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  • 12.12.2012 · IWW-Abrufnummer 123780

    Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 23.08.2012 – 10 U 68/12

    Nach Beendigung des Pachtverhältnisses besteht für den Pächter gemäß § 596 Abs. 1 BGB die vertragli-che Verpflichtung, dem Verpächter die Pachtsache zurückzugeben und ihm daran wieder den unmittelbaren Besitz zu verschaffen. Ist der Verpächter – wie bei frei zugänglichen Landwirtschaftsflächen – ohne weiteres Zutun in der Lage, die „Gewalt über die Sache auszuüben“, dann genügt für die Besitz(rück)übertragung des Pächters bei Pachtende auf ihn gemäß § 854 Ab S. 2 BGB die Einigung beider auf die Übertragung der bestehenden Besitzlage. Fehlt es an einer solchen Einigung, so verbleibt der Besitz beim Pächter, so dass der Verpächter gehalten ist, seinen Herausgabeanspruch mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen.

    Nimmt der Verpächter (auch nach Pachtvertragsende) jedoch die Pachtsache ohne den Willen des Pächters und ohne gesetzliche Gestattung eines solchen Handelns in Besitz oder stört er in dieser Weise den vorhandenen Pächterbesitz, dann handelt es sich nach § 858 Abs. 1 BGB um eine „verbotene Eigenmacht.“


    Oberlandesgericht Hamm

    I-10 U 68/12

    Tenor:

    Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 11.04.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Steinfurt abgeändert.

    Unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wird dem Verfügungs­beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufig untersagt, die Grundstücke Gemar­kung G, Flur 36, Flurstücke 16 und 17 zu betre­ten, zu bearbeiten oder be­arbeiten zu lassen.

    Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird ihm ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, angedroht.

    Der Verfügungsbeklagte wird weiter im Wege der einstweiligen Verfügung verpflich­tet, die Grundstücke Gemarkung G, Flur 37, Flurstücke 41 und 146 an den Verfügungskläger herauszugeben.

    Die Kosten des Verfügungsverfahrens in beiden Instanzen trägt der Ver­fügungsbe­klagte.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    G r ü n d e

    I.

    Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens über den Besitz an landwirtschaftlichen Nutzflächen in einer Größe von insgesamt 16,5 ha.

    Der Verfügungskläger hatte die streitgegenständlichen Flächen seit dem Anfang des Jahres 2002 von dem Verfügungsbeklagten angepachtet; dies war bezüglich des Ackerlandes zur Größe von ca. 10 ha durch einen schriftliche fixierten Pachtvertrag und bezüglich des weiteren Grünlandes zur Größe von ca. 6 ha - das der Ver­fügungsbeklagte seinerseits vom Eigentümer angepachtet hatte - durch mündliche Absprache geschehen.

    Hinsichtlich des Ackerlandes mit der Bezeichnung Gemarkung G, Flur 37 Flurstück 41 und 146 existieren 2 schriftliche Ausfertigungen eines vorgedruckten und handschriftlich ergänzten „Landpachtvertrages“. Hinsichtlich des Vertragsexemplares, welches sich von beiden Parteien unterschrieben in den Hän­den des Verfügungsklägers befindet, wird auf die Anlage zur Antragsschrift vom 28.03.2012 (Bl. 15 bis 18 d. A.) Bezug genommen. Dieses Vertragsexemplar enthält neben den Unterschriften der Parteien das Datum „11.03.2002“. Der handschriftlich vervollständigte Formulartext unter § 2 zur Pachtzeitregelung lautet wie folgt:

    „1.

    Die Pachtzeit beträgt 10 Pachtjahre. Das Pachtjahr läuft vom 01.01.02 bis 31.12.11. Die Pacht beginnt am 01.02.2002.

    2.

    Das Pachtverhältnis verlängert sich auf unbestimmte Zeit / auf 2 Jahre, wenn es nicht mit einer Frist von 6/12 Monaten zum Pachtablauf gekündigt wird. Das auf unbe­stimmte Zeit laufende Pachtverhältnis kann mit der in Satz 1 genannten Frist zum Pachtjahresende gekündigt werden.“

    In den Händen des Verfügungsbeklagten befindet sich ein Vertragsexemplar, welches unter § 2 Ziff. 2 keine Angabe zu einer Verlängerung auf eine bestimmte Jahres­anzahl enthält.

    Unter § 15 Ziff. 2 der in beiden Exemplaren des Pachtvertrages gedruckten Rege­lungen heißt es ferner:

    „Sind in diesem Vertrage mehrere Möglichkeiten der Regelung vorgesehen, so gilt im Zweifel die erstgenannte Möglichkeit als vereinbart.“

    Während des laufenden Pachtvertrages kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien, die neben den genannten Pachtabreden auch diverse weitere mündliche Vereinbarungen über landwirtschaftliche Ge­bäude, Einrichtungen etc. getroffen hatten. Wegen der strittigen Fragen kam es vor der Kreisstelle T der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen am 09.02.2009 zu einem Schlichtungsgespräch, das mit einer in Form eines Protokolls festgehaltenen Einigung endete; wegen des Protokollinhaltes wird auf die Anlage B 4 (Bl. 83 / 94 d. A.) Bezug ge­nommen.

    Der Verfügungskläger bewirtschaftete die streitgegenständlichen Acker- und Grün­flächen unstreitig bis Ende des Jahres 2011. Ob der Verfügungsbeklagte ihm zuvor Ende Oktober 2010 eine Kündigung bezüglich dieser Pachtflächen im Postwege hatte übermitteln lassen, ist zwischen den Parteien streitig.

    Mit Datum vom 30.11.2011 richtete der Verfügungskläger ein Schreiben an den Vergügungsbeklagten, wonach er die Bewirtschaftung der Flächen aus dem Pacht­vertrag vom 01.02.2002 fortsetzen werde, da der Verpächter ihm den Pachtvertrag nicht gekündigt habe. Daraufhin und im Januar 2012 gab es jeweils Telefonate zwischen dem Verfügungskläger und der Ehefrau des Verfügungsbeklagten; es ist streitig, was dabei im Einzelnen besprochen wurde.

    Anfang des Jahres 2012 deponierte der Verfügungsbeklagte auf den streitgegen­ständlichen Flächen im Randbereich ca. 50 Tonnen Carbokalk; der Verfügungskläger hatte der­artige Ablagerungen von Kalk durch den Verpächter bereits in den Vorjahren gedul­det; von ihm wahrgenommen und geduldet wurde auch, dass der Verfügungsbeklagte die Pachtflächen gelegentlich zum Befahren benutzte.

    Mitte März 2012 brachte der Verfügungsbeklagte sodann auf den streitgegenständlichen Grün- und Ackerflächen Gülle aus, um damit die Eigenbewirtschaftung für sich auf­zunehmen. Anschließend nahm er auf den Ackerflächen die Aussaat von Zucker­rüben vor.

    Der Verfügungskläger, der vom Ausbringen der Gülle Kenntnis erlangt hatte, suchte daraufhin anwaltliche Beratung; sein Bevollmächtigter forderte den Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 21.03.2012 auf, „jede Bewirtschaftung oder anderweitige Inbesitznahme der Pachtflächen zur Größe von insgesamt 16,65 ha zu unterlassen“, weil der Pächter allein bewirtschaftungsberechtigt sei. Auf dieses Schreiben reagierte der Verfügungsbeklagte zunächst nicht.

    Mit Antragsschrift vom 28.03.2012 hat der Verfügungskläger sodann beim Amts­gericht – Landwirtschaftsgericht – Steinfurt den Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt, mit der dem Verfügungsbeklagten untersagt werden sollte, die näher be­zeichneten Pachtflächen zu betreten, zu bearbeiten oder bearbeiten zu lassen.

    Sein Verfügungsbegehren – dem eine eidesstattliche Versicherung beigefügt war – hat der Verfügungskläger vorrangig darauf gestützt, dass der Verfügungsbeklagte als Verpächter eine verbotene Eigenmacht begangen habe, indem von ihm die Pachtflächen ohne den Willen des Pächters durch Bewirtschaftungsmaßnahmen in Besitz genommen worden seien. Im Übrigen ergebe sich auch ein vertraglicher Anspruch gegen den Verpächter, nachdem das Pachtverhältnis nicht durch rechtzeitige Kündigung zum Ende des Jahres 2011 beendet worden sei. Ein am 30.10.2010 auf Veranlassung des Verpächters ihm zugestellter Briefumschlag sei unverschlossen und leer gewesen, worauf die Ehefrau des Verfügungsbeklagten am Telefon auch hingewiesen worden sei. Zu einer einvernehmlichen Aufhebung des Pachtvertrages – wie sie von der Verpächterseite gewünscht gewesen sei - sei es zu keiner Zeit gekommen. Der Ver­fügungsbeklagte vereitele mit seinem eigenmächtigen Handeln die pächterseits be­absichtigte Einsaat mit Mais.

    Der Verfügungsbeklagte ist dem Antrag erstinstanzlich entgegen getreten. Er hat geltend gemacht, das Pachtverhältnis über die streitgegenständlichen Flächen sei jedenfalls beendet:

    Hinsichtlich der nur mündlich verpachteten Flächen ergebe sich ein Pachtende schon aus dem Vergleichsprotokoll vom 02.09.2009, jedenfalls habe mit einer 12-Monats-Frist zum 31.12.2011 oder 31.01.2012 gekündigt werden können, was mit dem Ende Oktober 2010 zugestellten Schreiben auch geschehen sei. Schließlich habe der Verfügungskläger sich telefonisch Anfang Januar 2012 gegenüber seiner – des Ver­fügungsbeklagten – Ehefrau mit der Entnahme von Bodenproben am 19.01.2012 und der Pachtbeendigung zum Jahresende 2011 einverstanden erklärt.

    Das Landwirtschaftsgericht hat in dem auf den 11.04.2012 anberaumten Verhand­lungstermin die Parteien angehört und die Ehefrau des Verfügungsbeklagten als Zeugin uneidlich vernommen. Außerdem hat es die Originalpachtverträge und einige Schreiben der Parteien im Original in Augenschein genommen.

    Mit dem am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündeten Urteil hat das Land­wirtschaftsgericht das Verfügungsbegehren abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

    Es fehle an einem Verfügungsanspruch aus § 861 BGB, weil nach der Beweis­aufnahme feststehe, dass der Verfügungskläger seinen Pachtbesitz an den streit­gegenständlichen Flächen aufgegeben habe. Das folge daraus, dass die Zeugin ihm im Telefonat im Januar 2012 das Ziehen von Bodenproben – und damit eine typische Maßnahme des Verpächters zur Wiederinbesitznahme – angekündigt habe; dem habe der Verfügungskläger nach der Zeugenaussage nicht widersprochen; auch habe er in dem besagten Telefonat nicht zu verstehen gegeben, weiter an der Anpachtung der Flächen festhalten zu wollen. Schließlich habe er die Ablagerung von fast 50 Tonnen Carbokalk auf den Pachtflächen akzeptiert, was für eine Besitz­aufgabe spreche.

    Gegen dieses Urteil wendet sich der Verfügungskläger mit seiner form- und frist­gerecht eingelegten Berufung. Zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor:

    Das Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – habe den Sachverhalt nicht richtig fest­gestellt und aus seinen Feststellungen unzutreffende rechtliche Schlüsse gezogen. Der Verfügungsanspruch folge richtigerweise aus den §§ 862, 861 BGB und aus dem nach wie vor bestehenden Pachtvertrag.

    Nach der Zeugenbefragung der Ehefrau des Verfügungsbeklagten sei eine erneute Parteianhörung zu der Frage der Bodenproben versäumt worden. Tatsächlich sei in dem Telefonat von Januar 2012 dem Verfügungskläger von der Ehefrau des Ver­pächters nur mitgeteilt worden, dass die Pachtflächen beprobt werden sollten – nicht aber wann und aus welchem Anlass. Eine Bodenprobenentnahme sei dem Ver­pächter zur Kontrolle der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung auch bei fortlaufender Pacht zu gestatten und bedeute keine Aufgabe des Pächterbesitzes. Die Bekundun­gen der Zeugin hätten über dies gerade kein Einverständnis seitens des Pächters mit einem Pachtende bis zum Jahreswechsel 2011/2012 ergeben; die Zeugin habe nichts dafür geschildert, dass er von seiner im Oktober 2011 schriftlich mitgeteilten Absicht zur Weiterbewirtschaftung ihr gegenüber abgerückt sei.

    Für eine verbotene Eigenmacht des Verpächters genüge die Inbesitznahme ohne den Willen des Pächters, die hier zweifelsfrei auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahmne gegeben sei. Der Verfügungskläger habe sich unmittel­bar nach Kenntniserlangung von konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen der Verpächterseite im März 2012 gegen die Besitzergreifung bzw. –störung gewandt. Die während des Pachtvertrages stets geduldete geringfügige Mitbenutzung von Pachtflächen durch den Verfügungs­beklagten zur Lagerung von Dingen oder zum Mitbefahren stelle ersichtlich keine Aufgabe des Pächterbesitzes für die Gesamtfläche von über 16 ha Größe dar.

    Hilfsweise stehe dem Verfügungskläger aus dem fortbestehenden Pachtvertrag ein Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes zu, den er nunmehr mit dem Hilfs­antrag auf Herausgabe der Pachtflächen verfolge. Primär solle indes die einstweilige Verfügung auf Unterlassen des Betretens und des Bewirtschaftens erlassen werden.

    Der Verfügungskläger beantragt,

    das Urteil des Amtsgerichts Steinfurt vom 11.04.2012 abzuändern und es dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufig zu unter­sagen, die Grundstücke Gemarkung G, Flur 36, Flurstücke 16 und 17 sowie Flur 37, Flurstücke 145 und 146 zu betreten, zu bearbeiten oder be­arbeiten zu lassen und für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 255.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 2 Jahren, anzudrohen,

    hilfsweise

    den Beklagten im Weg der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, die zuvor genannten Grundstücke an den Verfügungskläger herauszugeben.

    Der Verfügungsbeklagte beantragt,
    die Berufung zurückzuweisen.

    Er verteidigt die landwirtschaftsgerichtliche Entscheidung. Im Übrigen vertritt er die Auffassung, es fehle an einem Verfügungsgrund, weil die vom Verfügungskläger be­absichtigte Maiseinsaat für das Jahr 2012 nun nicht mehr möglich sei, da er selbst im März 2012 die Zuckerrübeneinsaat vorgenommen habe.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und dem Berichterstattervermerk zum Senatstermin am 23.08.2012 Bezug genommen.

    II.

    Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist weitgehend begründet. Die Voraussetzungen für den beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935 ff. ZPO sind gegeben.

    Der Verfügungskläger hat die Voraussetzungen eines Verfügungsanspruchs aus § 862 Abs. 1 S. 2 BGB hinsichtlich des streitgegenständlichen Gründlandes und aus § 861 Abs. 1 BGB hin­sichtlich des Ackerlandes glaubhaft gemacht. Danach hat der Verfügungsbeklagte durch die unstreitig im März 2012 vorgenommenen Bewirtschaftungshandlungen (Aufbringen von Gülle auf den streitgegenständlichen Pachtflächen und Zuckerrübenaussaat) hinsichtlich der im Pächterbesitz des Verfügungsklägers stehenden Grundstücke eine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 BGB begangen.

    Es ist unstreitig, dass der Verfügungsbeklagte im Zuge der Landverpachtung Anfang des Jahres 2002 in Erfüllung seiner Vertragspflicht aus § 586 Abs. 1 BGB dem Verfügungs­kläger die strittigen Flächen überlassen hatte, so dass dieser seither mit der Bewirtschaftung die tat­sächliche Sachherrschaft über die ihm verpachteten landwirtschaftlichen Flächen ausübte. Diesen unmittelbaren Besitz hatte der Verfügungskläger seither im Sinne einer unmittel­baren, vom Sachherrschaftswillen getragenen Sachherrschaft inne.

    Dass dieser Besitz an den landwirtschaftlichen Flächen von dem Ver­fügungskläger seither zu irgendeinem Zeitpunkt freiwillig aufgegeben worden wäre oder er sich mit besitzbeeinträch­tigenden Maßnahmen des Verfügungsbeklagten (etrwa im Sinne der seit dem März 2012 eingeleiteten Bewirtschaftungsmaßnahmen) einverstanden erklärt hätte, ist – ent­gegen der angefochtenen Entscheidung – nach dem Vortrag beider Parteien im vor­liegenden Verfahren nicht ersichtlich. Insbesondere entspricht dies nicht dem eige­nen Sachvortrag des Verfügungsbeklagten; auch den Schilderungen der von ihm benannten Zeugin ist nichts Derartiges zu entnehmen.

    Soweit der Verfügungsbeklagte durchgängig geltend gemacht hat, man habe sich – unter Einschaltung der Zeugin – telefonisch auf eine Beendigung des Pachtverhält­nisses spätestens zum 31.01.2012 verständigt, folgt aus einer solchen (vermeint­lichen und vorliegend strittigen) Beendigung des Pachtverhältnisses lediglich die vertragliche Verpflichtung des Pächters, die Sache zurück zu geben (§ 596 Abs. 1 BGB). Im Falle der Pachtvertragsbeendigung besteht lediglich die Verpflichtung, dem Verpächter unmittelbaren Besitz an der Pachtsache wieder zu verschaffen (vgl. Juris-PK BGB, 5. Aufl., 2010, § 596 BGB, Rz. 6). Ist der Verpächter – wie bei den vor­liegend frei zugänglichen Landwirtschaftsflächen – ohne weiteres Zutun in der Lage, die „Gewalt über die Sache auszuüben“, genügt zur Besitz(rück)übertragung des Pächters bei Pachtende auf ihn gem. § 854 Abs. 2 BGB die Einigung beider auf die Über­tragung der bestehenden Besitzlage (vgl. Palandt, BGB, § 854 BGB, Rz. 7). Fehlt es an einer solchen Einigung, verbleibt der Besitz beim Pächter, so dass der Ver­pächter gehalten ist, seinen Herausgabeanspruch mit gerichtlicher Hilfe durchzuset­zen.

    Nimmt der Verpächter (auch nach Pachtvertragsende) indes die Pachtsache ohne den Willen des Pächters und ohne gesetzliche Gestattung eines solchen Handelns in Be­sitz oder stört er in dieser Weise den vorhandenen Pächterbesitz und handelt es sich nach § 858 Abs. 1 BGB um eine sogenannte „verbotene Eigenmacht“.

    Vorliegend ist die Aufgabe des aufgrund der Pachtüberlassung im Jahr 2002 erlang­ten Pächterbesitzes auf Seiten des Verfügungsklägers vor dem Beginn der vom Verfügungs­beklagten im Jahr 2012 eingeleiteten Bewirtschaftungsmaßnahmen nicht erkennbar:

    Der Verfügungsbeklagte hat eingeräumt, zur Zeit des laufenden Pachtverhältnisses am 01.12.2012 ein Einschreiben des Verfügungsklägers erhalten zu haben, in wel­chem ihm dieser zweifelsfrei mitteilte, „die Bewirtschaftung der Flächen weiter fort zu setzen“. Mit diesem Schreiben war dem Verfügungsbeklagten deutlich angezeigt worden, dass sein Pächter die tatsächliche Sachherrschaft – den ausgeübten un­mittelbaren Besitz – an den Pachtflächen nicht aufgebe. Ungeachtet dessen hat der Verfügungsbeklagte indes im März 2012 die Bearbeitung der streitgegenständ­lichen Pachtflächen mit dem Ausbringen von Gülle begonnen.

    Selbst wenn zugunsten des Verfügungsbeklagten davon ausgegangen werden kann, dass er sich den Inhalt der Zeugenaussage seiner Ehefrau vor dem Landwirtschaftsgericht zu eigen gemacht hat und macht, folgt auch aus deren Bekundungen keine Einigung über die Aufgabe der tatsächlichen Bewirtschaftung durch den Pächter zum Jahresende 2011 oder auch zum Ende des Monats Januar 2012. Vielmehr hat die Ehefrau des Verfügungsbeklagten als Zeugin bekundet, nach der Pächtermitteilung vom 30.11.2011 zur Fortsetzung der Bewirt­schaftung mit dem Verfügungskläger telefoniert und ihn auf die zugestellte Kündi­gung des Vorjahres verwiesen zu haben; darauf habe dieser mit der Aussage „Ja, schauen wir mal“ geantwortet. Er sei während dieses Telefonates wohl gerade unterwegs und ziemlich „kurz angewesen“. In einem zweiten Telefonat vom Januar 2012 habe sie ihn informiert, dass die Flächen beprobt werden sollten; man habe sich während dieses Telefonates über einige Dinge gestritten bzw. sie diskutiert; schließlich habe sie einen Einigungsvorschlag zur Erledigung aller Dinge unterbrei­tet, woraufhin der Verfügungskläger gesagt habe, dass er sich das überlegen müsse; über die Frage, wer die Flächen ab dem Januar 2012 nutze, sei nicht gesprochen worden. Der Verfügungskläger habe allerdings zu keiner Zeit während dieser Telefo­nate gesagt, dass er die Flächen weiter nutzen werde.

    Bei Zugrundelegung dieser Gesprächsinhalte und –verläufe zwischen dem Verfü­gungskläger und der Zeugin steht fest, dass die Bewirtschaftungsaufnahme durch den Verfügungsbeklagten im März 2012 ohne den erklärten Willen des Verfügungs­klägers geschehen ist und dass dieser auch nicht zuvor erklärt hatte, seine Sach­herrschaft über das Pachtland (zugunsten des Verfügungsbeklagten) aufgeben zu wollen. – Der Senat verkennt insoweit nicht, dass auch konkludente Erklärungen oder Handlungen möglich sind, aus denen auf eine solche einvernehmliche Übertra­gung der tatsächlichen Sachherrschaft vom Pächter auf den Verpächter geschlossen werden kann. Indes ist aus der jeweils maßgeblichen objektiven Empfängersicht den von der Zeugin geschilderten Bemerkungen im Gesprächsverlauf („Ja, schauen wir mal“ bzw. „Man werde es sich überlegen“) jedenfalls nach einer vorangegange­nen schriftlichen Mitteilung des Pächters, weiter bewirtschaften zu wollen, ohne jeden Zweifel keine Bewirtschaftungsaufgabe zu entnehmen. Es kommt insoweit auf den objektiven Empfängerhorizont an, wie die bei den Telefonaten abgegebenen Er­klärungen aus verständiger Sicht eines redlichen Verpächters aufgefasst werden durften, und nicht darauf, wie die Ehefrau des Verfügungsbeklagten die Erklärungen (im Sinne ihres Ehemannes) gerne verstehen wollte oder subjektiv verstanden hat.

    Soweit der Verfügungskläger bei dem Telefonat im Januar 2012 sein Einverständnis mit der Entnahme von Bodenproben auf den Pachtflächen erklärt haben soll – was indes nach den erstinstanzlich protokollierten Zeugenbekundungen über eine bloße „Mitteilung“ der bevorstehenden Probenentnahme an ihn noch nicht einmal der Fall war -, würde selbst ein solches Einverständnis des Pächters keine Anzeige der bisherigen Pächterbewirtschaftung unter Aufgabe der Sachherrschaft bedeuten. Zu Recht hat die Berufung insoweit darauf verwiesen, dass ein Einverständnis mit solchen Boden­probenentnahmen ersichtlich dem Umstand geschuldet sein konnte, dem Verpächter Kontrollen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung in Erfüllung der Pächterpflichten zu ermöglichen. Dass die Gestattung eines (wiederholten) Ablagerns von Carbokalk auf Kleinstflächen am Rande des gepachteten landwirtschaftlichen Besitzes nicht den Erklärungsgehalt hatte, die Sachherrschaft an den bisherigen Pachtflächen ins­gesamt aufzugeben, liegt bei verständiger Betrachtung darüber hinaus auf der Hand.

    Der Verfügungsbeklagte kann schließlich gegenüber dem Besitzschutzanspruch aus §§ 861, 862 BGB nicht erfolgreich einwenden, nach wirksamer Kündigung des Land­pachtverhältnisses habe er einen Herausgabeanspruch auf Besitzeinräumung an eben den streitgegenständlichen Flächen. Einwendungen aus dem materiellen Recht – d.h.: der Anspruchsteller habe kein Besitzrecht mehr oder der Anspruchsgegner habe ein Recht an der Sache – sind gegenüber den Ansprüchen aus §§ 861, 862 BGB grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. etwa: OLG Koblenz, RdL 2000, 236 – Juris Rz. 14 und 16; Palandt, a.a.O., § 863 BGB, Rz. 1). Der Anspruchsgegner kann sich gegenüber den possessorischen Ansprüchen aus §§ 861, 862 BGB nur damit vertei­digen, dass keine verbotene Eigenmacht vorlag, weil die Besitzstörung oder Besitz­entziehung ihm durch Einverständnis des Besitzers oder das Gesetz (etwa im Sinne einer erlaubten Selbsthilfe) gestattet war. Die Darlegungs- und Beweislast dafür liegt indes beim Anspruchsgegner (Palandt, BGB, 71. Aufl., § 863 BGB, Rz. 2), während der Anspruchsteller nur seinen Besitz zum Zeitpunkt der Besitzstörung oder –entzie­hung zu beweisen hat (Palandt, a.a.O., § 861 BGB, Rz. 13 und § 862 BGB, Rz. 12).

