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  • 13.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194438

    Amtsgericht Brandenburg: Urteil vom 21.04.2017 – 31 C 37/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Az.:     31 C 37/17

    Amtsgericht Brandenburg an der Havel

    Im Namen des Volkes     

    Urteil

    In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
    der …, vertreten durch …,
    Verfügungsklägerin,
    Verfahrensbevollmächtigte:
    Rechtsanwältin…,

    gegen
    Herrn…,
    Verfügungsbeklagter,
    Verfahrensbevollmächtigter:
    Rechtsanwalt…,

    wegen Erlass einer einstweiligen Verfügung bezüglich der Räumung und Herausgabe einer Wohnung,

    hat das Amtsgericht Brandenburg an der Havel durch den Richter am Amtsgericht Moch-Titze am 21.04.2017 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2017 für Recht erkannt:

    1. Der Antrag vom 16.02.2017 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
    2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
    3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung des Verfügungsbeklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
    Beschluss

    Der Streitwert des Verfahrens wird auf 2.387,52 Euro festgesetzt.

    Tatbestand:

    Die Verfügungsklägerin begehrt von dem Verfügungsbeklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Räumung und Herausgabe einer vom Verfügungsbeklagten angemieteten Wohnung gemäß § 940a Abs. 1 ZPO wegen einer vermeintlich konkreten Gefahr für Leib oder Leben von Personen.

    Der Verfügungsbeklagte mieteten unstreitig mit Vertrag vom 12.04.2011 – Anlage 1 (Blatt 4 bis 5 der Akte) – von der Verfügungsklägerin ab dem 01.05.2011 eine Wohnung im Obergeschoss links, gelegen im Haus …38 in …, mit einer Wohnfläche von ca. 41,45 m², bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Bad mit WC, Dusche, Flur und einem Kellerraum.

    Bereits am 29. Februar 2016 – Anlage 2 (Blatt 6 der Akte) – zeigte die Verfügungsklägerin gegenüber den Mietern des Wohnblocks … 35 bis 39 an, dass sie ab Juli 2016 eine umfassende Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahme in dem gesamten Haus durchführen wolle. Die vom Verfügungsbeklagten bewohnte Wohnung soll in diesem Zusammenhang mit der Nachbarwohnung zusammengelegt und insgesamt saniert und modernisiert werden. Zudem teilte die Verfügungsklägerin dem Verfügungsbeklagten mit, dass für die Dauer dieser Modernisierungsmaßnahmen die Wohnungen dieses Objekts auch unbewohnbar sein soll.

    Der Aufgang des Hauses mit der Nummer 39 wurde zwischenzeitlich auch bereits komplett saniert und modernisiert und an neue Mieter durch die Verfügungsklägerin vermietet.

    Der Verfügungsbeklagte ist zwischenzeitlich der letzte, noch in dem Hauseingang … 38 wohnende Alt-Mieter der Verfügungsklägerin. In diesem Hauseingang will die Verfügungsklägerin jedoch ihre Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen nunmehr auch abschließen.

    Die Verfügungsklägerin kündigte jetzt das Mietvertragsverhältnis mit dem Verfügungsbeklagten mit Schriftsatz vom 09. Februar 2017 – Anlage 3 (Blatt 7 bis 8 der Akte) – fristlos, hilfsweise fristgemäß wegen - vermeintlicher - Verstöße des Verfügungsbeklagten gegen die Hausordnung.

    Die Verfügungsklägerin behauptet, dass hier die Voraussetzungen für die Bejahung einer konkreten Gefahr für Leib und Leben aufgrund des Verhaltens des Verfügungsbeklagten vorliegen würde. Insofern würde sie nämlich davon ausgehen, dass aus dem Fenster der Wohnung des Beklagten Schnaps- und Weinflaschen geflogen sind. Zwar hätten ihre Mitarbeiter nicht gesehen, dass derartige Schnaps- und Weinflaschen aus dem Fenster der Wohnung des Beklagten geflogen sind, jedoch sei zu befürchten, dass Passanten und Nachbarn hier durch diese Flaschen getroffen werden. Aus diesem Grunde sei auch die fristlose Wohnraumkündigung mit Datum vom 09.02.2017 erfolgt.

