17.07.2012 · IWW-Abrufnummer 122173
Bundesgerichtshof: Urteil vom 20.06.2012 – VIII ZR 110/11
Ob eine vom Vermieter beabsichtigte Modernisierungsmaßnahme eine Verbesserung der Mietsache darstellt, ist grundsätzlich nach dem gegenwärtigen Zustand der Wohnung einschließlich der vom Mieter vorgenommenen Verbesserungsmaßnahmen zu beurteilen; unberücksichtigt bleiben lediglich etwaige vom (gegenwärtigen) Mieter vertragswidrig vorgenommene bauliche Veränderungen.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Milger, den Richter Dr. Schneider, die Richterin Dr. Fetzer und den Richter Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin vom 11. März 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Beklagten sind seit dem Jahre 1996 Mieter einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Die Wohnung verfügt über eine von der Vormieterin mit Zustimmung des früheren Vermieters und Rechtsvorgängers der Klägerin eingebaute Gasetagenheizung, für die die Beklagten der Vormieterin eine Ablösesumme gezahlt haben. Zuvor war die Wohnung mit Kohleöfen beheizt worden.
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Mit Schreiben vom 21. Mai 2008 kündigte die Klägerin den Beklagten an, deren Wohnung durch eine Modernisierungsmaßnahme gemäß § 554 Abs. 2 BGB zum Zwecke der Energieeinsparung und der Wohnwerterhöhung an die im Haus vorhandene Gaszentralheizung anschließen zu wollen. Die hierdurch entstehenden Kosten bezifferte die Klägerin mit 2.145 €, die von den Beklagten insoweit zu tragende monatliche Umlage mit 19,66 € und den nach Anschluss an die Gaszentralheizung neu zu zahlenden Heizkostenvorschuss mit 113,52 € pro Monat. Die Beklagten stimmten der Maßnahme nicht zu.
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Die Klägerin hat daraufhin mit der vorliegenden Klage die Verurteilung der Beklagten zur Duldung des Anschlusses an die Gaszentralheizung begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
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Die Klägerin habe gegen die Beklagten einen Anspruch gemäß § 554 Abs. 1 BGB (gemeint: § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB) auf Duldung des Anschlusses der von ihnen innegehaltenen Wohnung an die Gaszentralheizung, da es sich hierbei um eine Modernisierungsmaßnahme handele. Modernisierungsmaßnahmen seien bauliche Veränderungen der Mietsache, die deren Gebrauchswert erhöhten und eine bessere Nutzung gegenüber dem vom Vermieter zur Verfügung gestellten Zustand ermöglichten. Dies sei vorliegend der Fall, da der vom Vermieter zur Verfügung gestellte Zustand derjenige ohne Sammelheizung, mithin die Ausstattung mit Kohleöfen sei. Demgegenüber stelle der Anschluss an die Gaszentralheizung eine Modernisierungsmaßnahme dar.
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Maßgebend für die Beurteilung einer Verbesserung des Gebrauchswerts sei grundsätzlich der vom Vermieter zur Verfügung gestellte, nicht der vom Mieter, sei es auch mit Genehmigung des Vermieters, geschaffene Zustand. Vertragsgemäß sei vorliegend die Ausstattung mit einer Ofenheizung. Hierfür spreche schon die Regelung in § 3 der Anlage I des Mietvertrags, wonach der Mieter die Überprüfung und Wartung der Öfen und/oder Gasgeräte regelmäßig auf seine Kosten vornehmen solle. Darüber hinaus hätten die Beklagten selbst eine Quittung der Vormieterin vorgelegt, nach deren Inhalt sie die Gasetagenheizung von dieser direkt gegen Zahlung einer Abstandssumme übernommen hätten. Die Gasetagenheizung sei daher nicht vom Vermieter gestellt worden.
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Die dar über hinaus vorgebrachten Einwendungen der Beklagten griffen nicht durch. Insbesondere lägen keine sozialen Härtegründe vor, denn die Beklagten wendeten lediglich ein, sie müssten nun erhöhte Vorschüsse zahlen. Dass dies im Verhältnis zu ihrem Einkommen oder zu den bisher getätigten Aufwendungen auf die Heizung eine Härte darstelle, hätten sie nicht dargelegt.
II.
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Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Duldung des Anschlusses der Wohnung an die im Haus vorhandene Gaszentralheizung nicht bejaht werden.
