagten tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.

    Von Rechts wegen

    Tatbestand:

    Durch den Kauf des Hausgrundstücks F. straße in S. traten die Kläger als Vermieter in den von den Beklagten als Mieter mit der Voreigentümerin geschlossenen Mietvertrag vom 21. November 1991 über eine Dreizimmerwohnung ein. In § 27 des Mietvertrags mit der Überschrift "Sonstige Vereinbarungen" ist eingetragen: "- siehe Anlagen -".

    Die Kläger sprachen mit Schreiben vom 26. August 2002 und vom 31. August 2004 gegen die Beklagten die ordentliche Kündigung des Mietvertrags jeweils zum Ablauf des nächsten Jahres aus. Daneben erklärten sie mit Schreiben vom 29. Januar 2004 und 26. Juli 2004 fristlose Kündigungen des Mietverhältnisses. Die ordentlichen Kündigungen begründeten die Kläger mit Eigenbedarf ihrer erwachsenen Tochter.

    Die Beklagten widersprachen den Kündigungen und bestritten die Richtigkeit der zur Begründung der Kündigungen vorgetragenen Tatsachen. Hinsichtlich der Kündigungen wegen Eigenbedarfs berufen sich die Beklagten auf die von ihnen vorgelegte Version der Anlage zu § 27 des Mietvertrags, die unter anderem folgenden Satz enthält:

    "12. Auf eine Kündigung wegen Eigenbedarf wird verzichtet".

    Demgegenüber behaupten die Kläger, die von ihnen in den Rechtsstreit eingeführte Version der Anlage zu § 27 des Mietvertrags, die keine Bestimmung zu einer Kündigung wegen Eigenbedarfs enthält, sei von den Mietvertragsparteien in den Mietvertrag einbezogen worden.

    Bei beiden von den Parteien vorgelegten Versionen der Anlage zu § 27 des Mietvertrags handelt es sich jeweils um ein einzelnes, loses Blatt mit der Überschrift "§ 27 - Sonstige Vereinbarungen" ohne weitere Hinweise auf ein bestimmtes Mietverhältnis und ohne Unterschriften oder Paraphen.

    Das Amtsgericht hat die Klage auf Räumung und Herausgabe der von den Beklagten gemieteten Wohnung abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht die Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

    Entscheidungsgründe:

    I.

    Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

    Die Kündigung vom 26. August 2002 wegen Eigenbedarfs der Tochter der Kläger sei wirksam. Dabei könne dahinstehen, welchen Inhalt die gemäß § 27 des Mietvertrags vorgesehene Anlage habe. Denn selbst wenn sie in der von den Beklagten vorgelegten Version vereinbart worden sei, fehle es ihr an der für die Wirksamkeit erforderlichen Schriftform gemäß § 550 BGB (§ 566 BGB aF), weil sie weder mit dem Mietvertrag verbunden noch unterzeichnet sei, noch im Text auf den Hauptvertrag Bezug nehme.

    Die Kündigung wegen Eigenbedarfs sei daher vertraglich nicht ausgeschlossen gewesen und auch im Übrigen formell ordnungsgemäß erklärt worden. Der Eigenbedarf der Kläger sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nachgewiesen, das Räumungsverlangen somit berechtigt.

    II.

    Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

    Die Kläger haben das Mietverhältnis wirksam gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB wegen Eigenbedarfs gekündigt.

    Die Kündigung wegen Eigenbedarfs ist zwischen den Mietvertragsparteien nicht ausgeschlossen worden, so dass auch die Kläger als Erwerber des Grundstücks nicht gemäß § 566 BGB einer Beschränkung der Kündigung wegen Eigenbedarfs unterliegen.

    Soll ein Kündigungsausschluss für längere Zeit als ein Jahr gelten, so ist hierfür Schriftform erforderlich (§ 550 Satz 1 BGB). Wird die Schriftform nicht eingehalten, so ist das Mietverhältnis ohne Beachtung der Kündigungsbeschränkung, frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums, kündbar (§ 550 Satz 2 BGB). Das ist hier der Fall.