    Auch habe ihr Mitarbeiter - der Zeuge H… H… - am 16.02.2017 zwei Weinflaschen draußen vor dem Haus liegen sehen.

    Der Grund für die Beantragung der einstweiligen Verfügung sei somit hier nicht, dass sie ihre umfassende Sanierung und Modernisierung der Wohnungen in diesem Haus beenden wolle, sondern das gefährliche Verhalten des Verfügungsbeklagten. Sie würde insofern hier eine Gefahr für Leib und Leben der Bewohner des Nachbaraufganges mit der Nr. 39 sehen. Dieser Nachbaraufgang sei nämlich zwischenzeitlich bereits komplett saniert und an neue Mieter vermietet worden.

    Darüber hinaus habe der Verfügungsbeklagte ihrer Meinung nach in der Nacht vom 14.02.2017 zum 15.02.2017 auch diverse Lebensmittel in seinen Abfluss gestopft, so dass es zu einer Fallrohrverstopfung gekommen sei. Insofern habe sie gegen den hiesigen Verfügungsbeklagten auch am 15.02.2017 eine Strafanzeige wegen Sachbeschädigung erstattet. Die Verstopfungen könnten ihrer Meinung nach nämlich nur durch den Verfügungsbeklagten herbeigeführt worden sein.

    Es bestehe insofern ihrer Auffassung nach auch die Gefahr, dass der Verfügungsbeklagte sich nicht nur an den Abflussrohren zu schaffen macht, sondern eventuell auch noch an der Gasversorgung.

    Insofern ist sie der Auffassung, dass der Verfügungsbeklagte gemeingefährlich sei und sie somit ihre neuen Mieter des Nachbaraufganges vor dem Verfügungsbeklagten schützen müsse, zumal der Verfügungsbeklagte in einer E-Mail vom 15.02.2017 - Anlage 7 (Blatt 23 der Akte) - mitgeteilt habe, dass er das Sozialamt verständigt hätte.

    Die Verfügungsklägerin beantragt,

    dem Verfügungsbeklagten aufzugeben, die Wohnung im Obergeschoss links des Hauses … 38 in …, bestehend aus 2 Zimmern, einer Küche, ein Bad mit WC und Dusche, ein Flur und einen Kellerraum zu räumen und an sie – die Verfügungsklägerin – herauszugeben.

    Der Verfügungsbeklagte beantragt,

    den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

    Der Verfügungsbeklagte trägt vor, dass eine Gefahr für Leib oder Leben einer Person hier nicht bestehen würde. Im Hinblick auf etwaige behauptete Verletzungen mietvertraglicher Pflichten durch seine Person würde er diese ausdrücklich bestreiten. Insbesondere würde er bestreiten, dass er Schnaps- oder Weinflaschen aus dem Fenster geworfen habe oder Lebensmittel in den Abfluss gestopft hätte.

    Insofern habe er also zu keiner Zeit etwaige Flaschen aus dem Fenster geworfen. Auch würde er ausdrücklich bestreiten, dass er am 16.02.2017 zwei Weinflaschen aus dem Fenster geworfen habe.

    Selbst wenn hier eine Verstopfung der Abflussrohre vorgelegen haben sollte, so sei diese auch nicht durch ihn verursacht worden.

    Insoweit würde er auch bestreiten, dass ausschließlich er Zugang zu diesem Objekt gehabt haben soll. Im Rahmen der umfassenden Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen seien nämlich Dritte  - insbesondere Bauarbeiter - in diesem Objekt gewesen. Auch müsse davon ausgegangen werden, dass dieses Objekt nicht immer ordnungsgemäß verschlossen wurde, so dass auch weitere dritte Personen Zugang zu den übrigen, leerstehenden Wohnungen gehabt hätten.

    Darüber hinaus sei ihm auch nicht bekannt, dass dieses Objekt an die Gasversorgung angeschlossen sei. In seiner Wohnung würde sich nämlich ein Gasanschluss nicht befinden. Insofern würde er bestreiten, dass eine konkrete Gefahr dadurch bestehen würde, dass er sich evtl. an einer - nicht vorhandenen - Gasversorgung zu schaffen machen würde.

    Im Übrigen würde er auch keine unberechenbaren Handlungen vornehmen und auch nicht versuchen solche im Nachhinein zu verschleiern.

