08.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234107
Verwaltungsgericht Neustadt: Urteil vom 15.12.2022 – 4 K 488/22.NW
1. Hat der Abfallbesitzer dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger Abfälle im Holsystem an einem geeigneten Ort zu überlassen, ist sein Grundstück nur dann ein geeigneter Abholort, wenn es ohne tatsächliche oder rechtliche Hindernisse von einem Sammelfahrzeug erreicht werden kann.
2. Kann ein Grundstück durch ein Sammelfahrzeug nur unter Missachtung einzuhaltender Unfallverhütungsvorschriften, insbesondere durch Rückwärtsfahren angefahren werden, gehört es zur Mitwirkungspflicht eines Abfallbsitzers, den Abfall an einem ohne eine Rückwärtsfahrt erreichbaren Abholort bereitzustellen.
3. Eine Rückwärtsfahrt auf einer Strecke von 50 m ist kein nach den für die Müllbeseitigung geltenden Unfallverhütungsvorschriften zulässiges kurzes Zurücksetzen des Fahrzeugs.
In dem Verwaltungsrechtsstreit
1. *** **** ***** *****, *********** **, ***** ** ******,
2. *** ***** **. ******* *****, *********** **, ***** ** ******,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte zu 1-2: Rechtsanwälte xxx
gegen
den Landkreis Kusel, vertreten durch den Landrat, Trierer Straße 49-51, 66869 Kusel,
- Beklagter -
wegen Abfallbeseitigungsrecht
Richter am Verwaltungsgericht xxx
Richterin xxx
ehrenamtlicher Richter Geschäftsführer xxx
ehrenamtliche Richterin Diplom-Volkswirtin xxx
für Recht erkannt:
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger wenden sich gegen die Festlegung eines Bereitstellungsorts für die Abholung der bei ihnen anfallenden häuslichen Abfälle.
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Die Kläger sind Eigentümer des Wohnanwesens H...-straße ... in O... . Als Hauseigentümer sind sie verpflichtet, die in ihrem Haushalt anfallenden Abfälle getrennt nach Fraktionen an den jeweiligen Abholtagen dem durch den entsorgungspflichtigen Beklagten beauftragten Unternehmen zur Abholung bereitzustellen. Ihr Anwesen liegt in 3. Reihe nördlich zur H...-straße und wird über einen ca. 3 m breiten Zufahrtsweg, der nach 50 m ihr Anwesen erreicht, an die H...-straße angeschlossen. Bis Anfang 2019 erfolgte die Einsammlung des häuslichen Abfalls der Kläger dadurch, dass sie ihre Abfallsammelbehältnisse auf dem Zufahrtsweg an ihrem Grundstück aufstellten, das Sammelunternehmen mit seinen Fahrzeugen mangels Wendemöglichkeit rückwärts in den Zufahrtsweg von der H...-straße einfuhr und die dort bereitgestellten Abfälle einsammelte.
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Anfang 2019 teilte das Sammelunternehmen dem Beklagten mit, dass man nicht mehr bereit sei, das Anwesen der Kläger rückwärts über den Zufahrtsweg anzufahren. Bei einer am 14. Januar 2019 durchgeführten Ortsbesichtigung gelangte der Beklagte zur Überzeugung, dass in dem Zufahrtsweg keine Wendemöglichkeit vorhanden und deswegen eine Anfahrt des klägerischen Anwesens nur durch unzulässiges Rückwärtsfahren möglich sei, weshalb die Abfallbehältnisse vom Grundstück der Kläger bis zur 50 m entfernten Einmündung des Zufahrtswegs in die H...-straße zur Abholung gebracht werden müssten. Dem widersprachen die Kläger.
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Mit streitgegenständlichen Bescheiden vom 11. Februar 2019, zugestellt am 12. Februar 2019, forderte der Beklagte die beiden Kläger jeweils sofort vollziehbar auf, die bei ihnen anfallenden Müllfraktionen, die im Holsystem abgefahren würden, an der H...-straße im Bereich der Zufahrt zu ihrem Anwesen am jeweiligen Abholtag bereitzustellen. Zur Begründung verwies man darauf, dass die Abholung der Abfälle an ihrem Grundstück gegen einzuhaltende Unfallverhütungsvorschriften verstoße, da mangels einer Wendemöglichkeit auf dem Zufahrtsweg die Lastkraftwagen des Sammelunternehmens rund 50 m rückwärts in den Zufahrtsweg zum Anwesen der Kläger einfahren müssten. Daher seien die abzuholenden Abfälle an der H...-straße bereitzustellen.
