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  • · Fachbeitrag · Betriebskostenabrechnungsfrist

    Kürzere Fristen als ein Jahr können auch formularvertraglich vereinbart werden

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Viele vor Inkrafttreten des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB geschlossene Altver-träge enthalten Abrechnungsfristen, bei denen zweifelhaft sein kann, ob ihnen zugleich die Wirkung einer Ausschlussfrist zukommt. Der Wohn-raummietsenat zeigt anhand eines Mietvertrags aus 1980, dass die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB in solchen Fällen nur dann zur Anwendung kommt, wenn zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind. Zugleich nimmt er dazu Stellung, ob auch kürzere Abrechnungsfristen vereinbart werden können. |

     

    Sachverhalt

    Laut Mietvertrag müssen die Mieter zuzüglich zur Miete einen monatlichen Heizkostenvorschuss bezahlen. Zu dessen Abrechnung enthält der Mietvertrag unter § 5.6 die im Leitsatz wiedergegebene vorformulierte Regelung. Die vertragliche Heizperiode läuft vom 1.10. eines Jahres bis zum 30.4. des Folgejahres. Am 30.10.12 übermittelte die Vermieterin den Mietern die Abrechnung über die Heizkosten 11/12. Die Mieter lehnen die Nachforderung ab, weil die Abrechnung der Heizkosten verspätet erfolgt sei. Die Klage der Vermieterin wird in den Instanzen abgewiesen. Ihre Revision hat Erfolg.

     

    Einer unter der Geltung des § 4 Abs. 1 S. 1 und S. 2 MHG von einem Vermieter in einem Wohnraummietvertrag gestellten Formularklausel, die bestimmt: „Spätestens am 30. Juni eines jeden Jahres ist über die vorangegangene Heizperiode abzurechnen“, ist keine Ausschlusswirkung dahin beizumessen, dass der Vermieter mit Ablauf dieser Frist gehindert ist, Heizkostennachforderungen geltend zu machen (Abruf-Nr. 183946).

     

    Relevanz für die Praxis

    Auf der ersten Stufe klärt der BGH, dass die vereinbarte Abrechnungsfrist zulässig ist. Auch wenn sie mit zwei Monaten deutlich kürzer ist, als die Zwölfmonatsfrist des § 556 Abs. 3 BGB. Grund: Nach § 556 Abs. 4 BGB sind u. a. zum Nachteil des Mieters von Absatz 3 abweichende Vereinbarungen unwirksam. Die h. M. (Urteil Tz. 15) folgert hieraus, dass die Vorschrift einer Verkürzung der Abrechnungsfrist nicht entgegensteht. Entgegen den Bedenken von Schmidt-Futterer/Langenberg (Mietrecht, 12. Aufl., § 556 BGB, Rn. 451) schließt sich der BGH dem mit dem schlichten Argument an, dass eine kürzere Abrechnungsfrist letztlich allein den Interessen des Mieters dient.

     

    Auf der zweiten Stufe prüft der BGH nach allgemeinen Auslegungsgrund-sätzen, ob der Klausel - wie es das Berufungsgericht angenommen hat - die Wirkung einer Ausschlussfrist zukommt.

     

    Verbleiben nachdem man alle Auslegungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat Zweifel und sind zumindest zwei Ergebnisse rechtlich vertretbar, ist zulasten des Klauselverwenders die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB anzuwenden (Urteil Tz. 19). Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch - wie hier - aber fernliegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernsthaft in Betracht kommen, sind bei der Auslegung nicht zu berücksichtigen.

     

    Hieran anknüpfend, kommt der BGH unter Bezugnahme auf den Wortlaut der Klausel und die damalige Gesetzeslage zu dem praxisgerechten Ergebnis, dass diese bei der gebotenen Zugrundelegung der Sichtweise redlicher und verständiger Vertragspartner und der weiter gebotenen Einbeziehung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise allein dahin auszulegen ist, dass sie keine Ausschlussfrist für die Abrechnung der Heizkosten vorsieht.

     

    PRAXISHINWEISE |

    • Enthält der Mietvertrag eine vergleichbare Klausel, darf der Vermieter mit der Abrechnung nicht länger als zwei Monate zuwarten. Er darf aber früher abrechnen, etwa wenn er mit hohen Nachforderungen rechnet.

     

    • Der Mieter hingegen hat die Möglichkeit, vom Vermieter eine Abrechnung ab dem Ablauf der Frist (Abrechnungsreife) zu verlangen. Um dies durchzusetzen, kann er die laufenden Vorauszahlungen zurückhalten. Ferner kommt unter den Voraussetzungen von BGH MK 05, 95 (Abruf-Nr. 051084) eine Klage auf Rückzahlung der geleisteten und noch nicht abgerechneten Vorauszahlungen in Betracht. Einen Anspruch auf frühere Abrechnung hat der Mieter dagegen nicht.
     

    Beachten Sie | Der BGH stellt zu Recht strenge Anforderungen an die Vereinbarung einer Ausschlussfrist. Diese ist grundsätzlich nur anzunehmen, wenn die verspätete Abrechnung - wie dies in § 556 Abs. 3 S. 3 BGB gesetzlich geregelt ist - ausdrücklich mit der Sanktion verknüpft ist, dass der Vermieter nach Ablauf der Frist mit Nachforderungen ausgeschlossen ist. Aus dem Hinweis auf das OLG Düsseldorf (NZM 01, 383; „Die Nebenkostenabrechnung ist jährlich nach dem Stichtag 31.12. zu erstellen“) ist abzuleiten, dass der VIII. Senat diese Auslegung in gleicher Weise für das gewerbliche Mietrecht favorisiert.

     

    Das entspricht im Ergebnis auch der Auffassung des gewerblichen Mietsenats des BGH (MK 10, 59, Abruf-Nr. 100552). Danach ist der Vermieter von Geschäftsräumen zur Abrechnung über die Nebenkosten, auf die der Mieter Vorauszahlungen geleistet hat, innerhalb einer angemessenen Frist verpflichtet. Diese Frist endet regelmäßig zum Ablauf eines Jahres nach Ende des Abrechnungszeitraums. Sie ist eine Abrechnungsfrist, keine Ausschlussfrist.

     

    Für eine vertraglich vereinbarte Jahresabrechnungsfrist kann dann nichts anderes gelten (OLG Köln, ZMR 07, 115; OLG Düsseldorf, GuT 06, 132). Eine analoge Anwendung des § 556 Abs. 3 BGB auf die gewerbliche Miete lehnt der BGH ab (MK 15, 11, Abruf-Nr. 150371; MK 10, 59).

     

    Beachten Sie | Nach dem OLG Jena (NZM 12, 642) hält die folgende Klausel in einem vom gewerblichen Mieter gestellten Formularmietvertrag einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB nicht stand:

     

    • Klausel des OLG Jena

    Der Vermieter ist verpflichtet, innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Abrechnungszeitraums über die Betriebskosten abzurechnen. Die Parteien sind sich diesbezüglich einig, dass es sich hierbei darüber hinaus um eine Ausschlussfrist handelt.

     

    Grund: Sie sieht bei Fristablauf ein Erlöschen des Anspruchs auf Betriebskostennachzahlung vor, ohne ein fehlendes Verschulden des Vermieters zu berücksichtigen und reduziert die dreijährige Verjährungsfrist, die mit der Erteilung der Jahresabrechnung beginnt, im Extremfall auf null.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2016 | Seite 130 | ID 44142606