    Hintergrund dieses Verfahrens sei vielmehr ausschließlich, dass er als letzter Mieter seine Wohnung bewohnen würde und die Verfügungsklägerin das Objekt sanieren und modernisieren wolle. Insoweit würde die Verfügungsklägerin hier ausschließlich mit schikanösen Maßnahmen versuchen ihn - den Verfügungsbeklagten - aus seiner Wohnung zu vertreiben. Dieses Vorgehen sei jedoch treu- und sittenwidrig.

    Die von der Verfügungsklägerin vorgelegte Kündigung vom 09.02.2017 sei im Übrigen als unwirksam zurückzuweisen, da er gerade nicht massiv gegen die Hausordnung verstoßen habe. Dass die Verfügungsklägerin insofern auch eine Strafanzeige gegen ihn - wegen Sachbeschädigung - erstattet haben will, würde ebenso nicht dazu führen, dass die Behauptungen der Verfügungsklägerin dadurch glaubhafter würden.

    Auch die beabsichtigte Durchführung von Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen würden allein für sich einen Anspruch auf Räumung gegen ihn hier nicht begründen.

    Das Gericht hat nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 03.03.2017 Beweis erhoben. Hinsichtlich der Vernehmung des Zeugen H… H… wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 03.03.2017 verwiesen.

    Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird im Übrigen auf die unter Angabe der Blattzahl der Akte angeführten Schriftstücke ergänzend Bezug genommen. Darüber hinaus wird auch auf die zwischen den Prozessparteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird zudem auf die Sitzungsniederschrift vom 03.03.2017 Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe:

    Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts ergibt sich aus § 29a ZPO in Verbindung mit § 23 Nr. 2 a) GVG.

    Der Antrag auf Räumung der Wohnung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist zulässig. Zwar hat die hiesige Verfügungsklägerin den Anspruch auf Räumung der Wohnung gegenüber dem hiesigen Verfügungsbeklagten bereits in einem ordentlichen Zivil-Hauptverfahren vor dem hiesigen Amtsgericht (Az.: 31 C 314/16) geltend gemacht, jedoch liegt diesbezüglich eine anderweitige, frühere Rechtshängigkeit nicht vor, die zu einer Unzulässigkeit der Klage führen würde. Das Gesuch um Erlass einer einstweiligen Verfügung begründet nämlich nur eine Rechtshängigkeit für den Verfügungsanspruch als solchen, nicht demgegenüber für den Hauptsache-Anspruch des § 926 ZPO. Insoweit liegen hier also zwei gesonderte Streitgegenstände und nicht der gleiche Anspruch im Sinne des § 261 ZPO vor (OLG Hamm, Urteil vom 01.03.2007, Az.: 4 U 142/06, u.a. in: NJW-RR 2007, Seiten 1264 f.; Greger, in: Zöller, ZPO-Kommentar 31. Auflage 2016, § 261 ZPO, Rn. 2; Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 261 ZPO Rn. 14; Bacher, in: Beck'scher Online-Kommentar zur ZPO, 24. Edition, Stand 01.03.2017, § 261 ZPO, Rn. 3).

    Auch sind die Sonderregelungen des § 214 FamFG in Verbindung mit § 1 und § 2 GewSchG sowie § 49 FamFG in Verbindung mit § 1568a und § 1361b BGB bzw. § 17 LPartG hier nicht einschlägig.

    Der geltend gemachte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist jedoch nicht begründet. Der Verfügungsklägerin steht jedenfalls ein im Wege der einstweiligen Verfügung (§ 940a ZPO) durchsetzbarer Anspruch gegenüber dem Verfügungsbeklagten auf Räumung und Herausgabe der von ihm angemieteten Wohnung derzeitig nicht zu (§§ 535 ff., § 546, § 985 und § 986 BGB in Verbindung dem Mietvertrag der Prozessparteien unter Beachtung von § 940a ZPO).

