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  • · Fachbeitrag · Berliner Mietendeckel

    BVerfG kassiert „Berliner Mietendeckel“

    von RiOLG a. D. Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann (ungebundener Wohnraum), fallen als Teil des sozialen Mietrechts in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht i. S. v. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Das ist die Quintessenz der aktuellen Rechtsprechung aus Karlsruhe, die neben der verfassungsrechtlichen Prüfung die historische Entwicklung des Mietrechts seit Inkrafttreten des BGB am 1.1.1900 nachzeichnet. |

     

    Sachverhalt

    Das BVerfG hat das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) erwartungsgemäß für mit dem GG unvereinbar und deshalb nichtig erklärt (BVerfG 25.3.21, 2 BvF 1/20, 2 BvL 4 und 5/20, Abruf-Nr. 222137). Das Berliner Abgeordnetenhaus hatte in 2/20 Mietbegrenzungen für rund 1,5 Mio. private Wohnungen beschlossen. Dieser sog. „Berliner Mietendeckel“ besteht aus einem Mietenstopp, der eine Miete verbietet, die die am 18.6.19 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreitet, einer grundsätzlichen lageunabhängigen Mietobergrenze bei Wiedervermietungen und einem gesetzlichen Verbot überhöhter Mieten. Neubauten, die ab 1.1.14 erstmals bezugsfertig wurden, werden vom Mietenstopp nicht erfasst.

     

    Hiergegen haben 284 Abgeordnete des Deutschen Bundestags der Fraktionen von CDU/CSU und FDP das abstrakte Normenkontrollverfahren (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i. V. m. § 13 Nr. 6, § 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG) eingeleitet, weil sie das MietenWoG Bln für unvereinbar mit der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen (Art. 70 ff. GG) halten. Zwei Richtervorlagen (Art. 100 GG) betreffen die Vereinbarkeit von § 3 MietenWoG Bln mit dem Grundgesetz. Das BVerfG hat alle Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

     

    Entscheidungsgründe

    Macht der Bund von der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch, verlieren die Länder das Recht zur Gesetzgebung in dem Zeitpunkt („solange“) und in dem Umfang („so weit“), in dem der Bund die Gesetzgebungskompetenz zulässigerweise in Anspruch nimmt, sog. Sperrwirkung. Soweit diese reicht, entfällt die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Die Sperrwirkung verhindert für die Zukunft den Erlass neuer Landesgesetze und entzieht erlassenen Landesgesetzen die Kompetenzgrundlage, sodass sie nichtig werden.

     

    MERKE | In sachlich-inhaltlicher Hinsicht reicht die Sperrwirkung so weit, wie der Bundesgesetzgeber eine erschöpfende, d. h. lückenlose, abschließende Regelung getroffen hat bzw. treffen wollte. In zeitlicher Hinsicht erfordert die Sperrwirkung, dass das Bundesgesetz bereits erlassen ist; es muss noch nicht in Kraft getreten sein. Eine Gesetzesinitiative genügt insoweit nicht. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder zur Gesetzgebung also nur befugt, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungsbefugnis keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat (Art. 70, Art. 72 Abs. 1 GG).

     

    Beachten Sie | Mit den §§ 556 bis 561 BGB hat der Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden Zuständigkeit für das Mietpreisrecht als Teil des bürgerlichen Rechts abschließend Gebrauch gemacht. Aufgrund der hierdurch eingetretenen Sperrwirkung bleibt für die Regelungen zur Miethöhe in § 1 i. V. m. § 3 bis § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 bis 4, § 7 MietenWoG Bln kein Raum mehr. Spätestens das Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21.4.15 hat die Bemessung der höchstzulässigen Miete für ungebundenen Wohnraum bundesrechtlich abschließend geregelt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Das MietenWoG Bln ist verfassungswidrig, weil der Berliner Senat seine Kompetenzen überschritten hat. Mit den §§ 556 bis 561 BGB hat der Bundesgesetzgeber ein umfassendes Regelungskonzept für die Miete für ungebundenen Wohnraum auf angespannten Wohnungsmärkten geschaffen und damit den Schutz der Mieter als strukturell schwächerer Vertragspartei abschließend geregelt. Die Verordnungsermächtigung (§ 556d Abs. 2 BGB) eröffnet den Ländern mithin keinen inhaltlichen Gestaltungsspielraum, sondern erschöpft sich darin, die auf Ebene des BGB detailliert ausgestaltete Mietpreisbremse nach Maßgabe der in den einzelnen Ländern bestehenden Verhältnisse zur Anwendung zu bringen.

     

    Abgesehen von der politischen Schlappe des Berliner Senats sind die materiellen Folgen für den einzelnen Mieter überschaubar. Etwaige Rückforderungsansprüche sind auf die kurze Anwendungszeit des MietenWoG Bln beschränkt. Für Mieterhöhungen gilt nach dessen Wegfall das bisherige Recht. Für den Fall der Nichtigkeit des Mietendeckels vereinbarte Schattenmieten dürften § 557 Abs. 4 BGB unterfallen.

     

    Beachten Sie | Die Entscheidung hindert andere Bundesländer daran, in vergleichbarer Weise in den Wohnungsmarkt einzugreifen. Einen „Mieten-deckel“ muss ‒ wenn überhaupt ‒ der Bundesgesetzgeber beschließen. Damit dürfte jedenfalls in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen sein.

     

    PRAXISTIPP | Amtshaftungsansprüche gegen das Land Berlin wegen des für nichtig erklärten MietenWoG Bln sind ausgeschlossen (BGH MK 21, 83, Abruf-Nr. 220430).

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2021 | Seite 99 | ID 47381527