20.01.2009 · IWW-Abrufnummer 090290
Bundesgerichtshof: Urteil vom 20.11.2008 – IX ZR 180/07
Zur Zubehöreigenschaft einer Einbauküche, die der Mieter in seine Wohnung einbringt.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2008
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter,
den Richter Vill,
die Richterin Lohmann und
die Richter Dr. Fischer und Dr. Pape
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 19. September 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um das Eigentum an einer Einbauküche und die Berechtigung der Beklagten, bei ihrem Auszug aus der Wohnung die wesentlichen Teile davon mitzunehmen.
Die Kläger ersteigerten am 13. April 2006 das Grundstück M. straße in V. . Dieses stand zuvor im Eigentum der Tochter der Beklagten zu 1. Zum Zeitpunkt des Zuschlags befand sich in der Wohnung im ersten Obergeschoss des Gebäudes die streitige Einbauküche. Mieter dieser Wohnung waren die Beklagten. Bei ihrem Auszug entfernten sie die Einbauküche mit Ausnahme eines Eckspülelements. Zu diesem Zweck durchsägten sie die Arbeitsplatte auf beiden Seiten der Spüle. Mit der Klage verlangen die Kläger von den Beklagten, die Einbauküche auf ihre Kosten wieder einzubauen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.
Der Räumung der Wohnung war ein Rechtsstreit zwischen den Parteien vorausgegangen, in dem sich die Beklagten gegenüber der Klägerin durch Vergleich vom 28. Juli 2006 unter anderem verpflichteten, "es zu unterlassen, von dem Anwesen M. straße wesentliche Bestandteile und/oder Zubehör des Grundstücks und/oder des Gebäudes zu entfernen".
Die Kläger sind der Meinung, die Einbauküche sei wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, mindestens Zubehör, und deshalb mit dem Zuschlagsbeschluss ihr Eigentum geworden. Mit der Entfernung der Küche hätten die Beklagten zudem gegen ihre Verpflichtung aus dem Vergleich verstoßen. Sie bestreiten, dass die Beklagte zu 1 die Küche gekauft habe. Die Beklagten seien zu diesem Zeitpunkt auch nicht Mieter gewesen. Ein Mietvertrag sei erst später mit der Zwangsverwalterin abgeschlossen worden.
Die Beklagten behaupten, die Beklagte zu 1 habe die Küche erworben, wenn auch der Kauf über das Einkaufskonto ihrer Tochter, der Grundstückseigentümerin, abgewickelt worden sei. Sie habe die Küche als Mieterin in die Wohnung eingebracht. Was ein Mieter zu vorübergehendem Zweck in die Wohnung einbringe, könne weder Zubehör noch wesentlicher Bestandteil geworden sein.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Da die Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten waren, war über die Revision der Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnis der Kläger, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes (vgl. BGHZ 37, 39, 81 ff) .
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Das Berufungsgericht meint, dass die Einbauküche nicht wesentlicher Bestandteil des Gebäudes geworden sei. Sie sei jedoch als Zubehör anzusehen, weil entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht festgestellt werden könne, dass es in dieser Gegend eine Verkehrsanschauung gebe, wonach Einbauküchen nicht als Zubehör angesehen würden. Zwar seien Einbauküchen anderen Orts wieder verwendbar. Die Wiederverwendung bedinge aber in der Regel eine neue Arbeitsplatte und berge die Gefahr, dass nicht mehr alle Teile verwendet werden könnten. Nach den Erfahrungen der Kammer sei es deshalb häufig üblich, dass Einbauküchen beim Verkauf von Häusern oder Eigentumswohnungen mitverkauft würden. Das lasse einen Rückschluss darauf zu, dass der Einbauende von vorneherein nicht damit rechne, eine Einbauküche bei einem Auszug mitzunehmen.