    Es ist hier schon fraglich, ob ein Verfügungsanspruch hinreichend von der Verfügungsklägerseite glaubhaft gemacht wurde, da zwischen den Prozessparteien mehr als nur streitig ist, ob das zwischen ihnen mit Vertrag vom 12.04.2011 begründete Mietvertragsverhältnis über Wohnräume tatsächlich auch wirksam aufgrund der ausgesprochenen fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigungen beendet wurde und insofern der Räumungsklage in dem Hauptsacheverfahren (Az.: 31 C 314/16) stattzugeben wäre. Jedoch konnte dies hier dahingestellt bleiben, da der § 940a Abs. 1 ZPO nicht voraussetzt, dass zugleich eine Räumungsklage in einem Hauptsacheverfahren anhängig ist oder anhängig gemacht wird.

    Es ist vorliegend aber ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 und 940a ZPO nicht gegeben. Zwar kann die Räumung und Herausgabe von Räumlichkeiten unter der Voraussetzung der ganz besonderen Dringlichkeit ggf. auch im Wege des Eilverfahrens verlangt werden (LG Hamburg, Urteil vom 10.12.2014, Az.: 334 O 251/14, u.a. in: ZMR 2015, Seiten 380 f.). Nach § 940a Abs. 1 ZPO darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Leistungsverfügung aber nur wegen verbotener Eigenmacht oder bei einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben angeordnet werden (LG Bonn, Beschluss vom 12.03.2014, Az.: 6 T 50/14, u.a. in: ZMR 2015, Seiten 550 f.; Schumacher, FamRZ 2001, Seite 957; Vollkommer, in: Zöller, ZPO-Kommentar, 31. Auflage 2016, § 940a ZPO, Rn. 3).

    Eine verbotene Eigenmacht ist unstreitig vorliegend aber nicht gegeben; die Voraussetzungen für die Bejahung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben gemäß § 940a Abs. 1, zweite Alt. ZPO liegen hier aber auch nicht vor.

    Angesichts der besonderen Bedeutung einer Wohnung und der bei einer Räumung systembedingt eintretenden Vorwegnahme der Hauptsache kommen hier nämlich nur solche Gefährdungen in Betracht, die eine Entziehung des Besitzes an dem Wohnraum des Störers zwingend verlangen (Streyl, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 940a ZPO, Rn. 14; Börstinghaus, NJW 2014, Seiten 2225 f. Hinz, NZM 2005, Seiten 841 ff.). Die Gefahr darf auch nicht nur abstrakt bestehen, sie muss ganz konkret sein. Sie hat vom Mieter oder einem Mitbewohner auszugehen (Börstinghaus, NJW 2014, Seiten 2225 f.; Hinz, NZM 2005, Seiten 841 ff.). Das geschützte Rechtsgut ist auch nicht das Eigentum an der Wohnung, sondern der Schutz vor körperlicher Gewalt.

    Unerheblich ist aber, wer das Opfer der vom Mieter ausgehenden Gewalt ist. Das kann der Vermieter sein, es kommen aber auch seine Familienangehörigen, Mitarbeiter (z.B. Hausmeister, Sicherheitsdienst), Hausbewohner oder ganz unbeteiligte Dritte (z.B. Passanten) in Betracht (LG München I, Urteil vom 10.10.2012, Az.: 14 S 9204/12, u.a. in: NZM 2013, Seiten 25 f.; AG Hamburg, Beschluss vom 22.06.2010 [u.a. in: NZM 2010, Seiten 667 f.] und Urteil vom 16.09.2010 [u.a. in: ZMR 2011, Seiten 291 f.], jeweils zu dem Az.: 40A C 273/10; Streyl, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 940a ZPO, Rn. 14; Börstinghaus, NJW 2014, Seiten 2225 f.; Hinz, NZM 2005, Seiten 841 ff.).

    Die Anforderungen an die Bejahung eines solchen Verfügungsgrundes sind somit hoch anzusetzen, weil ansonsten der (sofortige) Entzug der Wohnung nicht gerechtfertigt werden könnte (Streyl, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 940a ZPO, Rn. 14; Börstinghaus, NJW 2014, Seiten 2225 f.; Hinz, NZM 2005, Seiten 841 ff.).