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Die Kläger legten hiergegen am 20. Februar 2019 Widerspruch ein und stellten am 4. März 2019 auch einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beim Verwaltungsgericht. Diesen Antrag lehnte die erkennende Kammer mit Beschluss vom 30. April 2019 - 4 L 209/19 - mit der Begründung ab, dass der Bescheid offensichtlich rechtmäßig sei, weil eine grundsätzlich gebotene Bereitstellung der Abfälle am Grundstück des überlassungspflichtigen Abfallbesitzers nicht in Betracht komme, wenn diese Abholung tatsächlichen oder rechtlichen Hindernissen begegne. Das sei hier der Fall, weil eine unmittelbare Anfahrt des klägerischen Grundstücks mangels Wendemöglichkeit eine Rückwärtsfahrt auf einer Strecke von 50 m, mithin nicht nur ein kurzes Zurücksetzen erfordere. Dies verstoße aber gegen vom Sammelunternehmen einzuhaltende Unfallverhütungsvorschriften, sodass das Grundstück der Kläger kein geeigneter Ort sei, an dem die Abfälle zur Abholung bereitgestellt werden könnten.
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Die von den Klägern gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. Juli 2019 zurück.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2022 wies der Kreisrechtsausschuss bei der Kreisverwaltung Kusel den Widerspruch im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die gerichtlichen Entscheidungen zurück. Ergänzend hielt man den von den Klägern genannten Vergleichsfällen, in denen auch Grundstücke von dem Müllabfuhrunternehmen rückwärts angefahren würden, entgegen, dass es sich nicht um vergleichbare Situationen handele.
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Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids am 4. Mai 2022 haben die Kläger am 3. Juni 2022 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.
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Sie tragen vor:
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Um ihr Grundstück zu erreichen, sei ein längeres Zurücksetzen auf dem Zufahrtsweg nicht erforderlich. Ein kurzes Zurücksetzen, hier nur um 50 m, sei auch nach den Unfallverhütungsvorschriften zulässig. Im Übrigen bestünde auf dem Nachbargrundstück die Möglichkeit, auf der dortigen Parkplatzfläche zu wenden. Dies stelle auch keine unberechtigte Grundstücksbeeinträchtigung oder -nutzung dar. Schließlich gebe es zahlreiche Vergleichsfälle, in denen das Sammelunternehmern in Stichstraßen rückwärts einfahre, um dort die bereitgestellten Abfälle einzusammeln. Das gelte für zwei Stichstraßen in U... sowie für eine weitere Stichstraße im O... . Insoweit sei der Beklagte seiner nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts bestehenden Pflicht, die Praxis des Müllabfuhrunternehmens darauf zu überprüfen, ob an anderer Stelle in vergleichbarer Situation die Müllabfuhr durch Rückwärtsfahren in Stichstraßen erfolge, nicht nachgekommen.
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Die Kläger beantragen,
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die Bescheide vom 11. Februar 2019 und dem Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2022 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheids und der gerichtlichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts vor:
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Dass die von den Klägern behauptete Wendemöglichkeit auf der Parkplatzfläche des Nachbargrundstücks zur Befahrung mit einem schweren Müllabfuhrfahrzeug geeignet sei, sei nicht erkennbar. Das Müllabfuhrunternehmen befürchte hier nachvollziehbar die Verursachung von Schäden am dort verlegten Pflaster und Schadensersatzforderungen der Nachbarin, die ihr Einverständnis mit der Nutzung der Fläche als Wendemöglichkeit auch nur unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erteilt habe. Mithin bestehe dort keine dauerhaft gesicherte Wendemöglichkeit für die Müllfahrzeuge.
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Die angeführten Vergleichsfälle seien nicht vergleichbar mit der Situation an ihrem Grundstück. Soweit das Sammelunternehmen entschieden habe, an anderen Orten rückwärts Grundstücke anzufahren, betreffe das ganze Straßenzüge, bei denen eine Abfuhr an mehreren Haushalten erfolge. Die Gefahrensituation dort sei nicht mit der vorliegenden in der von hoher Verkehrsdichte geprägten H...-straße, von der rückwärts in den Zufahrtsweg eingebogen werden müsse, vergleichbar.