Die Zubehöreigenschaft entfalle auch nicht deshalb, weil die Benutzung der Küche für den Zweck der Wohnung nur vorübergehend habe erfolgen sollen. Das müsse zwar bei einer Mietwohnung in Erwägung gezogen werden, weil der Mieter die Küche in aller Regel wieder mitnehmen wolle. Im vorliegenden Fall sei dies jedoch anders, auch wenn man unterstelle, dass die Küche von der Beklagten zu 1 gekauft worden sei und schon zum Erwerbszeitpunkt ein Mietvertrag über die Wohnung bestanden habe. Denn bei Bezug der Wohnung im Hause der Tochter sei davon auszugehen, dass die vorgestellte zeitliche Nutzungsdauer unbegrenzt sei. Die Tochter habe der Beklagten zu 1 gestattet, den Kauf der Küche über ihr Einkaufskonto abzuwickeln. Die Tochter habe ein Interesse gehabt, dass die Küche auf Dauer eingebaut bleibe. Für die Absicht der Beklagten, die Einbauküche in der Wohnung zu lassen, spreche auch, dass die Eckspüle zurückgelassen worden sei. Da die Küche schon vor acht Jahren eingebaut worden sei, sprächen auch das Nachkaufproblem und das Wertverlustargument dafür, die Küche als dauerhaft eingebaut anzusehen.
Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Kläger können gemäß § 985, § 823 Abs. 1 BGB sowie aus dem abgeschlossenen Vergleich die Herausgabe der Küche und deren Wiedereinbau verlangen, wenn sie im Wege der Zwangsversteigerung Eigentum an ihr erworben hatten. Durch den Zuschlag haben die Kläger gemäß §§ 90, 55 ZVG Eigentum an den wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks und an dem Zubehör erworben. Die Beklagte zu 1 hat ihr Eigentum nicht nach Maßgabe des § 55 Abs. 2, § 37 Nr. 5 ZVG geltend gemacht.
Das Berufungsgericht hat die Eigenschaft der streitigen Einbauküche als wesentlicher Bestandteil des Gebäudes zutreffend abgelehnt. Es hat jedoch die Zubehöreigenschaft zu Unrecht bejaht. Die Feststellung, dass die Einbauküche nicht nur den Bedürfnissen der Beklagten gedient habe, sondern dauerhaft der Wohnung habe dienen sollen, beruht auf Rechtsfehlern.
Gemäß § 97 BGB ist eine bewegliche Sache grundsätzlich dann Zubehör, wenn sie, ohne schon Bestandteil der Hauptsache zu sein, nicht nur vorübergehend deren wirtschaftlichem Zweck zu dienen bestimmt ist und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis steht (BGHZ 165, 261, 263) . Die danach erforderliche Zweckbestimmung erfolgt in der Regel durch schlüssige Handlung, für die die tatsächliche Benutzung der Sache für den wirtschaftlichen Zweck einer anderen Sache ein Indiz sein kann. Dazu genügt nicht, dass die Verbindung nur für einen von vornherein begrenzten Zeitraum oder lediglich zur Befriedigung der Bedürfnisse des derzeitigen Nutzers erfolgt (BGHZ 62, 49, 52 ; BGH, Urt. v. 1. Februar 1990 - IX ZR 110/89, WM 1990, 603, 605).
Für das richterliche Ermessen, was im Einzelfall als Zubehör anzusehen ist, besteht zwar ein weiter Spielraum (BGHZ 165, 261, 265) . Die Beurteilung muss aber widerspruchs- und denkfehlerfrei erfolgen. Hieran fehlt es.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagten die Einbauküche auf Dauer in die Wohnung eingefügt hätten und sie dort hätten belassen wollen. Die getroffenen Feststellungen tragen dieses Ergebnis nicht.
1.
Das Berufungsgericht unterstellt, dass die Küche aus Mitteln der Beklagten zu 1 erworben wurde. Es unterstellt weiterhin, dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein Mietvertrag über die Wohnung bestand.
