11.06.2013 · IWW-Abrufnummer 131849
Bundesgerichtshof: Urteil vom 15.05.2013 – XII ZR 115/11
Durch die Beschlagnahme im Rahmen der Zwangsverwaltung endet die vom Grundstückseigentümer an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gesellschafterbeitrag gewährte Nutzungsüberlassung.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30. September 2011 aufgehoben und teilweise wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 31. August 2010 teilweise abgeändert.
Die auf Räumung des im Hausanwesen Wiesenstraße 2 in Karlsruhe gelegenen Ladengeschäfts gerichtete Klage wird abgewiesen.
Die Berufung wird zurückgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt wurde, das im Hausanwesen Wiesenstraße 2 in Karlsruhe gelegene Ladengeschäft an den Kläger herauszugeben.
Wegen des Zahlungsantrags wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Der Kläger macht als Zwangsverwalter die Zahlung rückständiger Mieten für ein Ladenlokal sowie dessen Räumung und Herausgabe geltend.
2
Eigentümer des unter Zwangsverwaltung stehenden Grundstücks und Schuldner der zugrundeliegenden Forderung sind zu je einem Drittel der Ehemann der Beklagten und zwei weitere Familienangehörige. Mit einem auf den 1. Oktober 1987 datierten Vertrag gründeten die drei Eigentümer eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit dem Zweck der "gewinnbringenden Verwaltung und Vermietung" einer größeren Anzahl von Grundstücken, welche den Gesellschaftern jeweils zu einem Drittel Miteigentumsanteil gehörten. Hierzu überließen sie der GbR die Grundstücke zur Nutzung, während die jeweiligen Miteigentumsanteile bei den Gesellschaftern verblieben. Mit Vertrag vom 1. Juli 2007 vermietete die GbR das Ladenlokal an die Beklagte.
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Am 21. September 2009 wurde der Kläger zum Zwangsverwalter bestellt. Seine Bestellung zeigte er der Beklagten mit Schreiben vom 29. September 2009 an und forderte diese auf, Zahlungen nur noch an ihn zu leisten. Am 15. Dezember 2009 ordnete das Amtsgericht ein Zahlungsverbot an, mit dem es der Beklagten als Drittschuldnerin untersagte, etwaige den Vollstreckungsschuldnern zustehende Miet- und Pachtzahlungen weiterhin an diese zu entrichten. Nachdem die Beklagte trotz zwischenzeitlicher Mahnung keine Zahlungen an den Kläger erbrachte, kündigte er das Mietverhältnis mit Schreiben vom 24. März 2010 fristlos.
4
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe des Ladenlokals sowie Zahlung von 3.024 € rückständiger Miete nebst Zinsen an den Kläger verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist überwiegend begründet.
I.
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Das Oberlandesgericht hat seine in [...] veröffentlichte Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar seien von der Beschlagnahme des Grundstücks auch die Miet- und Pachtforderungen erfasst. Allerdings hafte nur ein dem Eigentümer und Vollstreckungsschuldner zustehender Mietanspruch. Im vorliegenden Fall stehe die Mietforderung hingegen nicht den Vollstreckungsschuldnern zu, sondern der von ihnen gegründeten GbR, die das Objekt an die Beklagte vermietet habe. Die Vollstreckungsschuldner seien mit der GbR auch wegen deren inzwischen anerkannter Teilrechtsfähigkeit nicht personenidentisch. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Mieterträge nur formal der GbR zugeordnet seien, während sie wirtschaftlich den Vollstreckungsschuldnern zustünden. Denn der Gesellschaftsvertrag sehe die Verwendung der Mieteinnahmen nach einem zu beschließenden Wirtschaftsplan vor und nicht deren Direktauszahlung an die Gesellschafter. Auch stelle sich der Gesellschaftsvertrag nicht als Umgehung von Gläubigerrechten und damit als sittenwidrig dar. Daher erfasse die Beschlagnahme im Verfahren der Zwangsvollstreckung nicht die Mietforderung gegen die Beklagte. Da der Kläger als Zwangsverwalter nicht in die von der GbR geschlossenen Mietverträge eingetreten sei, stünden ihm außerdem weder das Kündigungsrecht noch der Räumungs- und Herausgabeanspruch zu.
II.
7
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Im Ergebnis zutreffend hat das Oberlandesgericht allerdings entschieden, dass dem Kläger als Zwangsverwalter kein Anspruch auf Miete gegen die Beklagte zusteht.
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a) Ob die Beschlagnahme eines Grundstücks nach §§ 148 Abs. 1, 21 Abs. 2 ZVG eine Mietforderung erfasst, richtet sich nach ständiger Rechtsprechung danach, wem die Mietforderung gebührt, dem Eigentümer und Schuldner oder einem davon zu unterscheidenden Dritten. Nur im ersten Fall, also wenn der Eigentümer selbst vermietet hat oder wenn die Überlassung des Grundstücks an den vermietenden Dritten unwirksam ist (vgl. Senatsurteil vom 12. August 2009 XII ZR 76/08 NJW-RR 2009, 1522 Rn. 21 ff.), ist es gerechtfertigt, dem Gläubiger den Zugriff auf die Mietforderung zu gewähren. War hingegen ein Dritter zur entgeltlichen Überlassung der Mietsache berechtigt, kann eine Beschlagnahme des Grundstücks dessen Mietforderung nicht erfassen. Denn die Gläubiger des Eigentümers haben keinen Anspruch darauf, sich aus schuldnerfremdem Vermögen zu befriedigen (BGH Urteil vom 4. Februar 2005 V ZR 294/03 NZM 2005, 433, 434). Die Beschlagnahme kann sich in solchen Fällen allein auf die Ansprüche des Eigentümers aus dem Rechtsverhältnis erstrecken, durch das dem Dritten die Weitervermietung gestattet ist.
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b) Im vorliegenden Fall ist der Mietvertrag, aufgrund dessen die Beklagte das Ladenlokal nutzt, nicht mit den Eigentümern und Vollstreckungsschuldnern geschlossen, sondern mit der von ihnen gegründeten GbR. Diese ist im Rechtsverkehr gegenüber Dritten als Gesellschaft aufgetreten und damit als sogenannte Außen-GbR Träger eigener Rechte und Pflichten geworden (vgl. BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056). Auch sind Tatsachen, aufgrund derer eine Nichtigkeit der Gebrauchsüberlassung an die GbR wegen Vollstreckungsvereitelung anzunehmen wäre und deshalb die mit der Beklagten vereinbarte Miete unmittelbar dem Kläger zustünde (vgl. BGH Urteil vom 4. Februar 2005 V ZR 294/03 NZM 2005, 433, 434), nicht festgestellt.
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2. Ebenso steht dem Kläger kein Anspruch auf Nutzungsentgelt gemäß § 546 a BGB wegen Vorenthaltung der Mietsache zu, weil im Verhältnis der Parteien kein Mietanspruch entfallen ist, der durch einen Anspruch nach § 546 a BGB zu ersetzen wäre (vgl. Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht und Leasingrechts 10. Aufl. Rn. 1337; MünchKommBGB/ Bieber 6. Aufl. § 546 a Rn. 3).
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3. Ein Zahlungsanspruch des Klägers kann sich jedoch dem Grunde nach aus den Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 990 Abs. 1 Satz 1, 2, 987 Abs. 1 BGB) ergeben. Nach gefestigter Rechtsprechung finden die §§ 987 ff. BGB auf den unmittelbaren Besitzer Anwendung, dessen Besitzrecht entfallen ist, weil der berechtigte Besitz desjenigen entfallen ist, von dem er sein Besitzrecht ableitet (BGH Urteile vom 6. November 1968 V ZR 85/65 MDR 1969, 128 und vom 3. Juni 2005 V ZR 106/04 NZM 2005, 830 mwN). Nach den genannten Vorschriften hat der Besitzer dem Eigentümer die Nutzungen herauszugeben, die er nach dem Eintritt der Kenntnis, dass er zum Besitz nicht berechtigt ist, zieht. Nutzt der Besitzer die Sache selbst, schuldet er den objektiven Mietwert (BGH Urteile vom 6. November 1968 V ZR 85/65 MDR 1969, 128 und vom 22. Oktober 1997 XII ZR 142/95 NJW-RR 1998, 803, 805).