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Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Bescheide des Beklagten vom 11. Februar 2019 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2022 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Festlegung des Bereitstellungsorts für die Abfallabholung an der H...-straße hat ihre rechtliche Grundlage in § 5 Abs. 1 Satz 1 LKrWG i.V.m. § 14 der Abfallsatzung des Beklagten vom 17. Oktober 2018 - AbfallS -. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 LKrWG regelt der öffentliche Entsorgungsträger durch Satzung u.a., an welchem Ort ihm die Abfälle zu überlassen sind. Dementsprechend hat der Beklagte in § 14 Abs. 1 Satz 1 AbfallS festgeschrieben, dass die von ihm gemäß § 11 Abs. 2 AbfallS im Rahmen des Holsystems zu entsorgenden Abfälle grundsätzlich an dem Grundstück, an dem sie anfallen, durch Entleeren der für die betreffende Abfallart zugelassenen Abfallbehältnisse entsorgt werden, oder, sofern dies erforderlich ist, an einem anderen geeigneten Abholort. Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass privaten Abfallerzeugern keine Tätigkeiten abverlangt werden dürfen, die Bestandteil der öffentlich-rechtlichen Entsorgungspflicht sind. Nicht jeder Transport von Abfällen außerhalb des Grundstücks stellt allerdings bereits ein "Befördern" dar, welches dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger obliegt. Vielmehr bestehen Mitwirkungspflichten der Abfallerzeuger und -besitzer, die auch Bringpflichten einschließen. Die Voraussetzungen dieser erhöhten Mitwirkungspflicht sind unter anderem tatsächliche oder rechtliche Hindernisse der unmittelbaren Anfahrt des Grundstücks durch Abholfahrzeuge des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. dessen Beauftragten, wobei zu den rechtlichen Hindernissen auch straßenverkehrs- und arbeitsschutzrechtliche Vorschriften gehören (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2011 - 7 B 4.11 -, juris). Hierzu gehören u. a. die Vorschriften 43 und 44 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV) - Müllbeseitigung vom 1. Oktober 1979 in der Fassung vom 1. Januar 1997. Die DGUV Vorschriften 43/44 sind gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII zur Verhütung von Arbeitsunfällen erlassen und schreiben zu diesem Zweck den Beschäftigten bestimmte Verhaltensweisen vor. § 16 Nr. 1 DGUV Vorschrift 43 und 44 bestimmt, dass Müll nur abgeholt werden darf, wenn die Zufahrt zu Müllbehälterstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist, wobei ein kurzes Zurückstoßen für den Ladevorgang als solchen von dem Verbot ausgenommen ist. Ergänzend und konkretisierend hierzu normiert die Durchführungsanweisung zu § 16 Nr. 1 der DGUV Vorschrift 43 für Entsorgungsfahrzeuge bei der Abholung von Abfällen, dass in einer Sackgasse die Möglichkeit bestehen muss, am Ende der Straße zu wenden. Den Vorschriften liegt die typisierende Annahme zugrunde, dass Rückwärtsfahrten von Abfallsammelfahrzeugen in erhöhtem Maß gefährlich und unfallträchtig sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Dezember 2018 - 15 A 3232/17 -, juris; VG Köln, Beschluss vom 9. Februar 2022 - 14 L 1955/21 -, juris
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Eine generalisierende Bestimmung der Reichweite dieser Mitwirkungspflicht ist nicht möglich. Vielmehr ist stets die konkrete örtliche Situation unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dafür entscheidend, unter welchen Voraussetzungen, insbesondere bei welcher Entfernung zwischen dem Grundstück und dem Aufstellungsort noch von einem Überlassen ausgegangen werden kann oder bereits ein dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger obliegendes Einsammeln und Befördern anzunehmen ist. Maßgebend ist hierbei insbesondere die Erschließungssituation des betreffenden Grundstücks in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (BVerwG, Beschluss vom 17. März 2011 - 7 B 4/11 -, juris).