Hiervon ausgehend nimmt es an, dass die Einbauküche dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache, nämlich der Wohnung, zu dienen bestimmt war. Damit ist zwar die Voraussetzung des § 97 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt. Die Zubehöreigenschaft fehlt jedoch gleichwohl, wenn die Sache im Verkehr nicht als Zubehör angesehen wird, § 97 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Das Amtsgericht hatte für den süddeutschen Raum festgestellt, dass es nicht der Verkehrsauffassung entspreche, Einbauküchen als Zubehör anzusehen. Insbesondere rechne man damit, dass ein Mieter die von ihm angeschaffte Einbauküche wieder mitnehme. Dies entspricht einer verbreiteten Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. etwa OLG Karlsruhe NJW-RR 1986, 19, 20 ; NJW-RR 1988, 459, 460 ; OLG Frankfurt/Main ZMR 1988, 136; OLG Hamm NJW-RR 1989, 333; FamRZ 1998, 1028; OLG Zweibrücken Rpfleger 1993, 169, 170; OLG Koblenz ZMR 1993, 66, 68; OLG Düsseldorf VersR 1995, 559 ).
Das Landgericht ist dem nicht gefolgt. Es hat aber lediglich festgestellt, es sei nach seiner Erfahrung häufig üblich, dass Einbauküchen beim Verkauf von Häusern oder Eigentumswohnungen mitverkauft würden. Das lässt entgegen der Auffassung des Landgerichts jedoch nicht den Schluss zu, dass auch ein Mieter, der eine Einbauküche angeschafft und eingebaut hat, von vornherein nicht damit rechnet, er könne die Einbauküche bei seinem Auszug wieder mitnehmen. Dieser Schluss mag möglich sein, wenn der Eigentümer die Einbauküche eingebaut hat. Für die vom Mieter angeschaffte und eingebaute Küche vermag die genannte Beobachtung des Berufungsgerichts ersichtlich nichts auszusagen. Das Berufungsgericht führt selbst an anderer Stelle aus, dass ein Mieter in aller Regel die Küche beim Auszug wieder mitnehmen wolle, es sei denn, er könne sie an den Nachmieter verkaufen. Es spricht nichts dafür, dass der Eigentümer einer vermieteten Wohnung und die allgemeine Verkehrsanschauung dies anders sehen.
2.
Zutreffend hat das Berufungsgericht gesehen, dass eine Zubehöreigenschaft auch dann nicht vorliegt, wenn die Benutzung der Sache für den wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache nur vorübergehend sein soll, § 97 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Widmung des Einfügenden, seine Zweckbestimmung, entscheidet darüber, ob die Einbauküche Zubehör wird (vgl. BGH, Urt. v. 1. Februar 1990 aaO S. 605).
Richtig nimmt das Berufungsgericht an, dass ein Mieter die Küche in aller Regel beim Auszug wieder mitnehmen will, er also gerade keine Zweckbestimmung trifft, dass die Einbauküche Zubehör werden soll. Da es unterstellt, dass die Beklagte zu 1 die Küche aus eigenen Mitteln erworben hat und Mieterin war, lag der Schluss nahe, dass auch sie die Einbauküche nur zur vorübergehenden Nutzung eingebracht hatte, die Zubehöreigenschaft also nicht begründet wurde. Die vom Berufungsgericht für sein gegenteiliges Ergebnis angeführten Umstände beruhen weder auf ausreichenden tatsächlichen Feststellungen noch sind sie erheblich.
a)
Das Berufungsgericht unterstellt, ohne Feststellungen dazu zu treffen, dass die Nutzung der Wohnung unbegrenzt dauern sollte. Die Beklagten hätten nicht damit rechnen müssen, die Wohnung einmal verlassen zu müssen. Dies ist mit der Unterstellung eines Mietvertrages nicht vereinbar; die Beklagten hatten danach kein gesichertes Wohnrecht. Ihnen konnte wie einem fremden Mieter gekündigt werden. Der Beklagte zu 2 war auch mit der damaligen Eigentümerin des Grundstücks nicht verwandt.
b)
In dem Umstand, dass die Tochter der Beklagten zu 1 gestattet hatte, den Kauf über ihr Einkaufskonto bei einem Versandhaus abzuwickeln, mag eine Hilfe zu sehen sein. Irgendwelche Nachteile waren damit für die Tochter ersichtlich nicht verbunden; dementsprechend durfte sie auch nicht erwarten, die Küche werde bei einem Auszug ihrer Mieter, der Beklagten, eingebaut zurückbleiben.
