12.05.2009 · IWW-Abrufnummer 091423
Bundesgerichtshof: Urteil vom 04.03.2009 – VIII ZR 110/08
a) Bauliche Maßnahmen, die der Vermieter aufgrund einer behördlichen Anordnung oder gesetzlichen Verpflichtung durchzuführen hat, fallen nicht unter § 554 Abs. 2 BGB und unterliegen deshalb auch nicht den in § 554 Abs. 3 dem Vermieter auferlegten Mitteilungspflichten. Derartige Maßnahmen muss der Mieter vielmehr nach § 242 BGB dulden.
b) Auch derartige Maßnahmen sind, soweit es sich nicht um Notmaßnahmen handelt, vom Vermieter vorher anzukündigen, so dass sich der Mieter nach Möglichkeit darauf einstellen kann. Der Mieter ist nach Treu und Glauben verpflichtet, an einer baldigen Terminsabstimmung mitzuwirken.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Ball,
die Richter Dr. Wolst und Dr. Frellesen sowie
die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Hessel
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 13. Februar 2008 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Langen vom 24. September 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung im ersten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses in L. . Die Klägerin ist Vermieterin dieser und der weiteren Wohnungen des Hauses, das sie im Auftrag der Eigentümerin verwaltet.
Im April 2005 stellte der Bezirksschornsteinfeger fest, dass die Gaseinzelöfen in den Wohnungen unter und über der Wohnung der Beklagten die Abgasgrenzwerte nicht einhielten. Das Umweltamt des zuständigen Landkreises forderte die Klägerin daraufhin auf, für Abhilfe zu sorgen und eine neue Heizungsanlage einzubauen. Die Klägerin entschloss sich zum Einbau einer Zentralheizung und zum Anschluss aller Wohnungen an die neue Heizungsanlage.
Im Auftrag der Klägerin informierte die Firma H. GmbH die Beklagten mit Schreiben vom 16. November 2005, dass auch ihre noch mit Gaseinzelöfen ausgestattete Wohnung an die bereits eingebaute Zentralheizung angeschlossen werden solle und dass für die Durchführung der dazu erforderlichen Arbeiten der Zeitraum vom 5. bis 9. Dezember 2005 vorgesehen sei. Mit Schreiben vom 22. November 2005 teilten die Beklagten der Klägerin über den örtlichen Mieterbund mit, dass sie in dem angegebenen Zeitraum keinerlei Arbeiten dulden würden. Mit Schreiben vom 2. Juni 2006 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagten und bat diese, der Heizungsfirma am 19. Juni 2006 Zutritt zu ihrer Wohnung zu gewähren, damit diese die Rohre für den Anschluss der über der Wohnung der Beklagten gelegenen Wohnung im zweiten Obergeschoss verlegen könne. Die Kl ägerin wies dabei darauf hin, dass der Gaskachelofen der Wohnung im zweiten Obergeschoss die vom Gesetzgeber vorgegebenen Grenzwerte nicht mehr einhalte und diese Wohnung deshalb an die Zentralheizung angeschlossen werden müsse. Hierzu sei es erforderlich, die Heizungsrohre von der Erdgeschosswohnung durch die Wohnung der Beklagten zu der Wohnung im zweiten Obergeschoss zu führen.
Nachdem die Beklagten die Duldung der Arbeiten weiterhin ablehnten, übersandte die Klägerin schließlich mit Schreiben vom 21. August 2006 einen Grundrissplan, aus dem sich die Lage der vorgesehenen Rohrleitungen ergab, und bat die Beklagten vergeblich, selbst einen ihnen genehmen Termin zur Durchführung der Arbeiten zu benennen.
Zwischenzeitlich hatte der Landkreis der Klägerin einen Bußgeldbescheid für den Fall angedroht, dass nicht unverzüglich der Anschluss der Wohnungen im Erdgeschoss und im zweiten Obergeschoss an die Zentralheizung und die Stilllegung der dort noch vorhandenen, die Abgaswerte nicht einhaltenden Gaseinzelöfen erfolge.
Das Amtsgericht hat der auf Duldung des Einbaus der Steigleitungen gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagten in der Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten waren. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.) .