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1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht den von der Klägerin auf der Grundlage der von der Revision nicht beanstandeten Modernisierungsankündigung geltend gemachten Duldungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer Modernisierungsmaßnahme gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB geprüft. Das Berufungsgericht hat jedoch bei der Beurteilung, ob mit der angekündigten Modernisierungsmaßnahme eine - von ihm alleine in den Blick genommene - Wohnwertverbesserung gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB verbunden ist, rechtsfehlerhaft den von der Klägerin erstrebten Anschluss der Wohnung an die im Haus vorhandene Gaszentralheizung mit einer vor Beginn des streitgegenständlichen Mietverhältnisses gegebenen Ausstattung der Wohnung mit Kohleöfen verglichen.
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a) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur wird allerdings überwiegend die Auffassung vertreten, dass das Vorliegen einer Modernisierungsmaßnahme gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB nach der beabsichtigten Veränderung des vom Vermieter geschuldeten Zustandes zu beurteilen sei. Maßgeblich hierfür sei allein der vom Vermieter zur Verfügung gestellte Zustand, so dass Verbesserungsmaßnahmen des Mieters auch dann außer Betracht zu bleiben hätten, wenn sie mit Zustimmung des Vermieters erfolgt seien (so etwa LG Berlin, GE 2011, 57 f.; GE 2010, 1273; Urteil vom 4. Dezember 2007 - 63 S 130/07, [...] Rn. 5; GE 2004, 236; jeweils zu § 554 BGB; LG Berlin, NZM 1999, 1036; GE 1998, 616; LG Hamburg, ZMR 1984, 60; jeweils zur Vorgängerregelung in § 541b BGB aF; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2011, § 554 Rn. 23; Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 10. Aufl., § 554 Rn. 11; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 6. Aufl., § 554 BGB Rn. 55; Schmid, Mietrecht, 2006, § 554 Rn. 20; Sternel, Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., Rn. IV 326 f.; ders. in Huff, Neues Mietrecht, 2001, S. 89, 102 f.; Erman/Lützenkirchen, BGB, 13. Aufl., § 554 Rn. 24; jurisPK-BGB/Heilmann, 5. Aufl., § 554 Rn. 9).
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Nach anderer Ansicht ist hingegen bei der Beurteilung der Frage, ob es sich bei der vom Vermieter geplanten Maßnahme um eine Modernisierung handelt, auf den gegenwärtigen Zustand der Wohnung einschließlich der vom Mieter vorgenommenen Verbesserungsmaßnahmen abzustellen (AG Hamburg, WuM 1993, 41, 42; so wohl auch LG Berlin, MM 2003, 193 [vgl. hierzu KG, WuM 2008, 597]; AG Münster, WuM 1996, 268 f.; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 554 Rn. 41).
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b) Der Senat hat die vorstehend genannte Frage bisher nicht entschieden. Er hat sie im Senatsurteil vom 24. September 2008 (VIII ZR 275/07, NJW 2008, 3630 Rn. 33 f.) mangels Entscheidungserheblichkeit offen lassen können. Er entscheidet sie nunmehr im Sinne der letztgenannten Auffassung. Bei der Frage, ob die vom Vermieter beabsichtigte Maßnahme eine Verbesserung der Mietsache darstellt, ist grundsätzlich auf den gegenwärtigen Zustand der Wohnung abzustellen; unberücksichtigt bleiben lediglich etwaige vom (gegenw ärtigen) Mieter vertragswidrig vorgenommene bauliche Veränderungen.
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aa) Der Verpflichtung des Mieters, Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters zu dulden, liegt die Zielsetzung des Gesetzgebers zugrunde, volkswirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Modernisierungsmaßnahmen und damit zugleich die Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse zu fördern (vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 2 und 36; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 10. Aufl., § 554 BGB Rn. 5); zudem soll der Vermieter in die Lage versetzt werden, den objektiven Gebrauchs- und Substanzwert der Räume oder Gebäudeteile im Interesse einer besseren Vermietbarkeit zu erhöhen (vgl. Senatsurteile vom 13. Februar 2008 - VIII ZR 105/07, NJW 2008, 1218 Rn. 21; vom 28. September 2011 - VIII ZR 326/10, NJW 2011, 3514 Rn. 23; jeweils mwN; Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 554 Rn. 1). Unter Berücksichtigung dieser Zwecke ist es nicht gerechtfertigt, bei der Frage, ob eine vom Vermieter beabsichtigte Maßnahme zu einer Verbesserung der Mietsache führt, auf einen fiktiven Zustand unter Außerachtlassung genehmigter Mieterinvestitionen abzustellen. Vielmehr verhielte sich der Vermieter widersprüchlich, wenn er einerseits dem Mieter erlaubte, die Mietsache auf eigene Kosten zu modernisieren, und andererseits bei einer späteren eigenen Modernisierung den auf diese Weise vom Mieter geschaffenen rechtmäßigen Zustand unberücksichtigt lassen wollte. Erst recht gilt dies, wenn - wie hier - eine Verbesserung in Form des Einbaus einer Gasetagenheizung durch einen früheren Mieter durchgeführt und somit bei Beginn des aktuellen Mietverhältnisses schon vorhanden war.
