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  • · Fachbeitrag · Betriebskostenabrechnung

    Auch bei komplizierten Abrechnungen genügen formell rudimentäre Mindestanforderungen

    von RiOLG a. D. Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Die Abgrenzung zwischen formeller und materieller Ordnungsgemäßheit spielt bei Betriebskostenabrechnungen eine große Rolle. Muss diese nach Ablauf der Abrechnungsfrist wegen formeller Fehler komplett neu erstellt werden, kann der Vermieter nichts nachfordern (§ 556 Abs. 3 S. 3 BGB). Ein nur materieller Fehler hindert ihn jedoch nicht, eine Abrechnung im Rahmen des bisherigen Ergebnisses noch nach Fristablauf zu korrigieren. Dies gilt auch für komplizierte Abrechnungen, wie der BGH erneut bestätigt. |

     

    Sachverhalt

    Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der Kläger. Die Nebenkostenabrechnungen weisen Nachforderungen zugunsten der Kläger aus. Die Abrechnungen bestehen jeweils aus sieben Seiten. Diese sind wie folgt gegliedert:

     

    • Eine Abrechnung mit Hindernissen
    • Auf der ersten Seite werden fünfzehn genau bezeichnete Kostenpositionen mit den darauf jeweils für das gesamte Anwesen jährlich entfallenden Beträgen aufgelistet.

     

    • Diese Kostenpositionen werden dann auf der (Rück-) Folgeseite unter Angabe der auf der ersten Seite verwendeten Bezifferung einer von vier genannten Umlagearten (A: Wohnfläche/Nutzfläche; B: Einzelverbrauch nach Kaltwasseruhren; C: Laden- bzw. Wohneinheiten; D: Einzelabrechnung TECHEM) zugeordnet. Anschließend werden mit Ausnahme der extra beigefügten TECHEM-Abrechnung über die Heiz- und Warmwasserkosten auch die auf die jeweilige Umlageart entfallenden Gesamtbeträge angegeben.

     

    • Auf der darauffolgenden Seite werden schließlich ‒ nun mit Gliederungspunkten 1 bis 4 bezeichnet, zusätzlich aber auch inhaltlich beschrieben ‒ die nach den vier Umlagearten jeweils anteilig auf den Mieter entfallenden Beträge aufgeführt und addiert.

     

    • Um die auf der dritten Seite der Abrechnung auf ihn entfallenden Kostenanteile nachzuvollziehen, muss der Beklagte auf die beiden vorhergehenden Seiten zurückblättern und die auf drei Seiten enthaltenen Angaben gedanklich zusammenführen.
     

    Das AG gibt der Klage statt. Das Berufungsgericht weist die Klage ab. Grund: Zwar könne sich ein erfahrener Mietrichter denken, wie die Abrechnung gemeint sei und gelange dann jedenfalls zu rechnerisch nachvollziehbaren Ergebnissen. Für den durchschnittlichen Mieter sei die gewählte Art der Abrechnung aus sich heraus aber nicht verständlich und nachvollziehbar. Die Revision der Kläger hat Erfolg.

     

    Für die formelle Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung ist allein entscheidend, ob es die darin gemachten Angaben dem Mieter ermöglichen, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen. Hieran sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Notwendig, aber auch ausreichend ist es, dass der Mieter die ihm angelasteten Kosten bereits aus der Abrechnung klar ersehen und überprüfen kann, sodass die Einsichtnahme in dafür vorgesehene Belege nur noch zur Kontrolle und zur Beseitigung von Zweifeln erforderlich ist (Abruf-Nr. 195872).

     

    Entscheidungsgründe

    Da dem Berufungsurteil die für eine revisionsrechtliche Nachprüfung nach §§ 545, 559 ZPO erforderliche tatsächliche Beurteilungsgrundlage fehlt, ist es aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

     

    Eine Betriebskostenabrechnung ist formell ordnungsgemäß, wenn sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspricht, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält (BGH NJW-RR 15, 778 Rn. 13; NJW 16, 866 Rn. 9). Dabei sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen (BGH WuM 12, 278 Rn. 24; NJW 15, 51 Rn. 13). Entscheidend ist allein, ob der Mieter anhand der Angaben in der Betriebskostenabrechnung die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachprüfen kann. Soweit keine besonderen Abreden getroffen sind, sind daher in die Abrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten regelmäßig folgende Mindestangaben aufzunehmen, denen die Betriebskostenabrechnungen der Kläger nach Aktenlage gerecht werden:

     

     

    Relevanz für die Praxis

    Das Urteil fügt sich „nahtlos“ in die Reihe jüngerer Entscheidungen ein, mit denen der VIII. Senat die erstmals in NJW 82, 573 formulierten Anforderungen an die formelle Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung kontinuierlich gesenkt hat (MK 17, 74, Abruf-Nr. 192685; MK 16, 41, Abruf-Nr. 183616; MK 15, 30, Abruf-Nr. 173259; MK 12, 98, Abruf-Nr. 121062).

     

    Prüfungsrelevant ist ‒ wie aus dem Leitsatz ersichtlich ist ‒ allein, ob der Mieter anhand der in der Abrechnung aufgeführten Angaben erkennen kann, welche Kosten auf ihn umgelegt werden und wie sich hieraus rechnerisch der für ihn ausgewiesene Kostenanteil ableiten lässt.

     

    Beachten Sie | Der BGH führt ausdrücklich aus, dass die Nachvollziehbarkeit der Abrechnung nicht dadurch infrage gestellt wird, dass ‒ wie hier ‒ für einzelne Positionen unterschiedliche Umlageschlüssel zugrunde gelegt werden, sofern der angewendete Umlageschlüssel als solcher für den Mieter erkennbar ist.

     

    Ob der Vermieter die angesetzten Kostenarten zutreffend erfasst und rechnerisch korrekt bemessen hat, ist ausschließlich eine die inhaltliche Ordnungsgemäßheit der Abrechnung betreffende Frage.

     

    Nach Auffassung des BGH entsprechen die nach dem Sachverhalt durchaus anspruchsvollen Abrechnungen der Kläger den beschriebenen Minimalanforderungen. Insbesondere sei es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte, um die auf der dritten Seite der Abrechnung auf ihn entfallenden Kostenanteile nachzuvollziehen, auf die beiden vorhergehenden Seiten zurückblättern und die auf drei Seiten enthaltenen Angaben gedanklich zusammenführen müsse. Grund: Die Zusammenhänge erschlössen sich bei verständigem Lesen ohne Weiteres auch einem Laien. Das kann man so sehen.

     

    PRAXISHINWEIS | Jedem Anwalt sollte klar sein, dass der Versuch, die Betriebskostenabrechnung allein mit formellen Argumenten anzugreifen, wenig Erfolg versprechend ist. Wie die veröffentliche Instanzrechtsprechung belegt, ist es wesentlich aussichtsreicher, die Abrechnung mit materiellen Erwägungen zu Fall zu bringen. Dass hierzu die Belege eingesehen werden müssen, ist juristischer Standard.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2017 | Seite 189 | ID 44882022