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  • 12.09.2013 · IWW-Abrufnummer 132918

    Amtsgericht Berlin Mitte: Urteil vom 24.10.2012 – 7 C 90/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    AG Berlin-Mitte

    24.10.2012

    7 C 90/12

    In dem Rechtsstreit
    der KG,
    vertreten durch d. persönlich haftende Gesellschafterin GmbH,
    ...
    hat das Amtsgericht Mitte, Zivilprozessabteilung 7, Littenstraße 12 -17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 15.08.2012 durch die Richterin am Amtsgericht

    für Recht erkannt:
    Tenor:

    1.

    Die Klage wird abgewiesen.
    2.

    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
    3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Tatbestand

    Der Beklagte mietete aufgrund Vertrages vom 30.8.1996 die streitgegenständliche Wohnung. Die Klägerin wurde am 4.5.2011 als Eigentümerin des Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen.

    Die monatliche Nettokaltmiete beträgt 682,10 EUR nebst Betriebskostenvorschuss von 144 EUR und Heizkostenvorschuss von 115 EUR (insgesamt 941,10 EUR). Ab Juli 2011 kürzte der Beklagte die monatliche Miete um 68,21 EUR (ca. 7% der Bruttomiete). Gegenstand der Klage ist die Zahlung dieses Betrages für die Monate Juli 2011 bis April 2012 (10 Monate).

    Der Eingangsbereich des Hauses befindet sich in einer von der Straße aus gesehen nach innen versetzten Nische. Dort befinden sich der Hauseingang sowie die Briefkästen. Wegen der Örtlichkeit wird auf die eingereichten Lichtbilder Bezug genommen. Dieser Bereich wird u.a. als "Toilette" missbraucht, was regelmäßig zu Verschmutzungen führt. Bis zum 26.4.2011 kam ein Reinigungsdienst zweimal wöchentlich, danach nur einmal wöchentlich. Mit Schreiben vom 26.4.2011 (Bl. 39 d.A.) zeigte der Beklagte Verschmutzungen an, dass der Reinigungsdienst nur einmal wöchentlich kommt und beklagte dies als Mangel.

    Die Klägerin meint, der Beklagte könne keinen Mangel geltend machen, da er die Wohnung in Kenntnis der bestehenden baulichen Gestaltung des Eingangsbereichs angemietet habe. Die Situation stelle auch keinen Mangel dar. Verschmutzungen seien in Berlin nicht vollständig auszuschließen. Jedenfalls habe der Beklagte etwaige Rechte verwirkt, da bereits seit 2006 in den Eingangsbereich uriniert werde.

    Die Klägerin beantragt,

    den Beklagten zu verurteilen, an sie 682,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf je 68,21 EUR seit dem 5.8.2011, 5.9, 5.10, 5.11., 5.12., 5.1.2012, 5.2., 5.3., 5.4. und 5.5. zu zahlen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er meint, die Situation sei ein Mangel und beruft sich auf ein Zurückbehaltungsrecht.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe

    Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht gem. § 535 Abs. 2 BGB die Zahlung von 682,10 EUR für die Zeit von Juli 2011 bis April 2012 verlangen. Denn dem Beklagten steht wegen eines Mangels an der Mietsache ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe der geltend gemachten Forderung zu.

    Die Mietsache ist mit einem Mangel behaftet. Ein solcher liegt vor, wenn der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch beeinträchtigt ist und somit die "Istbeschaffenheit" des Objektes von den nach dem Vertrag vereinbarten Erfordernissen, also von der "Sollbeschaffenheit" der Mietsache, abweicht (Schmidt-Futterer 10. A., 3 536 RZ 17). Als Mangel sind auch solche latent vorhandenen anzusehen, die ihre Wirkung nur unter bestimmten Bedingungen zeigen (Schmidt-Futterer a.a.O.., § 536 RZ 325)

    Dies ist vorliegend der Fall, da es zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache gehört, dies über ein vergleichsweise reinliches Grundstück betreten zu können und hierbei nicht regelmäßig durch Urinpfützen im Bereich des Hauseingangs zu treten. Unabhängig von der Frage, ob die Verschmutzungen tatsächlich in dem vom Beklagten in seiner Klageerwiderung vorgetragenen Umfang (Bl. 34 d.A.) vorlagen, ist die Problemkonstellation an sich unstreitig. Die Klägerin gesteht selbst ein, dass die Verschmutzungen im Eingangsbereich sich jedenfalls insgesamt so zum Negativen entwickelt hatten, dass sie ab Juni 2006 das Reinigungsintervall im Eingangsbereich auf eine Reinigung zweimal wöchentlich erhöhen musste. Zudem wurden Bewegungsmelder angebracht, um den ungewollten Aufenthalt anderer Personen in dem Nischenbereich weitgehend zu unterbinden. Das Urinieren in Hauseingängen gehört auch in Berlin nicht zum normalen Erscheinungsbild eines Wohnhauses, mag der Beklagte auch im Stadtzentrum wohnen. War jedoch unstreitig ein Mangel gegeben, ist der Vermieter darlegungs- und beweispflichtig, dass dieser nunmehr nicht mehr vorliegt. Hieran fehlt es.