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Beklagten seien gegenwärtig nicht zur Duldung der von der Klägerin begehrten Baumaßnahmen in ihrer Wohnung verpflichtet, weil die Klägerin die Arbeiten nicht gemäß § 554 BGB ordnungsgemäß angekündigt habe. § 554 BGB sei auch auf Maßnahmen anzuwenden, die nur in anderen Wohnungen in demselben Gebäude zu einer Verbesserung führten. Auch die Durchlegung von Steigleitungen zur Modernisierung einer anderen Wohnung müsse wie eine Modernisierungsankündigung in der betroffenen Mietwohnung selbst angekündigt werden. Eine Differenzierung der Anforderungen an die Ankündigungspflicht danach, ob die Arbeiten zu einer Verbesserung nur der Nachbarwohnung oder auch der durch die Bauarbeiten beeinträchtigten Wohnung des Mieters führe, sei nicht sachgerecht. Der Mieter sei nicht deswegen weniger schutzbedürftig oder sein Informationsinteresse nicht deswegen geringer, weil die von ihm innegehaltene Wohnung nicht verbessert werde; dadurch werde lediglich die Mitteilung der zu erwartenden Mieterhöhung entbehrlich.
Voraussetzung für die Duldungspflicht des Mieters gemäß § 554 Abs. 2 BGB sei gemäß § 554 Abs. 3 BGB eine formell ordnungsgemäße Ankündigung der Baumaßnahme, welche spätestens drei Monate vor deren Beginn zu erfolgen habe und den Mieter über Art, Beginn, voraussichtlichen Umfang und Dauer der Baumaßnahmen sowie gegebenenfalls über die voraussichtliche Höhe einer etwaigen Mieterhöhung informieren müsse. Eine ungefähre stichwortartige Beschreibung der Arbeiten werde dem Informationsbedürfnis des Mieters regelmäßig nicht gerecht. Das Schreiben müsse detaillierte Angaben dazu enthalten, in welchem Zimmer an welcher Stelle Wanddurchbrüche für die zu verlegenden Rohre und Leitungen vorgenommen werden sollen. Die geplanten Maßnahmen, ihre Bedeutung und Auswirkungen müssten so konkret beschrieben werden, dass der Mieter seine Duldungspflicht überprüfen und sich hinreichend genaue Vorstellungen über seine neue Wohnsituation während der Maßnahmen machen könne, um sein Verhalten darauf einzustellen. Er müsse insbesondere in den Stand versetzt werden, seine Entscheidung über ein Festhalten am Vertrag zu treffen oder seine Zeiten der Abwesenheit an den Arbeiten orientieren zu können.
Diesen Anforderungen genügten die von der Klägerin übersandten Schreiben nicht. Das Schreiben vom 16. November 2005 habe noch den Anschluss der Wohnung des Beklagten an die Heizungsanlage umfasst, aber keine Angaben zur Mieterhöhung für diese Modernisierung der Wohnung der Beklagten enthalten. Bei dem Schreiben vom 2. Juni 2006 hätten die detaillierten Angaben der geplanten Wanddurchbrüche für die zu verlegenden Rohre und zu der voraussichtlichen Dauer der Arbeiten gefehlt, außerdem sei die Drei-Monats-Frist nicht eingehalten. Mit Schreiben vom 21. August 2006 habe die Klägerin zwar einen Grundriss übersandt, aus dem die Lage der Wanddurchbrüche ersichtlich gewesen sei, der vorgesehene Beginn der Arbeiten sei aber nicht mitgeteilt worden. Diese Mitteilung habe auch nicht durch die Aufforderung der Verwalterin ersetzt werden können, die Beklagten möchten einen ihnen genehmen Termin selbst bestimmen. Denn die Baumaßnahme betreffe noch zwei weitere Wohnungen, deren Mieter zu beteiligen seien. Eine Terminsbestimmung seitens der Beklagten sei sinnlos, solange keine ordnungsgemäße Ankündigung der Modernisierungsmaßnahmen gegenüber den anderen betroffenen Mietern stattgefunden habe.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beklagten sind verpflichtet, den Einbau der Heizungsrohre (Steigleitungen) zwecks Anschluss der Wohnungen im Erdgeschoss und im zweiten Obergeschoss an die bereits vorhandene Zentralheizung zu dulden. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass es einer Ankündigung dieser Baumaßnahmen gemäß § 554 Abs. 3 BGB bedürfe, und die den Beklagten erteilten Informationen diese Anforderungen nicht erfüllten, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
1.