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Nach diesen Grundsätzen ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte das Grundstück der Antragsteller H...-straße ... nicht als geeigneten Abholort im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 AbfallS einstuft und deshalb mit sofort vollziehbarer Verfügung vom 11. Februar 2019 einen anderen, nur ca. 50 m entfernten Aufstellungsort für die Abfallbehältnisse festgelegt hat. Es bestehen nämlich Schwierigkeiten bei der Erreichbarkeit des Anwesens mit Entsorgungsfahrzeugen, die zu einer gesteigerten Mitwirkungspflicht der Antragsteller als Abfallerzeuger bzw. Abfallbesitzer führen, weil eine Anfahrt eines Müllabfuhrfahrzeugs zu einem Bereitstellungsort am Grundstück der Kläger nur rückwärts möglich ist und dies gegen die von dem beauftragten Abfuhrunternehmen einzuhaltenden Unfallverhütungsvorschrift § 16 DGUV 43 "Müllbeseitigung" verstößt.
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Insoweit hält die Kammer an den Gründen des Beschlusses vom 30. April 2019 weiter fest, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Ergänzend ist auszuführen:
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1. Insbesondere gibt die dennoch hiergegen von den Klägern weiter aufrechterhaltene Einwendung, eine Rückwärtsfahrt auf einer Strecke von 50 m gehe nicht über ein nach den Unfallverhütungsvorschriften zulässiges kurzes Zurücksetzen hinaus, der Kammer keinen Anlass, ihre insoweit gegenteilige, im Beschluss vom 30. April 2019 begründete und vom Oberverwaltungsgericht bestätigte Auffassung zu revidieren.
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Es handelt sich um kein für einen Wendevorgang oder die Abholung oder Entleerung von Umleerbehältern notwendiges kurzes Zurücksetzen des Fahrzeugs (siehe Nr. 3.8. der DGUV-Regel 114-601 Bl. 28 VA), sondern um eine Fahrt auf einer Strecke von 50 m, die zurückgelegt werden muss, um das Anwesen der Kläger zu erreichen (siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Juli 2019 S. 4 BA: zurücksetzende Absetzkipper wie sich aus § 16 DGUV Nr. 43 ergibt).
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2. Das gilt auch für den Einwand, man könne die gepflasterte Parkplatzfläche vor dem Nachbaranwesen zum Wenden der Müllabfuhrfahrzeuge nutzen. So haben die Kläger weder dargelegt noch ist ersichtlich, dass diese Fläche für eine Aufnahme der Wendemanöver eines derartigen Schwerlastverkehrs geeignet ist, ohne dass hier aus den von dem Beklagten überzeugend darlegten Gründen Schäden gerade durch die besonders belastenden Wendemanöver zu befürchten sind. Ebenso wenig ist erkennbar, dass eine solche Nutzung der Parkfläche rechtlich gesichert ist, wenn die Duldung von der Eigentümerin (Mutter/Schwiegermutter der Kläger) nur unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs erklärt wird, der angesichts des nachvollziehbar doch dargelegten Schadensrisikos für die Parkplatzfläche so naheliegend erscheint, dass ein für die Organisation der Müllabholung verantwortliches Unternehmen sich auf diese Wendemöglichkeit nicht verlassen kann. Davon geht auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seiner Beschwerdeentscheidung vom 25. Juli 2019 aus, ohne dass die Kläger dem substantiiert entgegengetreten sind, indem z.B. eine rechtlich abgesicherte Zulassung der Nutzung der Parkplatzfläche zu solchen Wendemanövern erklärt wurde.
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Das gilt umso mehr, als auch tatsächlich nicht sichergestellt wird, dass immer am jeweiligen Abholtag diese Parkplatzfläche nicht zweckentsprechend als Parkraum für Fahrzeuge, die das Nachbargrundstück anfahren, genutzt wird und so ein Wenden der Müllfahrzeuge dann ausgeschlossen sein dürfte. Eine gesicherte Wendemöglichkeit besteht damit aber für das Sammelunternehmen nicht, das jedoch dafür Sorge zu tragen hat, dass hier nicht im Widerspruch zu den Unfallverhütungsvorschriften rückwärts in dem Zufahrtsweg ein- oder ausgefahren werden muss, weil im Einzelfall doch wieder wegen der Nutzung der Parkplatzfläche für die bestimmungsgemäße Aufnahme von ruhendem Verkehr keine Wendemöglichkeit besteht.