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bb) Die Dispositionsbefugnis des Vermieters wird insoweit nicht unzulässig eingeschränkt. Denn der Mieter hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass der Vermieter ihm gestattet, selbst bauliche Veränderungen an der Wohnung mit dem Ziel einer Modernisierung oder Erhöhung des Wohnkomforts vorzunehmen (Senatsurteil vom 14. September 2011 - VIII ZR 10/11, NZM 2012, 154 Rn. 11 mwN). Erteilt der Vermieter die Zustimmung zu baulichen Maßnahmen des Mieters, hat er es zudem in der Hand, diese an Bedingungen zu knüpfen und so sicherzustellen, dass die vom Mieter vorgenommenen Maßnahmen sich mit den von ihm beabsichtigten Investitionen in Übereinstimmung bringen lassen und - falls vom Vermieter gewünscht - dauerhaft in der Wohnung verbleiben. Selbst wenn aber die Vertragsparteien eine Vereinbarung über den dauerhaften Verbleib der Mieterinvestition in der Wohnung nicht getroffen haben, wird der Vermieter eine Ausübung des Wegnahmerechts des Mieters (§ 539 BGB) in der Regel nach § 552 BGB abwenden können.
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cc) Entgegen der überwiegend vertretenen Auffassung sind die vom Mieter bereits getätigten Aufwendungen nach dem Gesetzeswortlaut nicht lediglich im Rahmen der die Duldungspflicht ausschließenden Härte gemäß § 554 Abs. 2 Satz 2 BGB zu berücksichtigen (so aber bereits Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., Rn. C 166 g). Der Gesetzgeber wollte mit der Aufnahme der vom Mieter getätigten Verwendungen als Grund für eine Härte zwar sicherstellen, dass vorausgegangene eigene Verwendungen des Mieters auf die Mietsache bei der Abwägung, ob ein Duldungsanspruch ausgeschlossen ist, zu berücksichtigen sind (BT-Drucks. 9/2079, S. 12). Hieraus folgt aber nicht, dass bei der Frage, ob überhaupt eine Modernisierung vorliegt, der vom Mieter geschaffene Zustand außer Betracht zu bleiben hätte. Insoweit ist allein entscheidend, ob durch die geplante Maßnahme objektiv der Gebrauchs- oder Substanzwert der gemieteten Räume oder des Gebäudes erhöht beziehungsweise eine Einsparung von Energie oder Wasser erreicht wird (vgl. BT-Drucks. 9/2079, S. 12). Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, etwa weil die vom Vermieter geplante Modernisierung über das hinausgeht, was der Mieter zur Verbesserung der Mietsache unternommen hat, ist im Rahmen der dann grundsätzlich bestehenden Duldungspflicht des Mieters zu prüfen, ob die Duldung der Modernisierungsmaßnahmen - etwa wegen der vom Mieter auf eigene Kosten vorgenommenen Umbau- und Verbesserungsmaßnahmen - eine unzumutbare Härte darstellt.
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2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als richtig (§ 561 ZPO).
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Die Ersetzung einer älteren Gasetagenheizung durch eine moderne Gaszentralheizung wird zwar häufig (jedenfalls) eine - in der Modernisierungsankündigung der Klägerin auch angesprochene - Maßnahme zur Energieeinsparung gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB sein. Dies kann jedoch nicht losgelöst von den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, ob der in der Revisionserwiderung wiederholte, unter Sachverständigenbeweis gestellte Vortrag der Klägerin zutrifft, die moderne Gaszentralheizung, an die alle Wohnungen des Hauses mit Ausnahme derjenigen der Beklagten angeschlossen seien, sei erheblich energiesparender als die in der Wohnung der Beklagten vorhandene Gasetagenheizung. Diese Feststellungen werden nachzuholen sein.
III.
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Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball
Dr. Milger
Dr. Schneider
Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Von Rechts wegen
Verkündet am: 20. Juni 2012