Das Berufungsgericht hat, wie die Revision mit Recht rügt, verkannt, dass bauliche Maßnahmen, die der Vermieter aufgrund einer behördlichen Anordnung oder gesetzlichen Verpflichtung durchzuführen hat, nicht unter § 554 Abs. 2 BGB fallen und deshalb auch nicht den in § 554 Abs. 3 BGB dem Vermieter auferlegten Mitteilungspflichten unterliegen. Sie sind vielmehr - soweit es sich nicht schon um ohnehin gemäß § 554 Abs. 1 BGB hinzunehmende Erhaltungsmaßnahmen handelt - vom Mieter gemäß § 242 BGB zu dulden (MünchKommBGB/Bieber, 5. Aufl., § 554 Rdnr. 6; Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 554 Rdnr. 2; Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 554 Rdnr. 1; Sternel, NZM 2001, 1058, 1060).
Bei der Einführung des § 554 BGB im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes ist davon abgesehen worden, in Abs. 3 der Vorschrift entsprechend der Regelung in § 3 MHG (bzw. jetzt § 559 Abs. 1 BGB) auch Maßnahmen "aufgrund von Umständen, die der Vermieter nicht zu vertreten hat", aufzunehmen; die mit einer derartigen Regelung verbundene Konsequenz, dass der Mieter bei Vorliegen von Härtegründen der Durchführung solcher Maßnahmen widersprechen könnte, obwohl der Vermieter nach öffentlichrechtlichen Vorschriften dazu verpflichtet ist, erschien dem Gesetzgeber nicht sachgerecht (vgl. BT-Drs. 14/4553, S. 49).
2.
Um derartige bauliche Maßnahmen, zu deren Durchführung die Klägerin öffentlichrechtlich verpflichtet ist, geht es hier. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die auch die Beklagten nicht in Zweifel ziehen, hat der Landkreis als zuständige Umweltbehörde der Klägerin unter Androhung eines Bußgeldes aufgegeben, die Wohnungen im Erdgeschoss und im zweiten Obergeschoss an die vorhandene Zentralheizung anzuschließen. Dass zu diesem Zweck die Heizungsrohre durch die zwischen diesen beiden Wohnungen liegende Wohnung der Beklagten geführt werden müssen und deshalb in der Wohnung der Beklagten entsprechende Bauarbeiten durchzuführen sind, liegt auf der Hand. Die Durchführung dieser Arbeiten müssen die Beklagten daher jedenfalls gemäß § 242 BGB grundsätzlich dulden.
3.
Aus dieser grundsätzlichen Duldungspflicht der Beklagten folgt allerdings noch nicht, dass die Bauarbeiten ohne jede Rücksichtnahme auf die Belange der Beklagten durchgeführt werden könnten. Auch bei einer sich aus § 554 Abs. 1 BGB oder § 242 BGB ergebenden Duldungspflicht sind die beabsichtigten Maßnahmen, soweit es sich nicht um Notmaßnahmen (Wasserrohrbruch u. ä.) handelt, vom Vermieter vorher anzukündigen, so dass sich der Mieter nach Möglichkeit darauf einstellen kann. Die Anforderungen an die Ankündigung des Vermieters richten sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls, der Dringlichkeit und dem Umfang der Maßnahme; der Mieter seinerseits ist nach Treu und Glauben verpflichtet, an einer baldigen Terminsabstimmung mitzuwirken, damit die erforderlichen baulichen Maßnahmen zeitnah durchgeführt werden können. Hier hat die Klägerin im August 2006 die Maßnahmen durch die Übersendung eines Grundrisses, aus dem sich die Position der einzubauenden Steigleitungen ergibt, genau bezeichnet und den Beklagten die Möglichkeit eingeräumt, selbst einen Termin für die Durchführung der Bauarbeiten zu benennen. Bis zur Erhebung der Duldungsklage hat sie fast ein Jahr zugewartet, ohne dass die Beklagten einen Termin für die Durchführung der Arbeiten benannt oder auch nur ihre Bereitschaft bekundet hätten, an einer Terminsabsprache mit den weiteren betroffenen Wohnungsmietern mitzuwirken. Damit hat die Klägerin alles ihr Mögliche getan, um die Belange der Beklagten zu wahren.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts ist zurückzuweisen.