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  • 14.08.2017 · IWW-Abrufnummer 195823

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 07.10.2016 – I-7 U 143/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor:

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 23.10.2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die durch das Versäumnisurteil vom 20.03.2015 entstandenen Gerichtskosten niedergeschlagen werden.

    Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden der Beklagten auferlegt.

    Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
     
    1

    G r ü n d e :
    2

    I.
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    Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Maklercourtage für die Vermittlung des auf die Dauer von 5 Jahren ab dem 01.12.2014 geschlossenen Mietvertrages vom 10.10.2014 über ein „Loft-Atelier“ in der W S/D in Anspruch.
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    Die Beklagte hatte sich im August 2014 auf eine Internetanzeige des Klägers bei „I“ gemeldet. Sie hat das Mietobjekt zum Betrieb eines Friseursalons nie in Benutzung genommen und erklärte mit anwaltlichem Schreiben vom 19.02.2015 gegenüber den vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung, die sie damit begründete, dass ihr die Tatsache, dass die streitgegenständliche Immobilie über Jahre hinweg als Bordell genutzt worden sei, hätte offenbart werden müssen. Die Beklagte wiederholte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch Schreiben vom 25.08.2015 gegenüber der Vermieterin.
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    Der Kläger hat behauptet, dass die Internetanzeige dem als Anlage K1 überreichten Ausdruck entsprochen habe. Zudem sei dem für die Beklagte handelnden Herrn V das der Anlage K10 entsprechende Exposé übergeben worden und bei Vertragsunterzeichnung am 10.10.2014 über die Berechnung der Provision gesprochen worden. Desweiteren sei ihm bei der ersten Besichtigung mitgeteilt worden, dass in der streitgegenständlichen Immobilie bis vor einem Jahr ein Rotlichtgeschäft betrieben worden sei.
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    Die Beklagte hat behauptet, dass entsprechend der ihr übersandten Bestätigung in der Anzeige nur ein Hinweis auf „Provision“, nicht jedoch auf „Provision für Mieter“ gestanden habe. Der Geschäftsbetrieb des Bordells in der streitgegenständlichen Immobilie sei erst im Juli 2014 aufgegeben worden.
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    Das Landgericht hat die Beklagte durch im schriftlichen Vorverfahren erlassenes Versäumnisurteil verurteilt, an den Kläger 5.902,40 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 480,20 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf den Einspruch der Beklagten hat es das Versäumnisurteil durch das angefochtene Urteil aufrechterhalten.
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    Zur Begründung hat das Erstgericht ausgeführt, dass ein Maklervertrag im Sinne des § 652 BGB zwischen den Parteien zustande gekommen sei.
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    Die Beklagte habe aufgrund der Vermittlungstätigkeit des Klägers mit der Vermieterin einen wirksamen Mietvertrag geschlossen. Dieser sei durch die von der Beklagten erklärte Anfechtung nicht als von Anfang an nichtig anzusehen. Die Beklagte sei durch die nach ihrer Behauptung fehlende Aufklärung über die frühere Nutzung der Gewerbeimmobilie als stadtbekanntes Bordell nicht arglistig getäuscht worden. Es habe keine Aufklärungspflicht bestanden. Von der Beklagten als Gewerbetreibender könne verlangt werden, dass sie sich vor Abschluss eines Mietvertrages über ein Geschäftslokal selbstständig informiere und Erkundigungen über die frühere Nutzung der Immobilie einhole. Zudem hätten sich die gesellschaftlichen Moralvorstellungen geändert und ein die Prostitution betreffendes Unwerturteil bestehe nicht mehr.
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    Der Vergütungsanspruch des Klägers sei auch nicht nach § 654 BGB ausgeschlossen. Er habe seine Pflichten als Makler nicht verletzt, da eine ungefragte Offenbarung der früheren Nutzung der Immobilie als Bordell von der Beklagten nicht habe erwartet werden können.
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    Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin eine Abweisung der Klage erstrebt.
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    Die Beklagte rügt, dass das Landgericht das Versäumnisurteil vom 20.03.2015 nicht hätte erlassen dürfen, weil die Beklagte ihre Verteidigungsbereitschaft rechtzeitig angezeigt habe.
