· Fachbeitrag · Vermieterpfandrecht
Räumung nach dem Mietrechtsänderungsgesetz: Darauf ist bei der Pfandverwertung zu achten
von F. Eberhard Ostermayer, öffentlich bestellter und vereidigter Versteigerer
| Vermieterpfandrechtsverwertungen nach dem Berliner Modell werden in der Praxis seit vielen Jahren von öffentlich bestellten, vereidigten Versteigerern durchgeführt. Der folgende Beitrag erläutert das Für und Wider der Neuregelungen im Mietrechtsänderungsgesetz aus Sicht des Praktikers. |
1. Berliner Räumung nach dem Mietrechtsänderungsgesetz
Der Gesetzgeber hat mit dem neuen § 885a ZPO einen weiteren Weg zur Räumung eröffnet. Er nimmt das in der Praxis bewährte Modell der Berliner Räumung auf. Im Unterschied zur herkömmlichen Räumung nach Berliner Modell kommen indes die §§ 372 bis 380, 382, 383 und 385 BGB bezüglich der Verwertung nicht hinterlegungsfähiger Gegenstände zur Anwendung.
a) Pflichten des Gerichtsvollziehers
Bei der Berliner Räumung nach § 885a ZPO ist es in Zukunft die Aufgabe des Gerichtsvollziehers, den gekündigten Mieter aus dem Besitz des Mietobjekts zu setzen und es ist ferner seine Pflicht (§ 885a Abs. 6 ZPO), sowohl den Mietschuldner als auch den Vermieter auf die Bestimmungen des § 885a Abs. 2 bis Abs. 5 ZPO hinzuweisen. Für den Mietschuldner dient diese Information als Hinweis über eine mögliche künftige „Liquidierung“ seiner zurückgelassenen Habe. Eine weitere Verwertungsandrohung erfolgt nicht. Der Vermieter wird über seine Pflichten bei der Vollstreckung informiert, insbesondere darüber, dass er die Sachen des Mieters nicht sorglos behandeln darf.
Weiterhin muss der Gerichtsvollzieher eine Dokumentation der im Mietobjekt frei ersichtlichen, beweglichen Sachen vornehmen. Er muss aber nicht nach versteckter Habe in verschlossenen Behältnissen wie in Dosen, Umschlägen, Kleidungsstücken oder im Müll suchen. Dennoch soll die Dokumentation einen zuverlässigen Überblick über den zur Zeit der Räumung vorhandenen Bestand und Zustand der beweglichen Sachen des Mietschuldners vermitteln. Der Gerichtsvollzieher wird anhand einer Fotodokumentation die im Mietobjekt vorgefundenen Gegenstände protokollieren.
Beachten Sie | Es gehört mitnichten zu seinen Pflichten, eine Aussage über deren Werthaltigkeit und Vollständigkeit zu machen; allein aus Gründen der Amtshaftung wird er keine Wertschätzung abgeben. Mit der Dokumentation des Inventars ist die Aufgabe des Gerichtsvollziehers beendet.
b) Pflichten des Vermieters
Der Vermieter kann bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, jederzeit wegschaffen. Anschließend hat er sie vier Wochen zu verwahren. Bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, kann er vernichten.
PRAXISHINWEIS | Hierbei ist zu beachten: Auch aus allgemeiner, subjektiver Sicht unbrauchbare Gegenstände können von Wert sein. Wenn der Vermieter Gegenstände, die über die üblicherweise durchzuführende öffentliche Pfandrechtsverwertung noch einen Ertrag erbracht hätten, als Müll entsorgt, kann ihm dies als grobe Fahrlässigkeit zum Vorwurf gemacht werden. Außerdem können Dritte nach § 771 ZPO intervenieren. Nach § 823 BGB kann ein Anspruch auf Schadenersatz hergeleitet werden. Hatte der Vermieter ernstzunehmende Hinweise auf Dritteigentum, kann er nach § 280 BGB in Anspruch genommen werden. |
Vermietern wird wegen der Gefahr, dass sich der Mieter auf die Werthaltigkeit der entsorgten Gegenstände beruft aus Beweislastgründen ausdrücklich geraten, auch weiterhin alle Gegenstände des Mieters zu verwahren und einzulagern (Horst, DWW 13, 122, 133).
2. Absicherungsmöglichkeit für den Vermieter
Vor einer voreiligen Entsorgung der Gegenstände und anstelle einer kostspieligen Einlagerung kann es deshalb ratsam sein, einen allgemein öffentlich bestellten, vereidigten Versteigerer mit der Erstellung eines Gutachtens über den üblicherweise zu erzielenden Erlös bei einer Pfandrechtsverwertung zu beauftragen. Die Begutachtungen werden nach der „Frankfurter Liste“ erstellt, eine interne Ergebnisliste der vereidigten Versteigerer bei Pfandrechtsverwertungen. Die Gutachtenkosten errechnen sich auf Basis des JVEG.