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a) Die Beklagte leitet ihren Besitz aus einem mit der GbR geschlossenen Mietvertrag ab. Eigentümer des Grundstücks ist jedoch nicht die GbR, sondern sind die Vollstreckungsschuldner. Ihnen gegenüber begründete das Mietverhältnis nur dadurch ein Recht zu Besitz, dass zwischen ihnen und der GbR ein weiteres Besitzmittlungsverhältnis bestand, indem die Eigentümer die Nutzung des Grundstücks als Beitrag gemäß §§ 705, 706 BGB an die GbR geleistet hatten.
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b) Das zwischen den Eigentümern und der GbR begründete Besitzmittlungsverhältnis endete jedoch mit der Beschlagnahme des Grundstücks und Besitzeinweisung des Verwalters (§ 148 Abs. 2 ZVG). Denn mit der Beschlagnahme verloren die Vollstreckungsschuldner die tatsächliche Verwaltungs- und Benutzungsbefugnis über das Grundstück und konnten der GbR den berechtigten Besitz nicht mehr gewähren.
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c) Etwas anderes folgt nicht aus § 152 Abs. 2 ZVG. Nach dieser Ausnahmevorschrift ist ein bestehender Miet- oder Pachtvertrag auch dem Verwalter gegenüber wirksam, wenn das Grundstück vor der Beschlagnahme einem Mieter oder Pächter überlassen wurde. Die Regelung ergänzt den im bürgerlichen Recht verankerten Schutz des Mieters und Pächters vor Eigentümerwechsel (§§ 566 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB). Ebenso wie im Falle der Zwangsversteigerung (vgl. § 57 ZVG) soll der Mieter oder Pächter auch im Falle einer Zwangsverwaltung nicht schlechter gestellt sein als im Falle einer Veräußerung des Grundstücks. Dieser systematische Zusammenhang schließt es allerdings aus, den Anwendungsbereich des § 152 Abs. 2 ZVG über seinen Wortlaut hinaus auf andere Besitzmittlungsverhältnisse zu erstrecken, welche im Falle der Veräußerung des Grundstücks keinen dem § 566 BGB vergleichbaren Schutz böten. Zu diesen, auch vor Veräußerung nicht geschützten Besitzmittlungsverhältnissen gehört die Beitragsleistung nach §§ 705, 706 BGB.
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Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, begründet nur ein Miet- und Pachtvertrag und nicht eine andere schuldrechtliche Vereinbarung gegen den Erwerber eines Grundstücks ein Recht zum Besitz (BGH Urteil vom 29. Juni 2001 V ZR 215/00 NJW 2001, 2885; vgl. auch MünchKommBGB/ Baldus 5. Aufl. § 986 Rn. 5; MünchKommBGB/Emmerich 5. Aufl. § 566 Rn. 19). Zwar mag die als Beitragsleistung an die Gesellschaft erfolgende Gebrauchsüberlassung einen "mietähnlichen" Charakter haben (Staudinger/Habermeier BGB [2003] § 706 Rn. 7). Jedoch kann der Erwerber oder Ersteher des Grundstücks in dieses Schuldverhältnis schon deshalb nicht eintreten, weil er mit der Veräußerung oder Versteigerung des Grundstücks nicht Gesellschafter wird (vgl. Soergel/Hadding/Kießling BGB [2011] § 706 Rn. 23 ff.). Ebenso kann nicht der Zwangsverwalter Gesellschafter und Schuldner des Anspruchs auf Beitragsleistung werden.
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Hinzu kommt, dass § 152 Abs. 2 ZVG dem Zwangsverwalter nicht nur die Pflichten aus dem Miet- oder Pachtverhältnis auferlegt, sondern ebenso die Rechte daraus vermittelt, insbesondere in Form von Miet- und Pachtansprüchen, die er zur Gläubigerbefriedigung verwenden kann. Dies fände bei einer Einbeziehung von Beitragsleistungen an eine GbR in den Schutzbereich des § 152 Abs. 2 ZVG keine Entsprechung. Denn der Beitragsleistung an eine GbR steht keine synallagmatische Gegenleistung gegenüber, die der Zwangsverwalter für den Gläubiger fruchtbar machen könnte. Der mögliche Gewinn der Gesellschaft ist nicht etwa die Gegenleistung der Gesellschaft für die Beiträge der Gesellschafter, sondern Ausdruck der im Gesellschaftsverhältnis begründeten Erfolgsbeteiligung (MünchKommBGB/Ulmer 5. Aufl. § 705 Rn. 162). Auch deshalb kommt eine entsprechende Anwendung des § 152 Abs. 2 ZVG auf eine als Beitragsleistung erfolgte Nutzungsüberlassung nicht in Betracht.
