12.09.2013 · IWW-Abrufnummer 132915
Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 06.06.2013 – I-10 U 18/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Düsseldorf
I-10 U 18/13
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. Oktober 2012 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Von der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird abgesehen (§ 540 Abs. 2, § 313 a ZPO).
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, § 546 ZPO), denn es geht zu Unrecht von der Verletzung einer der Beklagten dem Kläger gegenüber obliegenden Verkehrssicherungspflicht aus. Das beruht im Einzelnen auf folgenden Erwägungen:
Die Beklagte haftet dem Kläger weder aus Verletzung einer vertraglichen (§ 280 Abs. 1, § 535 BGB) noch einer deliktischen Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB) auf Schadensersatz.
Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte, da es sich in Duisburg um ein grundsätzlich schneearmes Gebiet handelt, nicht verpflichtet war, Schneefanggitter auf dem Dach anzubringen.
Entgegen der Auffassung der Kammer war die Beklagte aber auch nicht verpflichtet, die Parkplätze zu sperren oder zumindest Warnhinweise aufzustellen. Das winterliche Wetter und ein überall, also auch auf den Hausdächern, liegender Schnee war dem Kläger in gleicher Weise ersichtlich wie der Beklagten. Die grundsätzliche Gefahr, dass sich Dachlawinen lösen können, musste deshalb auch dem Kläger bekannt sein und ein Warnschild hätte keinen zusätzlichen Informationswert gehabt. Der Senat hat hierauf in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Soweit der Beklagtenvertreter daraufhin vorgetragen hat, ein Hausbesitzer verfüge gegenüber dem Mieter aufgrund seiner anders gelagerten Erkenntnisquellen (z.B. Baupläne, etc.) grundsätzlich über eine bessere Information über das Haus und die eventuell von diesem ausgehenden Gefahren, mag dies in der Theorie zutreffen. Besondere und nicht allgemein zugängliche Erkenntnisquellen der Beklagten als Hauseigentümerin, die bzw. deren Verletzung sich am Schadenstag unfallursächlich ausgewirkt haben, sind jedoch weder ansatzweise konkretisiert noch festgestellt.
Zwar können im Einzelfall besondere Umstände eine Verpflichtung des Vermieters begründen, den Mieter vor drohenden Schäden zu warnen. Auch solche sind hier jedoch nicht ersichtlich. Weder dem Vortrag des Klägers noch den Ausführungen des Landgerichts sind konkrete Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die vor Ort vorhandene Schneesituation so außergewöhnlich war, dass die Beklagte – wie es die Kammer formuliert hat - sich über die Wetterentwicklung auf dem laufenden halten und Maßnahmen zur Sicherung der auf den vermieteten Parkplätzen abgestellten und abzustellenden Fahrzeuge hätte ergreifen müssen. Ob und wie lange es an den Tagen vor dem Abgang der Dachlawine geschneit hat und welche konkreten Schneehöhen und welche Temperaturen zu verzeichnen waren, ist weder dargelegt noch festgestellt. Dass – wie es das Landgericht formuliert hat - angesichts der Lage des vermieteten Stellplatzes zur Traufrichtung des Daches des Gebäudes und der Dachneigung bei den bestehenden Witterungsverhältnissen (vgl. Fotos GA 9) besondere Sicherungsmaßnahmen erforderlich gewesen wären, ist gleichfalls weder konkretisiert noch beweiskräftig festgestellt. Deshalb kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die vermieteten Hausparkplätze zu sperren. Ein eigenmächtige Besitzentziehung wäre ohne konkreten Anlass als verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) zu behandeln gewesen und hätte die Beklagte der Gefahr einer einstweiligen Verfügung ihrer Mieter ausgesetzt. Im übrigen treffen den Vermieter keine weitergehenden Verkehrssicherungspflichten als den nicht vermietenden Gebäudeeigentümer (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.2.2012, 24 U 217/11).
Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung versucht hat, eine Verkehrssicherungspflichtverletzung theoretisch damit zu begründen, dass es durch die Dachlawine auch zu einem Personenschaden hätte kommen können, lässt sich aus der Schwere einer möglichen Schadensfolge nicht auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht rückschließen. Nicht für alle Schadensfolgen des täglichen Lebens lässt sich ein Ersatzpflichtiger finden.
Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (Urt. v. 11.8.2011, 2 U 34/11 – juris) rechtfertigt für den Streitfall zugunsten des Klägers keine abweichende Beurteilung. Der entschiedene Fall unterscheidet sich vom hier zu beurteilenden Sachverhalt bereits dadurch, dass sich wegen des über mehrere Wochen andauernden starken Schneefalls auf den Dächern meterhoher Schnee befand. Eine vergleichbare Situation ist hier weder behauptet noch festgestellt. Im Übrigen hat das OLG eine Haftung des Hauseigentümers an einem überwiegenden Mitverschulden des geschädigten Autobesitzers scheitern lassen, die es daraus abgeleitet hat, dass den Nutzern der vor dem Gebäude gelegenen Stellplätze die besonderen Witterungsverhältnisse und die konkrete äußere Beschaffenheit des Gebäudes bekannt waren und diese sich hierauf, insbesondere durch eine sichere Platzierung ihrer Fahrzeuge, hätten einstellen müssen.