Anhand des Gutachtens kann nachvollziehbar festgestellt werden, was sofort als Müll zu entsorgen und was bei Nichtabholung im Wege der öffentlichen Versteigerung zu verwerten ist. Im Streitfall kann das Gutachten für einen Vermieter entscheidend sein. Macht der Mieter Regressansprüche aus angeblich unsachgemäßer oder illegaler Verwertung geltend, muss dieser die Höhe des Schadens nachweisen. Die tatsächlich zu erzielenden Erlöse bei gebrauchtem Hausrat werden meist überschätzt. Wenn bereits ein qualifiziertes Gutachten vorliegt, wird ein Gericht dem wohl folgen und entscheiden, dass der Anspruch in Höhe des Gutachtens zu regulieren ist. Im Übrigen kann ein Schaden mit titulierten Mietschulden verrechnet werden.
3. Abwicklung der Pfandrechtsverwertung
Fordert der Schuldner seine Sachen beim Gläubiger nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Einweisung des Gläubigers in den Besitz ab, muss der Gläubiger die nicht hinterlegungsfähigen Sachen - und darum wird es sich in der Regel handeln - von einem allgemein öffentlich bestellten, vereidigten Versteigerer verwerten lassen. Der Verwertungserlös ist bei der Hinterlegungsstelle des zuständigen AG einzuzahlen. Hinterlegungsfähige Gegenstände wie Wertpapiere, wertvoller Schmuck und Bargeld sind sofort bei der Hinterlegungsstelle zu hinterlegen. Der Vermieter kann seine Mietforderung mit einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels beim AG geltend machen. Zu beachten ist hierbei, dass zur gleichen Zeit weitere, möglicherweise bevorrechtigte Drittgläubiger ihre Ansprüche auf die Hinterlegungen beim AG geltend machen können. Die Kosten des Verfahrens trägt der Mietschuldner. Diese Kosten sind anrechenbar.
4. Vorgehen bei Geltendmachung des Vermieterpfandrechts
Um Rechtsnachteile zu vermeiden ist es immer ratsam, sofort mit der Kündigung das gesetzliche Vermieterpfandrecht geltend zu machen. Im weiteren Verfahren besteht die Möglichkeit, darauf zu verzichten. Insbesondere bei Gewerbeimmobilien ist dieses Verfahren immer noch der schnellste und kostengünstigste Weg, um eine Räumung im Wege des Pfandverkaufs durchzuführen. Mit Ausnahmegenehmigung kann hier eine Verwertung und Räumung schon nach einer Woche durchgeführt werden. Ferner ist von Bedeutung, dass nach § 935 Abs. 2 BGB alle Gegenstände, die im Wege der öffentlichen Versteigerung verkauft werden, grundsätzlich gutgläubig erworben sind. Regressansprüche aufgrund geltend gemachter Ansprüche Dritter sind von Seiten der Erwerber somit ausgeschlossen.
Grundsätzlich ist herauszustellen: Das Vermieterpfandrecht ist ein gesetzliches Pfandrecht. Daraus ergibt sich, dass der Vermieter nicht erst einen vollstreckbaren Titel für seine Forderungen erwirken muss, sondern sofort auf den Verwertungserlös zugreifen kann. Gerade in Fällen, bei denen die Insolvenz des Mieters droht, ist der Faktor Zeit entscheidend. Vermieter und Insolvenzverwalter stehen im Konkurrenzverhältnis zueinander. Der Insolvenzverwalter benötigt zur Durchsetzung seines Verwertungsrechts den unmittelbaren Besitz, also die tatsächliche Sachherrschaft über den Gegenstand. Gelingt es dem Vermieter unter Beachtung aller rechtlichen Vorgaben sein Pfandrecht rechtzeitig geltend zu machen, hat der Insolvenzverwalter das Nachsehen. Pfandrechtsverwertungen werden nach dem Bargeldprinzip durchgeführt. Der Insolvenzverwalter kann keine Ansprüche auf in bar getätigte Verwertungen geltend machen (§ 1238 BGB und § 142 Bargeschäft InsO).
PRAXISHINWEIS | Die Verwertung des Vermieterpfands durch den allgemein öffentlich bestellten Versteigerer führt fast immer zu einer schnelleren Realisierung und zu höherem Verwertungserlös als durch den Insolvenzverwalter. |
Für den Vermieter ist das Vermieterpfandrecht auch interessant, wenn bei Tod des Mieters niemand erreicht werden kann, der die Erbschaft annimmt. Mithilfe des allgemein öffentlich bestellten, vereidigten Versteigerers kann das blockierte Mietobjekt kurzfristig geräumt werden - legal und rechtssicher.
Eine Vermieterpfandrechtsverwertung oder eine Verwertung wegen Annahmeverzug ist ein hoheitlicher Akt. Ob nach § 1235 BGB oder § 885a Abs. 3 ZPO verfahren wird: Zur Verwertung muss in jedem Fall der allgemein öffentlich bestellte, vereidigte Versteigerer eingeschaltet werden; dieser ist darauf vereidigt, seine Aufgabe gewissenhaft, weisungsfrei und unparteiisch zu erfüllen, und er ist dazu verpflichtet, die Bewertung und Verwertung unter Beachtung der Rechte aller Beteiligter zu angemessenen Kosten durchzuführen. Die Verwertungskosten werden letztendlich aus dem Verwertungserlös, also vom Mietschuldner, bestritten. Die Durchführung von öffentlichen Versteigerungen ist ausschließlich den dazu berechtigten Beamten, Notaren und allgemein öffentlich bestellten, vereidigten Versteigerern - die meist in der Praxis eine öffentliche Versteigerung übernehmen - erlaubt.