04.04.2006 · IWW-Abrufnummer 061016
Bundesgerichtshof: Urteil vom 18.01.2006 – VIII ZR 71/05
Die Mietkaution sichert auch noch nicht fällige Ansprüche, die sich aus dem Mietverhältnis und seiner Abwicklung ergeben, und erstreckt sich damit auf Nachforderungen aus einer nach Beendigung des Mietverhältnisses noch vorzunehmenden Abrechnung der vom Mieter zu tragenden Betriebskosten. Deshalb darf der Vermieter einen angemessenen Teil der Mietkaution bis zum Ablauf der ihm zustehenden Abrechnungsfrist einbehalten, wenn eine Nachforderung zu erwarten ist.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 71/05
Verkündet am:
18. Januar 2006
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, die Richter Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Frellesen sowie die Richterin Hermanns
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 64 des Landgerichts Berlin vom 8. Februar 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Amtsgerichts Neukölln vom 15. September 2004 zurückgewiesen hat.
Auf die Berufung der Beklagten wird das vorgenannte Schlussurteil teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird, soweit über sie nicht durch das Teil-Anerkenntnisurteil vom 30. Juni 2004 entschieden worden ist, abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin mietete mit Vertrag vom 1. Oktober 1995 eine Wohnung der Beklagten in B. . Sie leistete eine Barkaution und erbrachte während der Mietzeit die vereinbarten Vorauszahlungen auf die Betriebskosten. Das Mietverhältnis endete zum 30. Juni 2003. Die Beklagten nahmen eine Zwischenablesung vor. Mit Schreiben vom 1. März 2004 rechneten sie die geleistete Kaution nebst Zinsen ab. Einen Teilbetrag in Höhe von 450,-- ¤ hielten sie wegen einer erwarteten Nachforderung aufgrund der für das Vorjahr noch ausstehenden Betriebskostenabrechnung zurück. Mit der am 15. Juni 2004 zugestellten Klage hat die Klägerin Zahlung des einbehaltenen Kautionsbetrages nebst Rechtshängigkeitszinsen verlangt.
Aus der Mitte Juni 2004 erfolgten Abrechnung der Betriebskosten für das Jahr 2003 leiteten die Beklagten eine Nachforderung gegen die Klägerin in Höhe von 263,33 ¤ her. Daraufhin haben die Beklagten in der Klageerwiderung in Höhe dieses Betrages gegen die Klageforderung aufgerechnet und in Höhe des Restbetrages von 186,67 ¤ den Anspruch der Klägerin anerkannt; insoweit hat das Amtsgericht ein Teil-Anerkenntnisurteil erlassen. In seinem Schlussurteil hat das Amtsgericht die Klageforderung als an sich begründet angesehen, hiergegen aber die Aufrechnung mit einem Teilbetrag der Betriebskostennachforderung durchgreifen lassen und insoweit - auf eine einseitig gebliebene Teilerledigungserklärung der Klägerin - die Erledigung der Hauptsache festgestellt. Soweit das Amtsgericht die Aufrechnung nicht für begründet erachtet hat, hat es die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin diesen Restbetrag der Kaution nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit nicht nur aus diesem, sondern auch aus dem anerkannten Betrag zu zahlen; im Übrigen hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Auf die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Aufrechnung der Beklagten in voller Höhe durchgreifen lassen und dementsprechend die Klage auch hinsichtlich des vom Amtsgericht zugesprochenen Betrages nebst Zinsen abgewiesen; im Übrigen hat es das Rechtsmittel der Beklagten zurückgewiesen, soweit es sich gegen die Feststellung der Erledigung und gegen die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen aus dem ausgeurteilten Betrag gerichtet hat. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage auch insoweit, als die Berufung zurückgewiesen worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in GE 2005, 433 veröffentlicht ist, hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
Das Amtsgericht habe zu Recht die Erledigung des Rechtsstreits in Höhe des Betrages festgestellt, hinsichtlich dessen das Amtsgericht die Aufrechnung der Beklagten mit deren Anspruch auf Zahlung des Abrechnungssaldos aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2003 für begründet erachtet habe. Die Klage auf Rückzahlung der einbehaltenen Teilkaution sei insoweit bis zur Aufrechnung zulässig und begründet gewesen. Ein Zurückbehaltungsrecht an der einbehaltenen Restkaution habe den Beklagten vor der Abrechnung der Betriebskosten und der mit ihr verbundenen Aufrechnung nicht zugestanden, weil der Nachforderungsanspruch des Vermieters auf Bezahlung der vom Mieter noch zu tragenden Betriebskosten erst mit Erteilung der Abrechnung fällig werde. Aus diesem Grund seien die Beklagten vom Amtsgericht auch zu Recht zur Zahlung der (von ihnen nicht anerkannten) Zinsen auf den im Anerkenntnisurteil ausgeurteilten Betrag von 186,67 ¤ verurteilt worden.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht - auf die einseitige Erklärung der Klägerin hin - die Erledigung der Hauptsache in Höhe eines Teilbetrags von 187,59 ¤ festgestellt. Die Feststellung der Erledigung wäre nur gerechtfertigt, wenn die Klage auf Rückzahlung der von den Beklagten einbehaltenen Restkaution in Höhe von 450,-- ¤ zunächst begründet gewesen, dann aber durch die Aufrechnung der Beklagten mit ihrer Betriebskostennachforderung unbegründet geworden wäre. Die Klage war jedoch bereits bei Klageerhebung in voller Höhe unbegründet, weil der Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung der Restkaution bis zur Erteilung der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2003, die mit der Klageerwiderung erfolgte, und der damit verbundenen Aufrechnung nicht fällig wär. Denn jedenfalls bis dahin durften die Beklagten die Restkaution einbehalten. Dies folgt aus dem Sicherungszweck der Mietkaution.