Entsprechendes gilt insgesamt auch für die übrigen zur Stützung der Auffassung des Landgerichts bzw. des Klägers herangezogenen Gerichtsentscheidungen. So ist etwa die Entscheidung des OLG Frankfurt (Urt. v. 27.4.2000, 22 U 90/98 juris) zur Haftung des Hotelbetreibers ergangen. Soweit das OLG Frankfurt die Auffassung vertritt, angesichts der Lage seiner Parkplätze im Verhältnis zum Hoteldach müsse der Hotelbetreiber bei witterungsbedingter Gefahr von Dachlawinen entweder die Parkplätze sperren oder aber zumindest Warnhinweise erteilen bzw. Warnschilder aufstellen, um seinen Gästen die Entscheidung zu ermöglichen, ob sie dort parken wollten oder nicht, rechtfertigt sich diese Aussage vor dem Hintergrund, dass der Hotelgast, gerade wenn er das Hotel nur für eine oder zwei Nächte nutzt und mit den örtlichen Verhältnissen nicht vertraut ist, im Regelfall nicht über die erforderlichen Wetterkenntnisse verfügt wie ein Mieter, der die Wetterentwicklung – wie hier der Kläger – über einen längeren Zeitraum verfolgen kann, und deshalb auch nicht in der Lage ist, die Gefahr einer Dachlawine zu erkennen. Zudem war nach den getroffenen Feststellungen für das fragliche Gebiet von einer Altschneedecke von nicht geringen 10 cm, Eisregen und einem beginnenden Temperaturanstieg auszugehen, Umstände, die die Gefahr einer Dachlawine begründen können. Vergleichbare Feststellungen sind hier nicht getroffen. Soweit das Landgericht Detmold (Urt. v. 15.12.2010, 10 S 121/10 juris) eine Verpflichtung des Vermieters annimmt, für speziell für Mieter eingerichtete und unterhaltene Parkplätze bei entsprechenden Witterungsbedingungen Maßnahmen zur Sicherung der auf den vermieteten Parkplätzen abgestellten oder abzustellenden Fahrzeuge gegen Dachlawinen zu treffen, beruht diese Aussage zum einen auf der hier nicht einschlägigen Entscheidung des OLG Frankfurt (a.a.O.). Zum anderen auf der Feststellung, dass sich der beklagte Vermieter angesichts der Lage des vermieteten Stellplatzes zur Traufrichtung des Daches ihres Gebäudes und der Dachneigung bei den bestehenden Witterungsverhältnissen über die Wetterentwicklung auf dem Laufenden halten und Maßnahmen zur Sicherung der auf den vermieteten Parkplätzen abgestellten oder abzustellenden Fahrzeuge ergreifen müssen. Auch diese Formulierung, die das Landgericht ungeprüft übernommen hat, rechtfertigt ohne entsprechende Feststellungen, die hier fehlen, nicht den Schluss auf eine Verkehrssicherungspflichtverletzung durch die Beklagte. Die Entscheidung des Landgerichts Bielefeld (Urt. v. 11.3.2011, 8 0 310/10, juris) ist ebenfalls nicht einschlägig. Sie betrifft die Haftung des Eigentümers des an einer Durchgangsstraße mit erhöhtem Verkehrsaufkommen und zentraler Verkehrsbedeutung gelegenen Hauses. Soweit danach Hauseigentümer verpflichtet sein können, dafür Sorge zu tragen, dass Schnee und Eis vom Dach des Hauses nicht zu Personen- und/oder Sachschäden für die Teilnehmer am Straßenverkehr führen können, war nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt in großen Mengen Schnee gefallen, der auf den Dächern liegenblieb, auf Grund wechselnder Temperaturen antaute, nachfolgend wieder festfror und deshalb die Gefahr des Abrutschens in den Verkehrsraum bot. Schon hieran scheitert eine Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf den Streitfall. Die Beklagte weist im Übrigen zutreffend darauf hin, dass der fließende Verkehr im Gegensatz zu der hier vorliegenden Situation keine Möglichkeit hat, sich über die Schneesituation auf dem Dach zu informieren.
Selbst wenn aber zugunsten des Klägers von einer außergewöhnlichen Schneelage auszugehen wäre, stünde ihm kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Angesichts der besonderen Umstände des Streitfalls fehlte es dann bereits an der schadensursächlichen Kausalität, jedenfalls wäre das Mitverschulden des Klägers mit 100 % anzusetzen (vgl. z.B. Oberlandesgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (Urt. v. 11.8.2011, 2 U 34/11 – juris). Dem Kläger waren die örtlichen Verhältnisse ebenso bekannt wie der Beklagten. Aus den vorgelegten Lichtbildern ist ersichtlich, dass das Dach des Hauses vom Parkplatz aus in vollem Umfang einsehbar war. Auf dem Dach des Hauses vorhandene Schneeablagerungen hätte der Kläger ohne weiteres erkennen können und bei der in Fällen außergewöhnlicher Schneeverhältnisse gebotenen Sorgfalt im Übrigen auch erkennen müssen. Mit einer Dachlawine musste er unter diesen Umständen rechnen. Wenn er sein Fahrzeug gleichwohl unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt parallel zur Rückfront des Hauses unmittelbar an der Hauswand abstellte, handelte er auf eigenes Risiko. Für eine Mithaftung der Beklagten ist dann kein Raum. Vorsorgemaßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht sind nur dann geboten, wenn die Gefahrenquelle trotz Anwendung der von den Verkehrsteilnehmern zu erwartenden eigenen Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar ist und der Geschädigte sich – anders als hier – deshalb hierauf nicht einstellen konnte (BGH, Urt. v. 5.7.2012, III ZR 240/11; OLG Hamm, Beschl. v. 7.2.2012, I-7 U 87/11 juris).
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den § 91, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Streitwert: 4.504,80 €