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3. Soweit sich die Kläger auf eine Ungleichbehandlung berufen und Vergleichsfälle anführen, in denen das Müllabfuhrunternehmen auch rückwärts zu den Bereitstellungsorten für Abfälle an Grundstücke heranfahre, greift dies nicht durch. Zwar wurde vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in der Beschwerdeentscheidung vom 25. Juli 2019 nach der zutreffenden Erkenntnis, dass man von einem Abfuhrunternehmen nicht wird verlangen können, entgegen der UV Vorschriften die Abfuhrfahrzeuge einzusetzen, angeregt, "letzten Unklarheiten" (S. 4 BA) im Widerspruchsverfahren nachzugehen, um aufzuklären, warum es gegebenenfalls andernorts zum Rückwärtsfahren komme. Wie aber im Beschluss der erkennenden Kammer vom 30. April 2019 (Bl. 48 Akte des gerichtlichen Eilverfahrens 4 L 209/19) schon erkannt wurde, bleibt es für die relevante Frage, ob hier beim Anwesen der Kläger eine Müllabfuhr durch Rückwärtsfahren ein Verstoß gegen die Unfallverhütungsvorschriften darstellt, ohne Belang, ob das Unternehmen an anderer Stelle auch dagegen verstößt (vgl. auch VG Köln, Beschluss vom 9. Februar 2022 - 14 L 1955/21 -, juris). In keinen Fall darf nämlich der Beklagte vom Unternehmen verlangen, das dadurch verursachte Haftungsrisiko auch hier einzugehen.
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Aus den Vergleichsfällen folgt nämlich - unabhängig von der von Beklagtenseite nachvollziehbar bezweifelten Vergleichbarkeit - bestenfalls zugunsten der Kläger, dass das Müllabfuhrunternehmen die Unfallverhütungsvorschriften dort missachtet: Daraus erwächst aber kein Anspruch der Kläger, dass das Unternehmen in gleicher Weise bei ihrer Grundstückssituation diese Vorschriften zu missachten hat oder der Beklagte dem Unternehmen vorschreiben kann, die Vorgaben des § 16 DGUV Nr. 43 zu missachten und ein Haftungsrisiko einzugehen. Darauf läuft aber die von den Klägern mit der geforderten Aufhebung der Bestimmung des Abholortes für den in ihrem Haushalt anfallenden Abfall letztlich hinaus, weil es dann nämlich bei einer nach den Unfallverhütungsvorschriften nicht hinnehmbaren, unfallträchtigen Rückwärtsanfahrt der Müllfahrzeuge über den nur 3 m breiten Zufahrtsweg zur Abholung ihrer Abfälle an ihrem Grundstück bleiben müsste.
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Insoweit kommt es eben nicht darauf an, ob, inwieweit und aus welchen Gründen das Abfuhrunternehmen tatsächlich Grundstücke zum Zwecke der Müllabfuhr rückwärts anfährt, weil im vorliegendem Fall objektiv aus den o.a. Gründen eine Müllabfuhr durch rückwärtiges Anfahren eines Bereitstellungsortes nicht mit den für das Unternehmen verbindlichen Unfallverhütungsvorschriften zu vereinbaren ist. Die Nichteinhaltung von solchen Vorschriften stellt letztlich ein Haftungsrisiko für das Unternehmen dar. Es obliegt aber dem Ermessen des Unternehmens, inwieweit man sich auf das Haftungsrisiko für Schäden bei dem Abfalltransport (oder auch auf das Risiko arbeitsschutzrechtlicher Sanktionen durch die zuständige Aufsichtsbehörde) einlässt, wenn man sich im Einzelfall gegen die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften entscheidet.
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Erst recht kann aber auch ein Verstoß gegen diese Unfallverhütungsvorschriften nicht eingefordert werden, wenn wie hier ein rückwärts Ein- oder Ausfahren in die als Durchgangsstraße mit höherem Verkehrsaufkommen belastete H...-straße, die hier Ortsdurchfahrt der dem überörtlichen Verkehr dienenden K ... ist, erfolgen muss und dies naturgemäß ein erhöhtes Unfallrisiko und Verkehrsbehinderungspotenzial aufweist. So muss doch gerade in der Abwägung mit der Pflicht des Sammelunternehmens, ein solches Risiko entsprechend den Unfallverhütungsvorschriften nach Möglichkeit zu vermeiden, die den Klägern mit dem angefochtenen Bescheid auferlegte Belastung, ihre Abfallbehältnisse 50 m entfernt von ihrem Grundstück an der Einmündung des Zufahrtswegs in die H...-straße aufstellen zu müssen, als weniger schwerwiegend zurücktreten.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO. Eine Sicherheitsleistung ist nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO nicht erforderlich.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5000,- € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG).