· Fachbeitrag · Mietprozess
Richtig klagen in Mietstreitigkeiten
von RiAG Axel Wetekamp, München
| Der Mietprozess stellt besondere Anforderungen an die Bestimmung des Verfahrensgegenstands und die richtigen Anträge im Rahmen des jeweiligen Klagebegehrens. Der folgende Beitrag stellt in Form einer Fortsetzungsreihe die Besonderheiten des Mietprozesses vor. |
1. Allgemeines zum Mietprozess
Der Mietprozess ist keine besondere Form des Zivilprozesses, für ihn gelten die allgemeinen Regeln der ZPO. Trotzdem gibt es einige Besonderheiten.
a) Örtliche Zuständigkeit
Zur örtlichen Zuständigkeit bestimmt § 29a ZPO, dass für Ansprüche aus Miet- oder Pachtverhältnissen über Räume ausschließlich das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk sich die Räume befinden. Dies gilt sowohl für Wohn- als auch Geschäftsräume. Bei einer ausschließlichen Zuständigkeit sind andere Gerichtsstandsvereinbarungen nach § 40 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Grund der Regelung ist, dass der sozial schwächere Mieter davor geschützt werden soll zu einem weit entfernten Gerichtsort reisen zu müssen. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass das Gericht, in dessen Bezirk sich die Räume befinden, die örtlichen Verhältnisse am besten kennt. In der Praxis ergibt sich immer wieder, dass die Regelung jedoch auch nachteilig für den Mieter sein kann.
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Mieter M mietet eine Wohnung in München an. Nach Beendigung des Mietverhältnisses zieht er nach Hamburg. Verklagt ihn nun Vermieter V auf Schadenersatz wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen, ist nicht das AG Hamburg, sondern das AG München örtlich zuständig. |
b) Sachliche Zuständigkeit
Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 23 GVG. Hier besteht eine Konzentration der Wohnraummietstreitigkeiten beim AG. Dieses ist ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwerts erstinstanzlich zuständig. Bei Streitigkeiten, die nicht Wohnraum betreffen, ist das AG - wie bei anderen Zivilstreitigkeiten - nur bis zu einem Streitwert von 5.000 EUR zuständig.
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V klagt auf Räumung von Wohnraum. Der Streitwert bestimmt sich nach § 41 Abs. 1 GKG nach der Jahresnettomiete, hier 7.200 EUR. Trotzdem ist nicht das LG, sondern das AG zuständig in dessen Bezirk sich die Wohnräume befinden. Würde es sich nicht um Wohnräume, sondern um ein Ladengeschäft handeln, wäre bei diesem Streitwert das LG zuständig (§ 23 Nr. 1 GVG). |
Es kann vorkommen, dass Räume sowohl zum Wohnen als auch zur Gewerbeausübung genutzt werden, ohne dass eine eindeutige vertragliche Regelung getroffen worden ist. Hier kommt es auf die überwiegende Nutzungsart an. Danach bestimmt sich die sachliche Zuständigkeit des Gerichts.
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Bei einem Einzelhandelsgeschäft gibt es Nebenräume, die vertragsgemäß zum Wohnen bestimmt sind. Der Rechtsstreit betrifft einen Streitwert über 5.000 EUR. Das Übergewicht und damit die Gerichtszuständigkeit bestimmen sich nach den Flächenverhältnissen bzw. der Ausstattung der Räume. |
2. Räumungsklage
Der Antrag des Vermieters geht bei einer Räumungsklage dahin, dass der Mieter verpflichtet ist, die Mieträume zu räumen und an ihn herauszugeben. Grundsätzlich könnte er zwar auch Feststellungsklage dahin erheben, dass eine Kündigung begründet ist, doch erlangt er hierdurch keinen Räumungstitel, also nicht die Möglichkeit, den Gerichtsvollzieher mit der Räumung zu beauftragen. Auf Härtegründe auf Seiten des Mieters, die im Widerspruch gegen die Kündigung geltend gemacht werden, kann der Vermieter im Rahmen der Begründung der Räumungsklage eingehen.
a) Anträge zur Kostentragungspflicht
Zu Entscheidungen über die Kostentragungspflicht oder die vorläufige Vollstreckbarkeit müssen Anträge nicht gestellt werden, da das Gericht hierüber von Amts wegen entscheidet. Insbesondere im Fall des sofortigen Anerkenntnisses ist es aber auch für den Vermieter sinnvoll, sich zur Frage der Kostentragung zu äußern.
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M hat sich zunächst ausdrücklich oder durch sein Verhalten trotz Räumungsaufforderung durch V geweigert, die Mieträume zu räumen. V sollte dies vortragen, um zu begründen, dass das Anerkenntnis kein sofortiges ist. |
Darüber hinaus werden üblicherweise Anträge zur Kostentragung gestellt, wenn eine teilweise Klagerücknahme erfolgt, da dann entweder ein Teil der Kosten zulasten des Vermieters geht oder der Mieter den Anspruch nach Einreichung der Klage aber vor ihrer Zustellung erfüllt hat. In diesem Fall sieht § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO vor, dass die Kosten auch bei Klagerücknahme durch den Vermieter dem Mieter nach billigem Ermessen auferlegt werden können.
b) Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen Härtegründen
Verlangt der Mieter nach der Härteklausel der §§ 574 ff. BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses, können sich die Parteien, wenn durchgreifende Härtegründe zugunsten des Mieters vorliegen, über die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 574a Abs. 2 BGB einigen. Andernfalls kann die Fortsetzung durch Urteil bestimmt werden. Die Wirksamkeit der Kündigung wird hiervon nicht berührt. Im Rahmen der Härteklausel findet eine Abwägung zwischen den Interessen des Mieters und des Vermieters statt. Die üblicherweise mit einem Umzug verbundenen Beeinträchtigungen reichen nicht aus.
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c) Klage auf künftige Räumung
Ob Klage auf künftige Räumung erhoben werden kann, ist fraglich. In vielen Fällen wird die Klage zu einem Zeitpunkt eingereicht, an dem die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen ist, der Vermieter aber davon ausgeht, dass der Mieter nicht rechtzeitig räumen wird. Dies ist unbedenklich, wenn zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage oder zumindest zum Zeitpunkt des Verhandlungstermins der Räumungszeitpunkt nach dem Klageantrag eingetreten ist. Probleme tauchen auf, wenn sich eine Kündigung, auf die die Räumungsklage gestützt ist, im Prozess als nicht durchgreifend herausstellt und eine erneute ordentliche Kündigung ausgesprochen wird. In diesem Fall muss erneut die Kündigungsfrist durch den Vermieter eingehalten werden. Wird der Antrag im Hinblick auf die neu ausgesprochene Kündigung geändert, handelt es sich um eine Klage i.S. des § 259 ZPO auf künftige Räumung zu dem nun im Räumungsantrag angegebenen Zeitpunkt.
Der Mieter ist nicht verpflichtet, sich zum neuen Räumungsantrag zu äußern, insbesondere muss er nicht mitteilen, ob er zu diesem Zeitpunkt räumen wird oder nicht. Es kann nicht ohne Weiteres als Erfahrungstatsache davon ausgegangen werden, dass der Mieter zu diesem späteren Zeitpunkt nicht räumen wird, wenn er eine Räumung zu dem früheren Zeitpunkt verweigert hat. Insbesondere kann aus der Tatsache, dass der Vermieter den Mieter bereits auf Räumung verklagt hat, nicht der Schluss gezogen werden, dass der Mieter auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht räumen wird. Widerspricht der Mieter somit der erneuten Kündigung im Hinblick auf den späteren Räumungszeitpunkt nicht, ist davon auszugehen, dass ein Feststellungsinteresse des Vermieters nicht gegeben ist. Dies wäre nur der Fall, wenn die konkrete Besorgnis dargelegt werden könnte, dass der Mieter sich der rechtzeitigen Leistung zu dem späteren Zeitpunkt entziehen werde.
d) Räumungsfrist im Urteil
In jedem Fall kann der Mieter - auch vorsorglich - eine angemessene Räumungsfrist beantragen, wenn es um Wohnraum geht (§ 721 ZPO). Über die Gewährung der Räumungsfrist wird nicht erst in der Zwangsvollstreckung entschieden. Das Streitgericht entscheidet hierüber bereits im streitigen Verfahren über die Berechtigung der Kündigung. Nach § 721 ZPO kann das Gericht auch ohne einen Antrag des Mieters eine Räumungsfrist aussprechen.
- Wurde ein Antrag auf Räumungsfrist übergangen, muss die Entscheidung über die Räumungsfrist nachgeholt werden. Die Entscheidung über die Räumungsfrist ist selbstständig anfechtbar. Wird im Urteil keine Räumungsfrist gewährt, kann im Rahmen der Berufung ein Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gestellt werden um keine vollendeten Tatsachen in Form der Zwangsräumung zu schaffen. Über diesen Antrag entscheidet die Berufungsinstanz, in Wohnraummietsachen also das LG.
- Die Höchstdauer der Räumungsfrist beträgt ein Jahr (§ 721 Abs. 5 ZPO). Wird eine kürzere Frist gewährt, kann die Verlängerung der Räumungsfrist beantragt werden unter Berücksichtigung der Höchstdauer.
- Die Räumungsfrist verlängert das Mietverhältnis nicht, es bleibt beendet. Der Mieter ist allerdings verpflichtet während des Laufs der Räumungsfrist Nutzungsentschädigung in Höhe der bisherigen Miete zu bezahlen.
- In einigen Fällen ist die Anwendung der Vorschrift über die Räumungsfrist nach § 721 ZPO kraft Gesetzes ausgeschlossen. Der Ausschluss gilt vor allem für Zeitmietverträge nach § 575 Abs. 1 S. 1 BGB. Dies beruht darauf, dass durch § 575 BGB ein Vermietungsanreiz auf vorübergehende Zeit geschaffen werden soll und deshalb sowohl die Anwendung der Härteklausel auf Widerspruch des Mieters nach § 574 ff BGB als auch der Räumungsfrist nach § 721 Abs. 7 ZPO ausgeschlossen sein soll.
e) Räumungsfrist im Vergleich
Ein Sonderfall ist § 794a ZPO. Danach kann auch der Mieter, der sich in einem Vergleich zur Räumung von Wohnraum verpflichtet hat, Räumungsfrist beantragen. Für sie gelten dieselben Grundsätze, wie bei der Räumungsfrist im Urteil. Ausnahme: Die Räumungsfrist wird nur auf Antrag und nicht durch das Gericht von Amts wegen gewährt. Ein Antrag kann nicht mehr gestellt werden, wenn der Mieter im Vergleich hierauf verzichtet hat.
Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass eine Räumungsfrist auch auf Antrag nur gewährt werden kann, wenn eine Entwicklung eingetreten ist, die beim Abschluss des Räumungsvergleichs noch nicht vorhersehbar war. Bei der Frage der Vorhersehbarkeit oder der Nichtvorhersehbarkeit von Umständen spielt auch das Verschulden des Mieters eine Rolle, also ob er bestimmte Umstände hätte vorhersehen können und zumindest fahrlässig nicht vorhergesehen hat.
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