    Soweit die Verfügungsklägerin hier insofern einen Räumungsverfügungsausspruch gegen den Verfügungsbeklagten begehrt, ist ihr Vortrag aber nicht substantiiert genug, dass ihren Mitarbeitern und/oder den (neuen) Mietern des (sanierten und modernisierten) Nachbareingangs des Hauses bzw. Passanten eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben droht, welche vom Verfügungsbeklagten ausgeht (AG Bremen, Urteil vom 30.04.2015, Az.: 5 C 135/15, u.a. in: WuM 2015, Seiten 562 ff.; AG Bonn, Beschluss vom 10.02.2014, Az.: 204 C 66/14, u.a. in: „juris“).

    Eine Gefahr ist in diesem Sinne unter Heranziehung der Rechtsprechung zur konkreten Gefahr nach den §§ 315b, 315c StGB nämlich erst dann konkret, wenn „…das Gefährdungsobjekt so in den Wirkbereich der schadensträchtigen Tathandlung gelangt ..., dass der Eintritt eines Schadens nicht mehr gezielt abgewendet werden kann und sein Ausbleiben folglich nur noch von bloßen Zufälligkeiten abhängt“ (BGH, Beschluss vom 16.04.2012, Az.: 4 StR 45/12, u.a. in: NStZ-RR 2012, Seiten 252 f.; BGH, Urteil vom 25.10.1984, Az.: 4 StR 567/84, u.a. in: NJW 1985, Seiten 1036 f.; BGH, Beschluss vom 05.03.1969, Az.: 4 StR 375/68, u.a. in: NJW 1969, Seite 939; OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 27.03.2015, Az.: 4 UF 362/14, u.a. in: FamRZ 2015, Seiten 1898 ff.).

    Zwar könnte ggf. durch das Herabwerfen von Wein-, Sekt-, Bier- und Schnapsflaschen aus dem Obergeschoß des Hauses die Gesundheit und/oder sogar das Leben der Mitarbeiter der Verfügungsklägerin bzw. der benachbarten Mieter oder von Passanten gefährdet werden, da wenn eine solche Flasche eine Personen trifft, sich diese Person nicht unerhebliche Verletzungen zuziehen kann insbesondere bei einem unglücklichen Aufprall einer solchen Flasche auf dem Kopf dieser Person (AG Hamburg, Beschluss vom 22.06.2010 [u.a. in: NZM 2010, Seiten 667 f.] und Urteil vom 16.09.2010 [u.a. in: ZMR 2011, Seiten 291 f.], jeweils zu dem Az.: 40A C 273/10; vgl. auch: LG Freiburg/Breisgau, Beschluss vom 04.05.2001, Az.: 13 T 75/01, u.a. in: FamRZ 2002, Seite 405; LG Braunschweig, Beschluss vom 21.11.1990, Az.: 3 T 44/90, u.a. in: NJW-RR 1991, Seite 832; LG Bochum, Urteil vom 09.03.1990, Az.: 5 S 22/90, u.a. in: NJW-RR 1990, Seite 896;  AG Neukölln, Urteil vom 27. Februar 1995, Az.: 9 C 591/94, u.a. in: FPR Service 06.1995, Nr. 5).

    Insofern hat die Verfügungsklägerin hier aber keine konkrete Gefahr für Leib oder Leben von Personen durch eine derartige Handlung des Verfügungsbeklagten hinreichend darlegen bzw. glaubhaft machen können, obwohl der Verfügungsbeklagte vorliegend ausdrücklich bestritten hat, dass er irgendwelche Flaschen aus dem Fenster auf die Grünfläche vor dem Haus geworfen habe.

    Der diesbezüglich von der Verfügungsklägerseite benannte Zeuge H… H… konnte aber nur bekunden, dass er vor dem Fenster der Wohnung des Verfügungsbeklagten zwei Weinflaschen auf der Grünfläche (Foto Blatt 44 der Akte) liegen sah. Er hatte aber nicht gesehen, wie diese beiden Flaschen aus einem Fenster (geschweige denn aus dem Fenster der Wohnung des Verfügungsbeklagten) hinaus geschmissen wurden, so dass vorliegend gerade nicht ausgeschlossen werden kann, dass dritte Personen (wie z.B. die in dem Haus noch arbeitenden Bauarbeiter und/oder Passanten etc. p.p.) diese zwei Weinflaschen dort vor dem Haus auf der Grünfläche hinterließen.