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d) Damit entfiel das Besitzrecht der GbR durch die Beschlagnahme. Jene hielt das Grundstück fortan in unberechtigtem Fremdbesitz, aus dem sie der Beklagten kein Besitzrecht gegenüber dem Kläger mehr verschaffen konnte. Nachdem das aus der ursprünglichen Nutzungsüberlassung an die GbR abgeleitete Besitzrecht der Beklagten mit der Beschlagnahme und Besitzergreifung durch den Verwalter entfallen war, ist die Beklagte, sobald sie über ihre Berechtigung zum Besitz nicht mehr in gutem Glauben war, zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet.
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Diesen Anspruch kann der Zwangsverwalter während bestehender Zwangsverwaltung geltend machen, denn die nach § 152 Abs. 1 ZVG bestehende Aufgabe des Verwalters, für eine ordnungsgemäße Nutzung und Verwaltung des Grundstücks zu sorgen, schließt die Befugnis ein, auch solche Ansprüche zu verfolgen, die sich aus einer rechtsgrundlosen Benutzung der der Zwangsverwaltung unterliegenden Sache sowie der Verletzung von Besitzrechten ergeben. Die Durchsetzung dieser Rechte dient dazu, eine Schmälerung der nach § 155 ZVG zu verteilenden Nutzungen abzuwenden (BGH Urteil vom 29. Juni 2006 IX ZR 119/04 NJW-RR 2007, 265 Rn. 16).
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4. Weiterhin zu Unrecht hat das Oberlandesgericht den Anspruch des Klägers auf Herausgabe des Ladenlokals verneint. Losgelöst von der Frage eines Mietverzuges kann der Kläger die Herausgabe der Geschäftsräume bereits deshalb verlangen, weil die Beklagte die Geschäftsräume in Besitz hat, ohne dem Kläger gegenüber dazu berechtigt zu sein (§§ 152 Abs. 1 ZVG, 985, 986 Abs. 1 BGB).
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5. Kein Anspruch des Klägers besteht allerdings auf Räumung des Ladenlokals, soweit hierunter die Rückgabe der Mietsache im Sinne des § 546 BGB zu verstehen ist. Denn der schuldrechtliche Rückgabeanspruch setzt ein mietrechtliches Schuldverhältnis voraus. Ein solches besteht nicht zwischen den Parteien. Auch § 546 Abs. 2 BGB kann den Anspruch nicht begründen, da kein Untermietverhältnis bestand. Die frühere Nutzungsüberlassung an die GbR beruhte nämlich nicht auf einem auch dem Kläger gegenüber wirksamen (Haupt-)Mietverhältnis, sondern auf einer gesellschaftsrechtlichen Gebrauchsüberlassung. Schuldrechtliche (Rückgabe-)Ansprüche aus diesem Rechtsverhältnis stünden allein den Gesellschaftern als solchen zu und sind weder von der Beschlagnahme erfasst noch dem Kläger gegenüber gemäß § 152 Abs. 2 ZVG wirksam. Sie können dem Kläger daher nicht den Durchgriffsanspruch aus gestuftem Besitzmittlungsverhältnis (§ 546 Abs. 2 BGB) vermitteln.
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6. Über den Herausgabe- und über den Räumungsanspruch kann der Senat abschließend in der Sache entscheiden, da der Rechtsstreit insoweit zur Entscheidung reif ist. Hinsichtlich der vom Kläger beanspruchten Nutzungsentschädigung ist der Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, da zu der Frage, ob und gegebenenfalls seit wann die Beklagte Kenntnis darüber hatte, nicht mehr zum Besitz berechtigt zu sein, sowie zur Höhe des objektiven Mietwerts bisher keine Feststellungen getroffen sind.
Dose Klinkhammer
Schilling
Günter
Nedden-Boeger
Von Rechts wegen
Verkündet am: 15. Mai 2013