13.09.2011 · IWW-Abrufnummer 113066
BGH: Beschluss vom 07.07.2011 – V ZB 9/11
Die Erinnerung des Untermieters oder Unterpächters eines Mieters oder Pächters des Schuldners gegen die Anordnung der Zwangsverwaltung ist unzulässig, weil das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 7. Juli 2011
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,
die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und
die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 7. Januar 2011 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 511.291,88 € für die Vertretung der Gläubigerin und 4.000 € für die Vertretung der Beteiligten zu 1.
Gründe
I.
1
Mit Beschluss vom 3. August 2004 ordnete das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - auf Antrag der Beteiligten zu 2 die Zwangsverwaltung der eingangs genannten Grundstücke des Beteiligten zu 3 an. Der Zwangsverwalter verklagte die Beteiligte zu 1 auf Herausgabe von Gewerberäumen auf den Grundstücken, die diese von einer Mieterin des Beteiligten zu 3, der Firma H. GmbH & Co. KG, gemietet haben will.
2
Die Beteiligte zu 1 hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14. Juli 2009 beantragt, die Zwangsverwaltung wegen eines Mangels der Zustellung des Vollstreckungstitels aufzuheben. Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat diesen Antrag als Erinnerung nach § 766 ZPO gewertet und diese zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu 1 weiterhin die Aufhebung der Zwangsverwaltung erreichen. Die Gläubigerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
II.
3
Das Beschwerdegericht hält die sofortige Beschwerde für unbegründet. Die Erinnerung sei schon nicht zulässig. Ob ein Untermieter Beteiligter eines Zwangsverwaltungsverfahrens sei, werde unterschiedlich beurteilt. Die besseren Argumente sprächen dafür, das zu verneinen. Eine Beteiligung des Untermieters an dem Zwangsverwaltungsverfahren sei nicht gerechtfertigt, weil ihn nichts mit dem Schuldner verbinde.
III.
4
Diese Überlegung hält im Ergebnis einer rechtlichen Prüfung stand. Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 ist unbegründet.
5
1.
Ob ein Untermieter oder Unterpächter des Schuldners nach § 9 Nr. 2 ZVG Beteiligter eines Zwangsverwaltungsverfahrens ist, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird die Frage bejaht (Böttcher, ZVG, 5. Aufl., § 9 Rn. 15; Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 9 Anm. 2.10; Hintzen in Hintzen/Wolf, Handbuch zu Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, Rn. 11.68; Storz/Kiderlen, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 11. Aufl., Anm. B 1.3.1). Zur Begründung wird auf die Notwendigkeit eines Schutzes des Untermieters vor einem böswilligen oder saumseligen Hauptmieter verwiesen (Burchard, ZZP 32 [1904], 89, 129 f.). Teilweise wird die Frage verneint (Rellermeyer in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 9 Rn. 20; Jaeckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., § 9 Anm. 8 aE; Steiner/Hagemann, ZVG, 9. Aufl., § 9 Rn. 87). Die Beteiligtenstellung sei dem Mieter oder Pächter mit § 9 Nr. 2 ZVG nur eingeräumt worden, um ihm die Möglichkeit zu verschaffen, in der Zwangsversteigerung für ihn günstigere Bedingungen zu erreichen (vgl. Begründung der Vorschrift in der Denkschrift zum ZVG bei Hahn, Die gesammten [sic] Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 5, 1897, S. 36 f. = Verhandlungen des Reichstags, 9. Legislaturperiode, IV. Session 1895/1897, Anlageband 5, Aktenstück 607 S. 2839). Der Untermieter oder Unterpächter stehe dagegen in keiner rechtlichen Beziehung zum Schuldner.
6
Diese Frage muss hier nicht entschieden werden.
7
2.
Die Erinnerung des Untermieters oder Unterpächters eines Mieters oder Pächters des Schuldners gegen die Anordnung der Zwangsverwaltung ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil ihr das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt.
8
a)
Die Rechtsstellung des Untermieters oder Unterpächters wird durch die Anordnung oder Nichtanordnung der Zwangsverwaltung unmittelbar nicht berührt. Die Anordnung der Zwangsverwaltung führt nach § 152 ZVG dazu, dass der Zwangsverwalter anstelle des Schuldners dessen Rechte als Vermieter oder Verpächter bestehender Miet- und Pachtverträge wahrzunehmen und dessen Pflichten gegenüber Mietern oder Pächtern zu erfüllen hat. Das mag für diese eine Beeinträchtigung sein, weil der Zwangsverwalter, anders als ein "normaler" Vermieter oder Verpächter, verpflichtet ist, den größtmöglichen Ertrag aus dem Grundstück "herauszuholen" (so OLG Düsseldorf, ZfIR 1999, 324, 325). Für Untermieter oder Unterpächter dieser Mieter oder Pächter trifft das aber nicht zu. Für sie ändert sich durch die Anordnung der Zwangsverwaltung nichts. Ihr Vertragspartner bleibt der Mieter oder Pächter des Schuldners. Die von Burchard beklagte Gefährdung von Rechten des Untermieters (ZZP 32 [1904], 89, 129) könnte auch nur im Zwangsversteigerungs-, nicht jedoch im Zwangsverwaltungsverfahren eintreten, um das es hier geht.
