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  • · Fachbeitrag · Wiedereinräumung des Besitzes

    Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision: So berechnet sich die Beschwer

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Der Wert der Beschwer des zur Wiedereinräumung des Besitzes an einer streitigen Teilfläche eines mitvermieteten Gartens verurteilten Vermieters bestimmt sich nach dem 3,5 fachen Jahresbetrag der darauf entfallenden Miete (BGH 22.1.13, VIII ZR 104/12, Abruf-Nr. 132176).

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Wohnungsbaugenossenschaft und hat von dieser eine Wohnung zu einer monatlichen Kaltmiete von 370 EUR gemietet. Im Rahmen einer Neugestaltung des Innenhofs der Wohnanlage nahm die Beklagte die zur Wohnung der Klägerin gehörende Gartenfläche (93 m2) in Besitz und beseitigte dort vorhandene Gegenstände, Pflanzen, Büsche und Hecken. Hierdurch wurde die Gartenanlage der Klägerin zerstört. Einen Teil der Fläche bezog die Beklagte in die Gemeinschaftsfläche des Innenhofs ein und errichtete darauf ein Kinderkarussell. Der Klägerin verblieb eine Restfläche von ca. 56 m2. Das LG hat die Beklagte zur Wiedereinräumung des Besitzes an der ursprünglichen Gartenfläche verurteilt. Der BGH verwirft die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Nach § 26 Nr. 8 EGZPO ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht bis einschließlich 31.12.14 nur zulässig, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 EUR übersteigt. Ob der Wert die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO übersteigt, ist gemäß § 2 ZPO nach den §§ 3 bis 9 ZPO zu bestimmen.

     

    Der BGH hat für eine Vollstreckungsgegenklage bereits entschieden, dass bei der Abwehr eines mietvertraglich begründeten Anspruchs auf Einräumung des Mitbesitzes an einem Trockenboden der Wert des Beschwerdegegenstands nach § 8 ZPO zu bemessen ist (WuM 08, 296). Es gilt nicht der in der Regel höhere (Verkehrs-) Wert der streitigen Fläche. § 8 ZPO gilt auch, wenn streitig ist, ob ein Nutzungsrecht des Mieters an einem Kellerraum fortbesteht (BGH WuM 06, 45). Ebenso, wenn die Parteien über Räumung und Herausgabe eines landwirtschaftlichen Grundstücks wegen Kündigung des Pachtvertrags streiten (BGH VersR 94, 372). Der VIII. Senat bestätigt diese Rechtsprechung und wendet § 8 ZPO grundsätzlich auch auf den Anspruch auf (Wieder-)Einräumung des Besitzes an einer Gartenfläche an.

     

    Merke | Für den Anwendungsbereich des § 8 ZPO ist der rechtliche Gesichtspunkt, aus dem die Fortdauer eines Nutzungsrechts an einem vermieteten Raum oder einer vermieteten Fläche streitig ist, ohne Relevanz.

     

    Die „streitige Zeit“ i.S. des § 8 ZPO beginnt grundsätzlich mit der Klageerhebung und endet mit dem regulären Ende der Vertragslaufzeit. § 8 ZPO ist nach dem Wortlaut für die Fälle konzipiert, in denen sich die „streitige Zeit“ entweder - wie bei einem Vertrag von bestimmter Dauer - von vornherein genau bestimmen lässt oder in denen - bei Mietverhältnissen von unbestimmter Dauer - feststeht, dass und wann das Mietverhältnis aufgrund einer Kündigung jedenfalls endet. Höchstbetrag für die Wertfestsetzung ist das 25-Fache des Jahresentgelts (BGH WuM 07, 283).

     

    Ausnahme: Lässt sich die „streitige Zeit“ - wie hier - nicht verlässlich fixieren, wendet der BGH für die Bemessung der Beschwer § 9 ZPO analog an. Das heißt: Sie berechnet sich in diesem Fall nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag der auf die streitigen Räume oder Fläche entfallenden Miete. Handelt es sich nur um einzelne Räume oder - wie hier - um eine Teilfläche des Gartens bestimmt sich der Wert nach der hierauf entfallenden anteiligen Miete. Da selbst der 3,5-fache Jahresbetrag der gesamten Kaltmiete (370 EUR x 12 x 3,5 = 15.540 EUR) unterhalb der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO liegt, konnte der BGH offen lassen, mit welchem Mietanteil der Garten zu bewerten war.

     

    Beachten Sie | Bei Mietzahlungsklagen ist für die Bemessung der Beschwer des Beklagten die Urteilssumme auch maßgebend, wenn sich die Parteien letztlich nur über den Fortbestand des zugrunde liegenden Mietverhältnisses streiten (BGH NZM 02, 736). Wird auf Feststellung der Nichtbeendigung eines Miet- oder Pachtverhältnisses geklagt, ist die Beschwer nach dem Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Miete zu bemessen. Ein prozentualer Abschlag, weil es sich nur um einen Feststellungsantrag handelt, scheidet bei der Festsetzung der Beschwer nach § 8 ZPO aus (BGH GuT 08, 446).

     

    Im Anwendungsbereich des § 8 ZPO ist der zur Räumung und Herausgabe des Pachtgrundstücks in vertragsgemäßem Zustand erforderliche Aufwand ohne Bedeutung. Das heißt: Ist der Pächter z.B. zur Räumung des Grundstücks ohne Bewuchs verurteilt worden, muss er von ihm vorgenommene Anpflanzungen entfernen, ohne dass die von ihm hierfür aufzuwendenden Kosten in die Bemessung der Beschwer nach § 8 ZPO einfließen (BGH VersR 94, 372). Für die Anwendung des § 3 ZPO ist daneben kein Raum. Für den streitgegenständlichen Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes an (einem Teil) der Mietsache kann - so der BGH - nichts anderes gelten.

     

    Im Fall einer Klagehäufung (§ 260 ZPO) sowohl auf Herausgabe als auch auf Beseitigung bestimmt sich die Beschwer des verurteilten Beklagten - der sich auf ein Miet- oder Pachtverhältnis berufen hat - demgegenüber nach § 5 ZPO. Danach werden der nach § 8 ZPO zu bestimmende Wert der Beschwer für die Herausgabe und der nach § 3 ZPO zu bemessende Wert der Beschwer für die Beseitigung addiert (BGH NZM 05, 677). Entscheidet das Gericht über einen der Ansprüche durch Teilurteil ist die Höhe der Beschwer allein aufgrund dieses Teils des Streitgegenstands zu bemessen.

     

    Hier hatte die Klägerin neben der Wiedereinräumung des vollständigen Besitzes an der Gartenfläche auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangt. Die hierauf entfallenden Kosten hat die Beklagte mit 20.191 EUR beziffert. Da das LG durch Teilurteil entschieden hat, sind die Wiederherstellungskosten für die Wertberechnung nicht zu berücksichtigen.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 136 | ID 40179840