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    Sie wendet sich in Anbetracht der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gegen die Feststellung des Landgerichtes, dass zwischen den Parteien ein Maklervertrag zustandegekommen ist. Sie beanstandet jedoch, dass das Landgericht die mit Schreiben vom 25.08.2015 gegenüber der Vermieterin erklärte Anfechtung nicht für wirksam erachtet hat. Es habe sowohl auf Seiten des Vermieters als auch auf Seiten des Klägers mit Blick auf § 654 BGB eine Offenbarungspflicht bestanden. Es sei erstinstanzlich vorgetragen worden, dass die geschäftsführende Gesellschafterin der Beklagten aus einer vollkommen anderen Branche als den Vergnügungsbetrieben komme, und als Muslimin  zu derartigen Geschäftszweigen keine Berührung habe. Es habe die Gefahr bestanden, dass Kunden im Hinblick auf die vormalige Nutzung des Objektes hätten abgeschreckt werden können. Die Beklagte hätte nicht selbstständig Erkundigungen einziehen müssen. Vielmehr habe insofern eine Aufklärungspflicht des Vermieters, der über einen erheblichen Wissensvorsprung verfügt habe, bestanden. Schließlich gingen auch die Ausführungen des Landgerichts zu den im Hinblick auf die Prostitution gewandelten Moralvorstellungen fehl.
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    Die Beklagte beantragt,
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    das angefochtene Urteil abzuändern und unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts Düsseldorf vom 20.03.2015 die Klage abzuweisen.
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    Der Kläger beantragt,
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    die Berufung zurückzuweisen.
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    Der Kläger verteidigt das zu seinen Gunsten ergangene Urteil des Landgerichts und wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen. Die Berufungsbegründung der Gegenseite enthalte keine erheblichen Rechtsausführungen, die eine Abänderung des angefochtenen Urteils rechtfertigen könnten.
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    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
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    II.
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    Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
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    Zwar rügt die Beklagte mit der Berufung zu Recht, dass die Voraussetzungen nach § 331 Abs. 3 ZPO für den Erlass des Versäumnisurteils vom 20.03.2015 nicht vorgelegen haben, weil die Beklagte innerhalb der ihr vom Landgericht gesetzten Frist ihre Verteidigungsabsicht durch Schriftsatz vom 03.03.2015 angezeigt hatte. Damit ist das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen, was (allerdings nur) zur Folge hat, dass die dadurch veranlassten Gerichtskosten nach § 21 Abs. 1 GKG nicht zu erheben sind.
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    In der Sache hat das Landgericht das Versäumnisurteil zu Recht aufrechterhalten und dem Kläger damit einen (der Höhe nach unstreitigen) Anspruch auf Maklerlohn von 5.902,40 € gemäß § 652 BGB zuerkannt.
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    Da in zweiter Instanz das vom Landgericht festgestellte Bestehen eines Maklervertrages von der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen wird, konzentriert sich der Streit der Parteien auf die Fragen, ob der Kläger angesichts der von der Beklagten erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung einen wirksamen Hauptvertrag vermittelt bzw. durch die angeblich unterlassene Aufklärung über die vormalige Nutzung des Mietobjekts eine nach § 654 BGB zur Verwirkung seines Maklerlohnanspruchs führende Treuepflichtverletzung begangen hat. Beides ist im Ergebnis zu verneinen.
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    Die von der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 25.08.2015 erklärte Anfechtung des Mietvertrages führt nicht dazu, dass dieser gemäß § 142 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist, weil – auch wenn man den Vortrag der Beklagten, ihr sei vor Vertragsschluss nicht gesagt worden, dass in dem Mietobjekt zuvor ein „Rotlichtgeschäft“ betrieben worden ist, zugrundelegt – nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte zur Abgabe ihrer auf den Abschluss des Mietvertrages gerichteten Willenserklärung durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist, § 123 Abs. 1 BGB.
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    Da im vorliegenden Fall eine Täuschung nicht durch positive Vorspiegelung falscher Tatsachen, sondern nur durch Verschweigen in Betracht kommt, wäre erforderlich gewesen, dass hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht bestanden hat. Dies kann jedoch nicht angenommen werden.