    Ob vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung im Verfahren der einstweili­gen Verfügung gegenüber dem Besitzschutzanspruch überhaupt eine petitorische Einwendung erhoben werden kann, ist deshalb umstritten (vgl. etwa: OLG Köln, Urteil vom 31.08.2010, 23 U 5/10 – Juris-Rz. 6 m.w.N.). Selbst wenn man indes vorliegend eine solche (bloße) petitorische Einwendung des Verfügungsbeklagten als im Ver­fügungsverfahren beachtlichen Einwand zuließe, ist die Berechtigung die­ses Einwandes hier unter Berücksichtigung des Ergebnisses der erstinstanzlich durch­geführten Beweisaufnahme nicht feststellbar.

    Dass die Anfang 2002 – teils schriftlich, teils mündlich – begründeten Pachtverhält­nisse hinsichtlich der überlassenen Acker- und Grünlandflächen von dem Ver­fügungsbeklagten rechtzeitig gekündigt wurden, lässt sich angesichts des Bestrei­tens des Verfügungsklägers, bislang eine Kündigung dieser Flächen erhalten zu haben, gerade nicht feststellen.

    Zwar ist dem Verfügungskläger unstreitig (sowie durch Rückschein nachgewiesen) am 30.10.2010 eine Postsendung des Verfügungsbeklagten zugegangen. Welchen Inhalt der zugestellte Briefumschlag allerdings aufwies, bleibt offen. Dass in diesem Umschlag insbesondere ein Kündigungsschreiben des bestehenden Landpacht­verhältnisses mit dem Inhalt der als Anlage 2 zur Akte gereichten Kopie eingefügt war, lässt sich nicht feststellen. So ist bereits ungewöhnlich, dass die vorgelegte (an­gebliche) Kopie des am 30.10.2011 zugestellten Schreibens keinerlei Datumsangabe enthält, die eine zeitnahe Übersendung nahelegen könnte. Darüber hinaus hat die Ehefrau des Verfügungsbeklagten als Zeugin bekundet, ein solches Kündigungs­schreiben zwar aufgesetzt, aber vor der von ihr veranlassten Versendung nicht selbst eingetütet zu haben. Danach verbleibt eine denkbare Fehlerquelle für eine ordnungsge­mäßen Handhabung in der Person der eingeschalteten Bürohilfskraft. Auch dass der im Senatstermin vorgelegte Zustellumschlag vom 30.10.2011 nicht der von der Zeu­gin geschilderten und verwendeten Umschlagsart entspricht (selbstklebender Fensterumschlag) lässt Raum für Zweifel, ob es sich tatsächlich um einen ordnungsmäßigen Versendungsvorgang handelte, wie ihn die Zeugin im Auge hatte.

    Diese Zweifel eines Kündigungszugangs gehen zu Lasten des Verfügungsbeklagten, der sich auf eine ordentliche Beendigung des im Jahre 2002 begonnenen Land­pachtverhältnisses beruft.

    Soweit die Ackerflächen aufgrund des schriftlichen Land­pachtvertrages überlassen worden sind, endete das Pachtverhältnis ausweislich der Regelung in § 2 nicht schon automatisch durch Zeitablauf zum 31.12.2011 (bzw. 31.01.2012). Es verlängerte sich vielmehr (unabhängig von einer etwaigen hand­schriftlichen Eintragung unter § 2 Ziffer 2) wegen der unter § 15 Ziffer 2 enthaltenen Schlussbestimmung „auf unbestimmte Zeit“, wenn es nicht mit einer Frist von sechs Monaten zum Pachtablauf gekündigt wurde; denn das von den Parteien verwendete und unterzeichnete Vertragsformular sieht mit § 15 Ziffer 2 eine Regelung vor, wonach bei mehreren alternativ vorgesehenen Regelungsmöglichkeiten im Zweifelsfall die jeweils erstgenannte Möglichkeit als vereinbart gilt, was hier nach beiden vorgelegten Varianten des Pachtvertragstextes zu einer Pachtverlänge­rung auf unbestimmte Zeit und zu einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Pacht­ablauf bzw. Pachtjahresende führt.