    Zwar hat der Zeuge H… auch eine Liste zur Akte gereicht (Blatt 45 der Akte), in der er dokumentierte, dass im Zeitraum vom 22.08.2016 bis zum 16.02.2017 (d.h. innerhalb eines Zeitraums von ca. 6 Monaten) an insgesamt 12 Tagen mal Müll bzw. Schnaps- und Weinflaschen vor bzw. hinter dem Haus oder im Briefkasten lagen. Der Zeuge H… hatte aber insofern jeweils nicht gesehen, dass diese Weinflaschen aus irgendeinem Fenster (geschweige denn dem Fenster der Wohnung des Verfügungsbeklagten) geworfen wurden, sondern nur, wie diese Flaschen dann draußen oder in dem Briefkasten lagen. Der Zeuge hatte also gerade nicht gesehen, dass der Verfügungsbeklagte diese Flaschen dort hingeschmissen hatte. Wollte man aber irgendeinem Mieter jede vor seinem Haus liegende Flasche als Kündigungsgrund vorwerfen, müsste wohl eine Vielzahl von Mietern in Deutschland – insbesondere in Großstädten – mit einem Räumungsverfahren rechnen.

    Die Verfügungsklägerseite hat somit hier dann aber auch nicht glaubhaft gemacht, dass es in der Vergangenheit bzw. am 16.02.2017 zu derartigen „Flaschenwürfen“ durch den Verfügungsbeklagten gekommen ist. Die bloßen Mutmaßungen der Verfügungsklägerin, dass lediglich der Verfügungsbeklagte für die vorgefundenen Flaschen (und den Müll) in Betracht komme und er die Flaschen aus seinem Fenster geschmissen habe müsse, reicht hierfür nämlich nicht aus (LG Bonn, Beschluss vom 12.03.2014, Az.: 6 T 50/14, u.a. in: ZMR 2015, Seiten 550 f.; AG Bonn, Beschluss vom 10.02.2014, Az.: 204 C 66/14, u.a. in: „juris“).

    Auch bestreitet der Verfügungsbeklagte, dass er dafür verantwortlich sei, dass die Abwasserleitung des Hausaufgangs verstopft war. Unabhängig davon, dass hierdurch wohl eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben von Personen wohl nicht im o.g. Sinne gegeben war, da durch § 940a Abs. 1 ZPO gerade nicht das Eigentum an der Wohnung, sondern der Schutz vor körperlicher Gewalt als geschützte Rechtsgut angeführt wird, hat die Verfügungsklägerin insoweit aber auch nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass der Verfügungsbeklagte für diese Verstopfungen verantwortlich war. Die bloßen Mutmaßungen der Verfügungsklägerin, dass auch insofern nur der Verfügungsbeklagte in Betracht komme, reicht hierfür nämlich auch nicht aus (LG Bonn, Beschluss vom 12.03.2014, Az.: 6 T 50/14, u.a. in: ZMR 2015, Seiten 550 f.; AG Bonn, Beschluss vom 10.02.2014, Az.: 204 C 66/14, u.a. in: „juris“), zumal ein Wohnungsmieter keine Prüfungs- und Überwachungspflicht dahingehend hat, ob und inwieweit eine Verstopfung erkennbar ist (LG Berlin, Urteil vom 07.05.1987, Az.: 61 S 347/85, u.a. in: WuM 1987, Seiten 387 f.) und hier zudem insbesondere auch dritte Personen (wie z.B. die in dem Haus noch arbeitenden Bauarbeiter und/oder widerrechtlich die leer stehenden Wohnungen nutzende Obdachlose oder Jugendliche) hierfür ggf. auch verantwortlich sein können.

    Ist bei einer Verstopfung der Abflussrohre aber zweifelhaft, ob die Verstopfung auf eine unsachgemäße Benutzung durch den Mieter oder z.B. aufgrund einer Rohrkrümmung etc. p.p. zurückzuführen ist, so ist der Mieter bei einer Inanspruchnahme durch den Vermieter nicht mit dem Beweis belastet, dass die Schadensursache nicht in seinem Verantwortungsbereich liegt (LG Kiel, Urteil vom 09.08.1990, Az.: 1 S 136/89, u.a. in: NJW-RR 1991, Seite 400). Dies vorliegend um so mehr, da nach den von der Verfügungsklägerseite selbst eingereichten Fotos die Verstopfung der Abwasserleitung auch in den rechts gelegenen Wohnungen erfolgte, obwohl der Verfügungsbeklagte unstreitig lediglich seine links gelegene Wohnung benutzt hat.

