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  • · Fachbeitrag · Eigenbedarfskündigung

    Fortsetzung des Mietverhältnisses bei auf „freier“ Willensbildung beruhender Suizidankündigung

    von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin

    | In Zeiten angespannter Wohnungsmärkte ist oft eine große Hilflosigkeit des auf einem solchen Markt von einer Eigenbedarfskündigung betroffenen Mieters zu beobachten. Seine Sorge, keinen Ersatzwohnraum zu finden, kann ‒ auch ohne psychische Vorerkrankung ‒ eine ernstzunehmende Suizidalität für den Fall des erzwungenen Verlusts der Wohnung zur Folge haben. Ein solcher Fall mit äußerst schwierigen Tatsachenermittlungen und sensiblen Abwägungsprozessen lag dem BGH zur Entscheidung vor. |

     

    Sachverhalt

    Die Beklagten sind Mieter einer Zweizimmerwohnung des Klägers. Der Kläger erklärte am 24.10.19 die ordentliche Kündigung zum 31.7.20 wegen Eigenbedarf. Die Beklagten widersprachen der Kündigung fristgemäß. Zur Begründung führten sie u. a. aus, die Kündigung stelle für sie eine besondere Härte dar, weil ein Umzug aufgrund der gesundheitlichen und finanziellen Situation „schlicht unmöglich“ sei. Der Kläger nahm sie gerichtlich auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch. Das AG hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das LG nach einem schriftlichen psychiatrischen Sachverständigengutachten und ergänzender Anhörung des Sachverständigen zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung (BGH 10.4.24, VIII ZR 114/22, Abruf-Nr. 241460).

     

    Entscheidungsgründe

    Ein Anspruch der Mieter auf Fortsetzung des Mietverhältnisses nach §§ 574, 574a BGB kann mit der vom LG gegebenen Begründung nicht verneint werden. Nach § 574 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Mieter einer an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung widersprechen und vom Vermieter verlangen, das Mietverhältnis fortzusetzen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Als solche Härtegründe kommen nur mit einem Umzug verbundene Nachteile für den durch § 574 Abs. 1 S. 1 BGB geschützten Personenkreis in Betracht, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben (st. Rspr.: BGH 22.5.19, VIII ZR 180/18; 26.10.22, VIII ZR 390/21). Nach dem BGH können Erkrankungen i. V. m. weiteren Umständen einen Härtegrund i. d. S. darstellen. Lässt der gesundheitliche Zustand einen Umzug nicht zu oder besteht die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des erkrankten Mieters oder von Familien- oder Haushaltsangehörigen bei einem Wohnungswechsel, kann sogar dies allein ein Härtegrund sein.