9
b)
Ein Rechtsschutzinteresse des Untermieters oder Unterpächters an einer Erinnerung gegen die Anordnung der Zwangsverwaltung für das gemietete Grundstück ergibt sich auch nicht aus einer mittelbaren Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung. Diese ist zwar von dem Bestand des Hauptmiet- oder -pachtverhältnisses abhängig. Das ist aber keine Folge der Anordnung oder Nichtanordnung der Zwangsverwaltung, sondern eine Schwäche, die einer Untermiete oder Unterpacht stets und unabhängig von einer Zwangsverwaltung anhaftet, weil sie nur eine abgeleitete Rechtsstellung vermitteln. Diese verändert sich durch die Zwangsverwaltung nicht, weil der Zwangsverwalter nach § 152 ZVG dem Hauptmieter oder -pächter gegenüber nur die Rechte geltend machen kann, die dem Schuldner gegen diesen zustehen. Mit deren Geltendmachung muss ein Untermieter oder Unterpächter auch rechnen, wenn der Vermieter des Hauptmieters ein "normaler" Vermieter ist.
10
c)
Nichts anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1 daraus, dass die Erträge aus einem Untermiet- oder Unterpachtvertrag auf Grund der Anordnung der Zwangsverwaltung beschlagnahmt und von dem Zwangsverwalter einzuziehen sein können.
11
aa)
Das ist nur bei einer hier nicht gegebenen Sondersituation der Fall. Erträge aus einem Untermiet- oder Unterpachtverhältnis werden von der Beschlagnahme nach § 17 ZVG regelmäßig nicht erfasst. Sie stehen vielmehr dem Mieter oder Pächter, nicht dem Eigentümer zu (Senat, Urteil vom 4. Februar 2005 - V ZR 294/03, WM 2005, 610, 612). Anders ist es, wenn die Mieten oder Pachten dem Hauptmieter (-pächter) nur der Form nach zugeordnet werden, wirtschaftlich hingegen dem Eigentümer zustehen. Dann wären die auf den Hauptmieter oder -pächter nur verlagerten Mieten oder Pachten von der Beschlagnahme erfasst. Als Folge dessen unterlägen sie auch dem Zugriff des Zwangsverwalters, der sie einziehen könnte und müsste. Eine solche Verlagerung von Mieten hat der Senat zwar in dem Fall angenommen, dass der Hauptpachtvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig war, weil er dazu diente, die Mieten oder Pachten planmäßig und mit eingeweihten Helfern dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen (Senat, Urteil vom 4. Februar 2005 - V ZR 294/03, WM 2005, 610, 611). Eine derartige Verlagerung von Mieteinnahmen macht die Beteiligte zu 1 hier aber nicht geltend.
12
bb)
Ob ein solcher Sonderfall vorliegt, wäre auch nicht im Verfahren über eine Erinnerung gegen die Anordnung der Zwangsverwaltung zu prüfen. Das Erinnerungsverfahren dient der Überprüfung der formellen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, aber nicht dazu, die ausnahmsweise Einbeziehung an sich von der Zwangsverwaltung nicht Betroffener festzustellen. Diese Feststellung könnte zudem nicht mit den in dem streng formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren zur Verfügung stehenden begrenzten Mitteln, sondern, wie in den vergleichbaren Fällen der §§ 767, 768 und 771 ZPO, nur in einem Verfahren vor dem Prozessgericht getroffen werden. Das ist gewöhnlich der Einziehungsprozess, den der Zwangsverwalter gegen den Untermieter führen muss, wenn er meint, der Schuldner habe in Wirklichkeit ihm zustehende Mieteinnahmen auf einen Untermieter verlagert. Die - in solchen Fällen meist zumindest zweifelhafte - Wirksamkeit des eigenen Mietvertrags des Hauptmieters kann aber auch in einem Rechtsstreit über die Herausgabe des beschlagnahmten Grundstücks geklärt werden, wie ihn der Zwangsverwalter hier gegen die Beteiligte zu 1 eingeleitet hat. Denn das Besitzrecht des Untermieters (hier der Beteiligten zu 1) gegenüber dem Eigentümer (bzw. seinem Insolvenzverwalter) aus dem Untermietvertrag besteht nur, wenn auch der Hauptmietvertrag Bestand hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2007 - II ZR 233/05, NJW 2007, 2913, 2915 Rn. 18).
IV.
13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Diese Vorschrift ist hier anzuwenden. Bei dem Streit um die Anordnung der Zwangsverwaltung stehen sich die Beteiligten ähnlich wie in einem kontradiktorischen Verfahren gegenüber (Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381). Daran ändert es nichts, dass dieser Streit erst nach mehrjähriger Dauer des Verfahrens entsteht.
Krüger
Lemke
Schmidt-Räntsch
Brückner
Weinland