    Aus all´ diesen Gründen ist der hiesige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nunmehr dann auch zurückzuweisen.

    Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits stützt sich auf § 91 ZPO.

    Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6 und § 711 ZPO.

    Zudem ist noch der Streitwert des Verfahrens durch das Gericht hier festzusetzen gewesen. Der Streitwert bemisst sich hier gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1, § 41 Abs. 2 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO in einstweiligen Verfügungsverfahren nach dem Interesse der Verfügungsklägerin an der Sicherung ihres Anspruchs. Zwar ist der Streitwert in der Regel unter demjenigen der Hauptsache zu bemessen, da das maßgebende Interesse der Verfügungsklägerin an der Sicherung grundsätzlich nicht das Befriedungsinteresse erreicht. Ein Abschlag gegenüber dem Hauptsacheverfahren scheidet allerdings dann aus, wenn sich das Interesse am Erlass der einstweiligen Verfügung ausnahmsweise wirtschaftlich mit dem Befriedungsinteresse deckt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.09.2010, Az.: I-24 W 63/10, u.a. in: MDR 2011, Seiten 216 f.; OLG Celle, Beschluss vom 29.09.2009, Az.: 4 W 126/09, u.a. in: AGS 2011, Seiten 141 f.; OLG Koblenz, Beschluss vom 26.01.2009, Az.: 5 W 62/09, u.a. in: MDR 2009, Seite 1075; OLG Köln, Beschluss vom 27.01.1999, Az.: 16 W 3/99, u.a. in: OLG-Report 1999, Seite 336; LG Berlin, Beschluss vom 12.07.2016, Az.: 67 T 102/16, u.a. in: WuM 2016, Seite 571; AG Bremen, Urteil vom 30.04.2015, Az.: 5 C 135/15, u.a. in: WuM 2015, Seiten 562 ff.; Herget, in: Zöller, ZPO-Kommentar, 31. Auflage 2016, § 3 ZPO, Rn. 16, Stichwort: „Einstweilige Verfügung“; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO-Kommentar, 75. Auflage 2017, § 3 ZPO, Rn. 39).

    Dies ist vorliegend aber der Fall. Denn das Interesse am Erlass der begehrten Verfügung deckt sich – ausnahmsweise – mit dem Befriedungsinteresse. Der Antrag der Verfügungsklägerin war ausdrücklich auf eine Herausgabe an sie selbst und nicht an einen Gerichtsvollzieher gerichtet. Im Ergebnis verfolgte die Verfügungsklägerin damit bereits im einstweiligen Rechtsschutz eine für sie über die bloße Sicherung hinausgehende und mithin endgültige Regelung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.09.2010, Az.: I-24 W 63/10, u.a. in: MDR 2011, Seiten 216 f.; OLG Celle, Beschluss vom 29.09.2009, Az.: 4 W 126/09, u.a. in: AGS 2011, Seiten 141 f.; OLG Koblenz, Beschluss vom 26.01.2009, Az.: 5 W 62/09, u.a. in: MDR 2009, Seite 1075; OLG Köln, Beschluss vom 27.01.1999, Az.: 16 W 3/99, u.a. in: OLG-Report 1999, Seite 336; LG Berlin, Beschluss vom 12.07.2016, Az.: 67 T 102/16, u.a. in: WuM 2016, Seite 571; AG Bremen, Urteil vom 30.04.2015, Az.: 5 C 135/15, u.a. in: WuM 2015, Seiten 562 ff.; Herget, in: Zöller, ZPO-Kommentar, 31. Auflage 2016, § 3 ZPO, Rn. 16, Stichwort: „Einstweilige Verfügung“; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO-Kommentar, 75. Auflage 2017, § 3 ZPO, Rn. 39), so dass auch hier der Jahreswert der Grundmiete von 198,96 €/Monat, mithin 2.387,52 Euro (198,96 €/Monat x 12 Monate) als Streitwert des Verfahrens zugrunde zu legen ist.

    Moch-Titze
    Richter am Amtsgericht
     
    Verkündet am 21.04.2017