a) Der Vermieter ist verpflichtet, eine vom Mieter geleistete Kaution (§ 551 BGB) nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben, sobald er diese zur Sicherung seiner Ansprüche nicht mehr benötigt; diese Verpflichtung beruht, wenn eine entsprechende Vereinbarung im Mietvertrag selbst nicht enthalten ist, auf der ergänzend getroffenen Sicherungsabrede, die der Hingabe der Kaution zugrunde liegt (BGHZ 141, 160, 166).
Fällig wird der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution jedoch nicht bereits im Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses. Vielmehr ist dem Vermieter, wie der Senat entschieden hat, nach Beendigung des Mietvertrages eine angemessene Frist einzuräumen, innerhalb deren er sich zu entscheiden hat, ob und in welcher Weise er die Kaution zur Abdeckung seiner Ansprüche verwenden will; erst danach wird der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution fällig (BGHZ 101, 244, 250). Schon daraus folgt, dass es dem Vermieter jedenfalls bis zum Ablauf der ihm zuzubilligenden Abrechnungsfrist gestattet ist, die Kaution in der Höhe einzubehalten, die zur Sicherung seiner Ansprüche aus dem Mietverhältnis angemessen ist; anderenfalls würde die Mietkaution ihrer Sicherungsfunktion nicht gerecht (vgl. auch BGHZ aaO, 251 zum Fortbestand des Zurückbehaltungsrechts nach Ablauf der Abrechnungsfrist bei Gegenforderungen des Vermieters).
Wie viel Zeit dem Vermieter zuzubilligen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Diese können so beschaffen sein, dass mehr als sechs Monate für den Vermieter erforderlich und dem Mieter zumutbar sind (BGHZ aaO, 250 f.). An dieser Rechtslage hat sich durch das Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts (Mietrechtsreformgesetz) vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149 ff.) nichts geändert. Von einer gesetzlichen Regelung der Rückzahlungsfrist für die Mietkaution ist bewusst abgesehen worden, weil sich nur anhand der Umstände des Einzelfalles beurteilen lässt, welche Frist angemessen ist (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Mietrechtsreformgesetz, BT-Drucks. 14/4553, S. 84, 99 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/5663, S. 77).
b) Zu den Ansprüchen des Vermieters, die durch die Kaution gesichert werden, gehören auch Nachforderungen auf die vom Mieter zu tragenden Betriebskosten. Deshalb darf der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses die Kaution beziehungsweise einen angemessenen Teil davon bei noch ausstehender Nebenkostenabrechnung bis zum Ablauf der ihm zustehenden Abrechnungsfrist einbehalten, wenn eine Nachforderung zu erwarten ist.
aa) Die Mietkaution sichert alle - auch noch nicht fällige - Ansprüche des Vermieters, die sich aus dem Mietverhältnis und seiner Abwicklung ergeben (Senatsurteil vom 8. März 1972 - VIII ZR 183/70, NJW 1972, 721, 722 f. = WM 1972, 776, 779 unter II 4 a) und erstreckt sich wegen dieses umfassenden Sicherungszwecks auch auf Nachforderungen aus einer nach Beendigung des Mietverhältnisses vorzunehmenden Abrechnung der vom Mieter zu tragenden Betriebskosten. Dies entspricht auch der nahezu einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1987, 720; OLG Hamburg, NJW-RR 1988, 651; OLG Düsseldorf, ZMR 2000, 211, 213 f. und NZM 2005, 783 f.; Scheuer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., V B Rdnr. 289; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Teil III Rdnr. 256; a.A. LG Berlin, NZM 1999, 960 f.). Es steht den Parteien, denen eine Sicherung von Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen zu weit geht, frei, für die Kaution einen eingeschränkten Sicherungszweck zu vereinbaren. Eine gesetzliche Einschränkung des Sicherungszwecks einer Mietkaution gilt nur für preisgebundenen Wohnraum (§ 9 Abs. 5 S. 1 WoBindG); um solchen handelt es sich hier nicht.