    1. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine Vereinbarung über den Ausschluss der Kündigung wegen Eigenbedarfs für mehr als ein Jahr der Schriftform des § 550 BGB bedarf.

    a) Nach einer Ansicht ist die vertragliche Regelung allerdings dann nicht formbedürftig, wenn der Vermieter lediglich auf bestimmte Kündigungsgründe, wie beispielsweise die Kündigung wegen Eigenbedarfs nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, verzichtet, weil sich nur ein genereller Kündigungsverzicht unmittelbar auf die Dauer des Mietverhältnisses auswirke (LG Mannheim ZMR 1978, 54; Bub/Treier/Heile, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II Rdnr. 730). Wenn nur das Kündigungsrecht einer Partei ausgeschlossen werde, handele es sich nicht um die Befristung eines Vertrags, so dass keine Schriftform erforderlich sei (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., IV Rdnr. 60).

    b) Nach anderer Ansicht, der sich auch das Berufungsgericht angeschlossen hat, genügt bereits der Ausschluss lediglich bestimmter Kündigungsgründe, etwa wegen Eigenbedarfs, um die Formbedürftigkeit zu bejahen (LG Berlin WuM 1991, 498; LG Hamburg ZMR 2001, 895; Sonnenschein, NZM 2000, 1, 8 f. m.w.N.). Die Schriftform sei nach dem Sinn und Zweck des § 550 BGB auch für den eingeschränkten, einseitigen Kündigungsverzicht erforderlich.

    c) Letztere Ansicht trifft zu. Die Gegenmeinung ist nicht mit dem Sinn und Zweck von § 550 BGB vereinbar. § 550 BGB, der im Wesentlichen unverändert § 566 BGB aF entspricht, verfolgt vor allem den Zweck, es dem Grundstückserwerber, der in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, zu erleichtern, sich über den Umfang der auf ihn übergehenden Bindungen zu unterrichten (BGHZ 136, 357, 370; BGHZ 52, 25, 28). Hauptzweck des Schriftformerfordernisses (neben Warn- und Beweisfunktion) ist also der Schutz des Informationsinteresses eines potentiellen Grundstückserwerbers (Bub/Treier/Heile, aaO, II Rdnr. 726).

    Dies gilt auch im Fall des - eingeschränkten - Kündigungsverzichts wegen Eigenbedarfs. Ohne Einhaltung der Schriftform würde dem Erwerber anhand des Mietvertrags die Beschränkung des Kündigungsrechts nicht zur Kenntnis gelangen, obwohl gerade der Erwerber von Wohnraum nicht selten ein gesteigertes Interesse an dem Sonderkündigungsrecht haben wird. Für den Erwerber ist - worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - nicht nur ein genereller Kündigungsausschluss von entscheidender Bedeutung, sondern auch eine wesentliche Kündigungsbeschränkung, die auf Dauer gilt. Der Ausschluss der Eigenbedarfskündigung stellt eine nicht unwesentliche Einschränkung des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums (Art. 14 GG) des Erwerbers dar.

    2. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision auch nicht die Anforderungen an die Wahrung der Schriftform gemäß § 126 BGB verkannt.

    Wenn die Vertragschließenden wesentliche Bestandteile des Mietvertrags - dazu gehört hier der Verzicht auf die Eigenbedarfskündigung - nicht in die Vertragsurkunde selbst aufnehmen, sondern in andere Schriftstücke auslagern, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser "verstreuten" Bestimmungen ergibt, muss zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich gemacht werden (BGH, Urteil vom 15. November 2006 - XII ZR 92/04, NZM 2007, 127, unter 2 c). Das ist hier nicht geschehen. Die Zusatzvereinbarung - gleich in welcher der von den Parteien vorgelegten Versionen - ist weder mit dem Mietvertrag verbunden noch unterzeichnet worden und nimmt im Text nicht auf den Hauptvertrag Bezug. Eine zweifelsfreie Zuordnung einer der Anlagen zur Haupturkunde des Mietvertrags ist nach den zutreffenden Feststellungen des Berufungsgerichts damit nicht gegeben.

    Der bloße Hinweis in § 27 des Mietvertrags auf nicht näher bezeichnete "Anlagen" reicht entgegen der Auffassung der Revision zur Wahrung der Schriftform nicht aus. Zu Unrecht beruft sich die Revision für ihre abweichende Auffassung auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 2002 (XII ZR 253/01, NJW 2003, 1248, unter 2 a). Mit dem von der Revision aus dem Zusammenhang gerissenen Satz, für den Schutzzweck des § 566 BGB aF reiche es aus, dass ein späterer Grundstückserwerber durch die Verweisung im Hauptvertrag auf die Existenz einer Anlage hingewiesen werde, hat der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung lediglich die Entbehrlichkeit einer ausdrücklichen Rückverweisung einer Anlage auf den Mietvertrag begründet, aber nicht ausgesprochen, der bloße Hinweis auf Anlagen zum Mietvertrag genüge bereits dem Schriftformerfordernis.

    3. Soweit das Berufungsgericht das Vorliegen der tatsächlichen Gründe für die Eigenbedarfskündigung der Kläger festgestellt hat, erhebt die Revision keine Rüge. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

    RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 126 BGB § 550 BGB § 573 Abs. 2 Nr. 2