    Soweit hinsichtlich der Grünlandflächen unstreitig das Pachtverhältnis durch münd­liche Vereinbarung begründet worden ist, lief dieses gemäß § 585 a BGB auf unbe­stimmte Zeit und konnte gemäß § 594 a BGB spätestens zum dritten Werktag des Pachtjahres zum Ende des Folgepachtjahres gekündigt werden; dies hat zur Folge, dass – einen Kündigungszugang am 30.10.2010 unterstellt – ohnehin ein Pachtende erst mit Ablauf des 31.12.2012 herbeigeführt werden konnte, - ausgehend von dem Kalenderjahr als Pachtjahr gemäß § 594 a Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein Pachtende war hinsichtlich der mündlich überlassenen Grünlandflächen mithin zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bei zutreffender rechtlicher Würdigung der von dem Verfügungsbeklagten behaupteten Kündigung noch gar nicht einge­treten.

    Die possessorischen Ansprüche des Verfügungsklägers sind schließlich auch binnen der einjährigen Ausschlussfrist nach § 864 Abs. 1 BGB gerichtlich geltend gemacht worden.

    Wie die Erörterung mit den Parteien im Senatstermin schließlich ergeben hat, ist dem Verfügungskläger durch die Bewirtschaftungsmaßnahmen des Ackerlandes seitens des Verfügungsbeklagten der Besitz entzogen worden, wohingegen er in der Bewirt­schaftung der Grünlandflächen mit den im März 2012 vorgenommenen Düngemaßnahmen lediglich im Besitz gestört worden ist, weil ihm die tatsächliche Sachherrschaft (Durchführung der Ernte des ersten und zweiten Grünschnitts) vom Verfügungsbeklagten insoweit nicht verwehrt wurde. Daher ergibt sich ein Verfügungs­anspruch auf Unterlassung im Sinne des mit der Berufung weiter verfolgten Haupt­antrages lediglich hinsichtlich der Grünflächen (§ 862 BGB), wohingegen bezüglich des Ackerlandes nach § 861 BGB entsprechend dem Hilfsantrag Wiedereinräumung des Besitzes begehrt werden kann. Haben Handlungen des Verfügungsbeklagten nämlich (bereits) dazu geführt, dass dem Ver­fügungskläger sein bestehender Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen wurde, ist nicht § 862 Abs. 1 BGB, sondern § 861 Abs. 1 BGB die zutreffende An­spruchsgrundlage. Der Bundesgerichtshof (NJW 2008, 580) hat insoweit zur Abgren­zung von §§ 861, 862 BGB ausgeführt:

    „Zwischen Besitzentziehung und Besitzstörung besteht ein quantitativer Unterschied. Besitzentziehung ist der totale und dauernde Ausschluss von der faktischen Sach­herrschaft, Besitzstörung eine Verhinderung der Ausübung der Herrschaft über die Sache in einzelnen Beziehungen. Die Besitzentziehung nimmt dem Besitzer die tat­sächliche Gewalt über die Sache vollständig und nicht nur vorübergehend, Beein­trächtigungen anderer Art sind Besitzstörungen.“

    Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof für den Fall, dass die in Anspruch ge­nommene Partei die Bewirtschaftung streitiger landwirtschaftlicher Flächen auf Dauer in Angriff genommen hatte und durchführte, einen Besitzentzug angenommen (BGH, a.a.O. – Juris-Rz. 12).

    Damit korrespondierend ist der Verfügungsbeklagte hier – wie hilfsweise beantragt - hin­sichtlich der mit Zuckerrübenanpflanzungen in Besitz genommenen (Eigentums-) Ackerflächen auf Wiedereinräumung des Besitzes an den Verfügungskläger zu ver­pflichten. Der diesbezügliche Hauptantrag – gerichtet lediglich auf Unterlassung von Störungen – ist vor diesem Hintergrund (wenn auch mit unzutreffender Begründung) vom Amtsgericht im Ergebnis richtig zurückgewiesen worden. Das entsprechende Unterliegen hat der Senat indes – da der weitergehende Hilfsantrag auf Wiederein­räumung des Besitzes erfolgreich ist – im Rahmen der Kostenentscheidung als ge­ringfügig angesehen, so dass dem Verfügungsbeklagten die Kosten des Verfahrens nach §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO insgesamt aufzuerlegen waren.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 in Verbindung mit § 542 Abs. 2, 544 ZPO,§ 26 Zif. 8 EGZPO, 48 a LWVG.

    RechtsgebieteBGB, ZPOVorschriften§§ 862 Abs. 1 S. 2,861 Abs. 1, 858 Abs. 1, 586 Abs. 1 BGB, 935 ff ZPO