    Der gegebene Mangel führt jedoch nicht dazu, dass der Mietzinsanspruch gem. § 536 Abs. 1 S. 2 BGB gemindert ist. Denn hierfür fehlt es an der erforderlichen Erheblichkeit. Auch wenn das Gericht nicht verkennt, dass Urinpfützen, zumal wenn sie die Größe einer Lache erreichen, ekelerregend aufgrund ihres Anblicks und insbesondere des damit verbundenen durchdringenden Geruchs sind, ist das Ausmaß der Beeinträchtigung vergleichsweise gering. So ist aus den vom Beklagten selbst eingereichten Fotografien ersichtlich, dass nur ein flächenmäßig kleiner Bereich direkt vor der Eingangstür zum Haus betroffen ist. Auch muss der Beklagte nicht gleichsam im Urin stehend seinen Briefkasten leeren, sondern die Briefkästen befinden sich in einem näher zur Straße gelegenen Bereich, der ausweislich der Fotografien nicht betroffen ist. Letztlich kann die problematische Stelle in ein bis zwei Schritten überwunden werden. Lediglich in Fällen, in denen Gerüche und Unsauberkeiten ein solches Maß annehmen, dass sie die Benutzung der Wohnung behindern (wie im Fall von Taubendreck, übermäßigem Herumstreunen von Tieren, Gerüche einer Biotonne, vgl. Schmidt-Futterer a.a.O.., § 536 RZ 94 ff. m.w.N.) oder die Gefahr der Verbreitung von Krankheitserregern in sich bergen, hat die Rechtsprechung ein Minderungsrecht zugebilligt. Diese Grenze ist vorliegend nicht überschritten.

    Ungeachtet dessen steht dem Beklagten jedoch ein Zurückbehaltungsrecht wegen des eingangs genannten Mangels zu (§ 320 BGB). Hierauf hatte sich der Beklagte auch berufen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte - wie die Klägerin meint - die problematische Eingangssituation bei Anmietung der Wohnung kannte. Denn eine etwaige Kenntnis vom Mangel, diese angenommen, steht der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts dem Grunde nach nicht entgegen (Schmidt-Futterer a.a.O.., § 536 RZ 393), da mit der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrecht ein Erfüllungsanspruch und kein Gewährleistungsanspruch geltend gemacht wird. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts ist auch nicht verwirkt, da weder das erforderliche Zeit- noch das Umstandsmoment gegeben sind. Es sind keine Tatsachen ersichtlich oder vorgetragen, die den Schluss rechtfertigen könnten, der Beklagte wolle aus dem Mangel zukünftig keine Recht mehr herleiten.

    Die Höhe des Betrages, den der Mieter zurückbehalten darf, hängt von den jeweiligen Umständen mit Rücksicht auf Treu und Glauben ab. Hierbei ist vorliegend zum Einen zu berücksichtigen, dass es sich nicht um einen Mangel in oder unmittelbarer Nähe zur Wohnung handelt, sondern auf einer Fläche, die Mieter gemeinschaftlich nutzen dürfen. Auch hat er den verdreckten Bereich schnell hinter sich gelassen und hat auf diesen keinen Blick, wie es bspw. bei Verschmutzungen im Hof der Fall ist. Andererseits muss der Mieter jeden Tag durch den Bereich vor der Eingangstür, um überhaupt das Gebäude betreten zu können. Er kann diesen Bereich nicht umgehen und ist darauf angewiesen, den Eingangsbereich zu nutzen. Es handelt sich auch nicht um eine Verschmutzung, die nur optisch negative Wirkung hat, sondern auch geruchsmäßig als Belästigung wahrzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund ist die Höhe des vom Beklagten vorgenommenen monatlichen Einbehalts als angemessen anzusehen, um die Klägerin zur Erfüllung ihrer Pflicht aus § 535 BGB anzuhalten.

    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

    Der Streitwert wird auf 682,10 EUR festgesetzt.

    verkündet am: 24.10.20.12.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 320 BGB § 535 Abs. 2 BGB § 536 Abs. 1 S. 2 BGB