c)
Nicht nachvollziehbar ist die Annahme des Berufungsgerichts, das Zurücklassen des Eckspülelements spreche für den Willen zur dauerhaften Einfügung der Küche. Auf der Hand liegt vielmehr, dass die Spüle in der neuen Wohnung, zum Beispiel wegen der dortigen räumlichen Gegebenheiten, keine Verwendung finden konnte oder sollte.
d)
Schließlich spricht auch das Wertverlustargument und das Nachkaufproblem nicht für einen auf Dauer angelegten Einbau bei einer acht Jahre alten Küche. Die durchschnittliche Verwendungs- und Lebensdauer einer Einbauküche ist weitaus länger als acht Jahre. Demgemäß hat die Beklagte sie auch mitgenommen. Die damit verbundenen, vom Berufungsgericht vermuteten Probleme haben sie davon ersichtlich nicht abgehalten. Wäre die Küche kaum mehr etwas wert gewesen, wie das Berufungsgericht vermutet, wäre auch das Interesse der Kläger an dem Wiedereinbau nicht nachvollziehbar, das sie mit 5.000 EUR beziffert haben.
Das angefochtene Urteil kann demnach keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht entscheidungsreif, so dass sie an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden muss (§ 563 Abs. 3, Abs. 1 ZPO).
1.
Das Berufungsgericht wird zunächst erneut zu prüfen haben, ob in seiner Region die von einem Mieter eingebrachte Einbauküche von der Verkehrsanschauung nicht als Zubehör anzusehen ist, § 97 Abs. 1 Satz 2 BGB. Darlegungs- und beweispflichtig hierfür sind die Beklagten (BGH, Urt. v. 1. Februar 1990 aaO S. 605; OLG Nürnberg, MDR 2002, 815, 816) . Die Frage kann regional unterschiedlich zu beurteilen sein und die Antwort kann sich im Laufe der Jahre geändert haben (vgl. BGH, Urt. v. 1. Februar 1990 aaO S. 604 f). Sie wird von der Rechtsprechung unter Bezug auf die regionalen Gegebenheiten jedenfalls zum Teil verneint (vgl. die Nachweise unter II 1).
2.
Lässt sich nach der allgemeinen Verkehrsanschauung eine Zubehöreigenschaft nicht verneinen, ist weiter maßgeblich, ob nach der Zweckbestimmung der Beklagten gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 BGB lediglich eine vorübergehende Benutzung der Einbauküche für die Wohnung begründet wurde. Auch hierfür sind die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig.
Da nach den bisherigen Feststellungen und Unterstellungen des Berufungsgerichts eine dauerhafte Zubehöreigenschaft nicht vorläge, wird nunmehr über die Behauptung der Klägerin Beweis zu erheben sein, dass die Küche aus Mitteln der Grundstückseigentümerin beschafft und eingebaut wurde. Für diesen Fall hat das Berufungsgericht die dauerhafte Zubehöreigenschaft in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht. Die Beklagten hätten kein Recht an der Einbauküche. Der Klageanspruch wäre jedenfalls aus § 823 Abs. 1, § 862 BGB begründet.
3.
Kann eine derartige Feststellung nicht getroffen werden, wird die Frage erheblich, ob ein Mietvertrag bestand. Gab es zum Zeitpunkt des Erwerbs und Einbaus der Küche keinen Mietvertrag, war diese aber aus Mitteln der Beklagten zu 1 angeschafft und von ihr eingebaut worden, begründete dies entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allein noch nicht eine dauerhafte Zubehöreigenschaft. Die Vermutung des Berufungsgerichts, dabei würde es sich um eine Gegenleistung für die Wohngelegenheit handeln, die eine Widmung zum dauerhaften Verbleib der Küche in der Wohnung belege, ist reine Spekulation. Die Annahme einer dauerhaften Widmung als Zubehör wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Beklagten das gesicherte Recht und die Absicht gehabt hätten, auf Dauer in der Wohnung zu bleiben (vgl. BGH, Urt. v. 1. Februar 1990 aaO S. 605; OLG Koblenz ZMR 1993, 66, 67).