bb) Dass der Anspruch des Vermieters auf Bezahlung der vom Mieter zu tragenden Betriebskosten erst mit der Erteilung einer - nachprüfbaren - Abrechnung fällig wird (st. Rspr.: BGHZ 113, 188, 194 m.w.Nachw.; Senatsurteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 57/04, NJW 2005, 1499, 1501 unter II 3 c), steht dem Recht des Vermieters, die Kaution bis zu der - in angemessener Frist erteilten - Betriebskostenabrechnung einzubehalten, nicht entgegen. Noch nicht fällige Ansprüche können zwar kein Zurückbehaltungsrecht im Sinne von § 273 BGB begründen. Diese Vorschrift kommt hier indes nicht zur Anwendung, weil der Rückzahlungsanspruch des Mieters seinerseits, wie ausgeführt (unter a), erst nach Ablauf einer angemessenen Überlegungs- und Abrechnungsfrist fällig wird und sich das Recht des Vermieters, die Kaution innerhalb dieser Frist einzubehalten, unmittelbar aus der Kautionsabrede ergibt. Es bedarf insoweit keines Rückgriffs auf das Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB.
cc) Auch die neue Regelung in § 551 Abs. 1 BGB, nach der sich die Höhe der Kaution auf das Dreifache der auf einen Monat entfallenden Miete ohne die als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten beschränkt, gestattet nicht den Schluss, dass Betriebskostennachforderungen vom Sicherungszweck der Kaution ausgenommen wären. Diese Vorschrift bestimmt ebenso wie ihre Vorläuferbestimmung (§ 550 b BGB a.F.) nicht die Reichweite der vertraglichen Sicherungsabrede, sondern bezieht sich nur auf die Berechnung der Höhe der Kaution.
c) Nach alledem waren die Beklagten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts berechtigt, einen angemessenen Teil der Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der ihnen zustehenden Frist für die Erteilung der noch ausstehenden Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2003 einzubehalten. Weder die Dauer des Einbehalts noch dessen Höhe (450,-- ¤) begegnen im Streitfall Bedenken. Auch das Berufungsgericht beanstandet den Einbehalt unter diesen Gesichtspunkten nicht.
Entgegen der Auffassung der Klägerin haben die Beklagten die Abrechnung für das Jahr 2003 in angemessener Frist erteilt. Sie haben die Nebenkosten sechs Monate nach Ablauf der Abrechnungsperiode für das Vorjahr abgerechnet und damit auch die Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB nicht überschritten. Dass den Beklagten eine frühere Abrechnung der Nebenkosten für das Jahr 2003 möglich und zumutbar gewesen wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und ist auch im Übrigen nicht ersichtlich. Der Vermieter hat es im Allgemeinen nicht, wie die Klägerin meint, in der Hand, die Nebenkosten bei einer Beendigung des Mietverhältnisses innerhalb einer laufenden Abrechnungsperiode sogleich abzurechnen. Während der noch laufenden Abrechnungsperiode ist er dazu schon wegen der fehlenden Daten von Versorgungsunternehmen in der Regel nicht in der Lage. Zu einer Teilabrechnung der Nebenkosten ist der Vermieter nicht verpflichtet (§ 556 Abs. 3 S. 4 BGB).
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht auch die Berufung der Beklagten hinsichtlich ihrer Verurteilung zur Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen auf den durch das Teil-Anerkenntnisurteil zugesprochenen Betrag von 186,67 ¤ zurückgewiesen. Auch insoweit ist die Klage unbegründet.
Ein Zinsanspruch der Klägerin aus § 291 BGB hinsichtlich des Teilbetrages der Kaution, zu dessen Rückzahlung die Beklagten, wie sie anerkannt haben, seit der Abrechnung verpflichtet waren, besteht nicht. Wird eine Schuld erst nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit fällig, so ist sie erst von der Fälligkeit an zu verzinsen (§ 291 Satz 1, 2. Halbs. BGB). Im vorliegenden Fall war der Kautionsrückzahlungsanspruch der Klägerin in Höhe des anerkannten Betrages im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit am 15. Juni 2004 nicht fällig (oben unter 1). Er wurde erst fällig mit der Erteilung der Betriebskostenabrechnung in der Klageerwiderung, zugleich aber von den Beklagten erfüllt, so dass ein Anspruch der Klägerin auf Rechtshängigkeitszinsen nicht mehr entstehen konnte. Unstreitig haben die Beklagten den der Klägerin nach der Abrechnung zustehenden Betrag von 186,67 ¤ sofort nicht nur anerkannt, sondern auch an die Klägerin ausbezahlt.
III.
Daher ist das Berufungsurteil insoweit aufzuheben, als die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Klage von Anfang an unbegründet war, ist das angefochtene Schlussurteil des Amtsgerichts auf die Berufung der Beklagten entsprechend abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 91 Abs. 1, § 93 ZPO. Die Beklagten haben keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben, weil der Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Kaution bei Klageerhebung noch nicht fällig war, und sie haben den geltend gemachten Anspruch, sobald er teilweise begründet war, sofort anerkannt.