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    Grundsätzlich bestehen vor Abschluss eines Mietvertrages, auch bei der Geschäftsraummiete, keine Aufklärungspflichten, denn beiden Vertragspartnern obliegt es selbst, ihre Interessen wahrzunehmen, so dass sie sich eigenständig die notwendigen Informationen für die Entscheidung beschaffen müssen, ob die Eingehung des Vertrages für sie vorteilhaft ist oder nicht. Ausnahmsweise besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW-RR 2009, 1101; NJW 2006, 2618) eine vorvertragliche Aufklärungspflicht hinsichtlich derjenigen Umstände und Rechtsverhältnisse in Bezug auf die Mietsache, die von besonderer Bedeutung für den Entschluss der anderen Vertragspartei zur Eingehung des Vertrages sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann (vgl. Münch in juris PK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 535 Rn. 237). Eine allgemeine Aufklärungspflicht erfordert jedoch in der Regel ein Wissensgefälle, das heißt, dass die aufklärungsbedürftige Partei selbst keine aussichtsreichen Möglichkeiten hat oder aufgrund mangelnder Anhaltspunkte oder Unerfahrenheit keinen Anlass sehen muss, sich über die konkreten Umstände durch Nachfrage Klarheit zu verschaffen. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an, ob den Vermieter – vom Fall der ausdrücklichen Fragestellung des Mieters abgesehen – hinsichtlich der Beschaffenheit und Lage der Mietsache sowie ihrer Einbindung in die Umwelt Aufklärungspflichten über bestimmte Eigenschaften treffen, soweit diese die Verwertbarkeit bzw. Nutzbarkeit der Mietsache beeinträchtigen können, auch wenn sie keinen Mangel begründen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der Mieter Anlass hatte, hinsichtlich der konkreten Umstände beim Vermieter nachzufragen, wenn er nicht selbst aufgrund der örtlichen Gegebenheiten eigene Recherchen hätte anstellen können und müssen. Ungefragt ist ein Vermieter in der Regel nicht verpflichtet, den Mieter über frühere Mieter des Mietobjektes zu informieren (OLG Düsseldorf, OLG Report 2006, 223; Ehlert in Beck‘scher Online-Kommentar BGB, Stand 01.05.2014, § 535 Rn. 199 c m.w.Nachw.).
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    Unter Berücksichtigung vorgenannter Grundsätze ist im vorliegenden Fall folgendes festzustellen:
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    Der bordellartige Betrieb in dem Objekt ist auch nach dem Vortrag der Beklagten seit mindestens einem halben Jahr vor Mietbeginn eingestellt gewesen. Es geht ausschließlich um die Nachwirkungen, die ein früher betriebenes Bordell auf den Friseurbetrieb, den die Beklagte in anderen Räumen des angemieteten Objekts betreiben wollte, hätte haben können und wegen derer eine eventuelle Aufklärungspflicht anzunehmen wäre (vergleiche BGH NJW 1992, 2564 zur früheren Nutzung als Stundenhotel sowie den vom OLG Hamm NJW-RR 2000, 1183 zu einer vorherigen Nutzung eines Wohnhauses als bordellähnlicher Swinger-Club entschiedenen Fall). Insofern stellt die Beklagte allein auf den Ruf des Hauses und nicht etwa auf Beeinträchtigungen durch dort immer noch vorstellig werdende Interessenten an dem Club ab. In Bezug auf das „Ansehen“ des Mietobjektes ist dessen eher unterdurchschnittliche Lage hinter dem D Hauptbahnhof im Stadtteil O zu berücksichtigen. Die Lage spiegelt sich auch im vertraglich vereinbarten Mietzins, der für Gewerberäume mit etwa 10,- € pro Quadratmeter im unteren Segment liegt, wieder. Insofern konnte die Beklagte nicht erwarten, dass die Adresse „W S“ ein besonderes Ansehen ausstrahlen würde.
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    Desweiteren ist, wie auch das Landgericht ausgeführt hat, nicht ersichtlich, warum die Beklagte nicht eigene Nachforschungen im Hinblick auf das Objekt und dessen frühere Nutzung hätte anstellen oder eine ausdrückliche Nachfrage hätte stellen können, wenn ihr dieser Umstand besonders wichtig gewesen ist. Auf subjektive – religiöse – Anschauungen der Geschäftsführerin ist für die Aufklärungsbedürftigkeit einer juristischen Person ohnehin nicht abzustellen.
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    Der somit durch die Vermittlung eines wirksamen Hauptvertrages entstandene Maklerprovisionsanspruch ist auch nicht nach § 654 BGB ausgeschlossen.
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    Wenn schon – wie oben ausgeführt – der  Vertragspartner des vermittelten Vertrages keine Aufklärungspflicht über das von ihm vermietete Objekt hatte, ist der Makler erst recht nicht aufklärungspflichtig gewesen, so dass keine schwerwiegende Treuepflichtverletzung des Klägers festgestellt werden kann.
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    Gegen die Verurteilung zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten und Zinsen werden mit der Berufung keine über die Verneinung des Hauptanspruchs hinausgehenden Berufungsgründe vorgebracht.
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    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 in Verbindung mit § 713 ZPO.
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    Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 543 Abs. 2 ZPO.
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    Streitwert II. Instanz: 5.902,40 €