· Fachbeitrag · Der Mieter des Monats
Wenn die Säge sägen muss ...
von Axel Wetekamp, RiAG a. D., München
| In einer neuen Beitragsreihe stellen wir Ihnen im monatlichen Wechsel besonders eklatante Auswüchse auf Mieter- wie auf Vermieterseite vor. Auch wenn sich die Fälle zum Teil haarsträubend anhören, sie spiegeln das wahre Leben. Als Anwalt sollten Sie sich entsprechend wappnen ‒ denn ein solcher Fall könnte auch einmal auf Sie zukommen. |
1. Der Fall des Lesers
Ein Leser berichtete von einem Fall, in dem ein Mieter ‒ ohne Absprache mit dem Vermieter, dem Mandanten des Lesers ‒ in der Wohnung den Putz von den Wänden abgeschlagen, die Fliesen entfernt, die Elektrokabel sowie die sanitären Einrichtungen heraus genommen und eine dem Vermieter gehörende Einbauküche komplett zersägt hatte. Vom Vermieter daraufhin zur Rede gestellt, entgegnete er, jetzt sei die Wohnung „endlich sauber“.
2. Die Fragen des Lesers
Verständlicherweise war der Vermieter aufgebracht und wollte den Mieter so schnell wie möglich loswerden. Unserem Leser stellten sich jedoch die folgenden Fragen:
- Handelt es sich hier um vertragswidrigen Gebrauch, sodass eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB gerechtfertigt wäre?
- Oder wäre es besser, den Weg der sog. „Zerrüttungskündigung“ zu gehen?
- Müsste er zuvor Abhilfe verlangen oder den Mieter abmahnen?
- Schließlich: Ändert sich die Rechtslage, wenn der Mieter nachweislich psychisch erkrankt ist?
3. Fristlose Kündigung wegen vertragswidrigen Gebrauchs
Der Mieter hat die Wohnung zweifellos vertragswidrig gebraucht. Die gesetzliche Regelung setzt allerdings ein Verschulden des Mieters im Sinne von § 276 BGB voraus. Dieses Verschulden kann auch darin bestehen, dass der Mieter trotz einer Abmahnung oder einer gesetzten Abhilfefrist durch den Vermieter, die nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB grundsätzlich erforderlich ist, den vertragswidrigen Gebrauch fortsetzt.
Der Fall, dass der Mieter insbesondere aus psychischen Störungen heraus nicht schuldhaft handeln kann, ist in dieser Vorschrift nicht geregelt. Man könnte insofern meinen, dass eine Kündigung eines solchen Mieters, entweder als ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB oder nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB, gar nicht möglich sei.
Dies wäre insbesondere problematisch, wenn durch das Verhalten eines solchen Mieters Mitmieter beeinträchtigt werden, sei es durch unnatürliche Geräusche aus der Wohnung des Mieters oder das Verhalten eines solchen Mieters ihnen gegenüber (Schreien, Betasten von Mitmietern mit Amuletten usw.).
4. Die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
Der Tatbestand des § 543 Abs. 1 BGB („Zerrüttungskündigung“) stellt darauf ab, dass dem Kündigenden, was sowohl der Mieter als auch der Vermieter sein kann, die Fortführung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Ein Verschulden der Partei, der gekündigt werden soll, ist dabei nicht unbedingt erforderlich, sondern nur einer der Umstände, die zu berücksichtigen sind. Dies bedeutet, dass auch der Mietpartei, die z. B. aus psychischen Gründen nicht schuldhaft handeln kann, nach dieser Vorschrift gekündigt werden kann.
Dieser Fall ist hier gegeben. Die Vertragsverletzungen des Mieters sind so schwerwiegend, dass eine außerordentliche fristlose Kündigung auf jeden Fall gerechtfertigt ist.
5. Abhilfefrist oder Abmahnung?
Grundsätzlich gilt zwar: Ist der Kündigungsgrund eine vertragliche Pflichtverletzung, muss eine Abhilfefrist gesetzt werden oder erfolglos abgemahnt worden sein, § 543 Abs. 3 S. 1 BGB. Doch es gibt Ausnahmen. Hier sind sicher zwei der Ausnahmen gegeben:
- Eine Frist oder Abmahnung verspricht offensichtlich keinen Erfolg.
- Die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen ist unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt.
a) Erster Ausnahmefall
Nachdem der Mieter sich dahin geäußert hat, dass nach allem, was er angerichtet hat, die Wohnung nun „endlich sauber“ sei, ist nicht damit zu rechnen, dass er nach Fristsetzung oder Abmahnung seine Meinung ändert. Hierbei spielt natürlich der psychische Zustand des Mieters eine entscheidende Rolle.
b) Zweiter Ausnahmefall
Zum zweiten Ausnahmefall gilt: Angesichts der schwerwiegenden und nur mit erheblichem Kostenaufwand zu behebenden Schäden, die der Mieter angerichtet hat, liegen besondere Gründe vor, die die sofortige Beendigung des Mietverhältnisses rechtfertigen.
Weiterführende Hinweise
- Kündigung eines psychisch kranken Mieters, MK 15, 58
- Zahlungsrückstand wegen schwerer psychischer Erkrankung unverschuldet, MK 18, 183