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  • · Fachbeitrag · Kündigung

    Augen auf bei Abfassung und Prüfung des Kündigungsschreibens

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Zur Kündigung eines Mietverhältnisses gegenüber mehreren Mietern (BGH 10.12.14, VIII ZR 25/14, Abruf-Nr. 174143).

     

    Sachverhalt

    Die Beklagte B und ihre Schwester C sind Erben nach ihrer am 7.1.12 verstorbenen Mutter M, die Mieterin der Wohnung der Klägerin K war. B und C zeigten der K am 1.2.12 den Tod der M an. Das Schreiben, das mit den Absenderanschriften der B unter der streitgegenständlichen Wohnung und der C in D-Stadt versehen war, lautet:

     

    • Wortlaut des Fortsetzungsschreibens der Erbinnen

    Wir haben mit unserer Mutter in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und sind nun nach § 563 Abs. 2 BGB per Gesetz an die Stelle unserer Mutter in das Mietverhältnis getreten. Hiermit erklären wir, dass wir das bestehende Mietverhältnis fortsetzen wollen. Weitere Erben oder Anspruchsberechtigte gibt es nicht. Die Miete wird in Zukunft von B überwiesen. Im Schriftverkehr wenden Sie sich bitte auch an B (wobei der Vorname handschriftlich eingefügt ist).

    • Wortlaut des Kündigungsschreibens der Vermieterin

    Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit mache ich von meinem Sonderkündigungsrecht laut BGB § 563 (Eintrittsrecht bei Tod des Mieters) Gebrauch, da Sie nicht im Haushalt Ihrer Mutter gelebt haben. Ich kündige zum nächstmöglichen Zeitpunkt fristgerecht.

    Auf dem Schreiben befindet sich der von der B unterschriebene handschriftliche Vermerk: „Am 29.2.12 erhalten: Diese Kündigung wird umgehend an die C weitergeleitet“. Die Räumungsklage bleibt in den Instanzen erfolglos. Der BGH verweist den Rechtsstreit an das LG zurück.

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Treten beim Tod des Mieters keine Personen i.S. des § 563 BGB in das Mietverhältnis ein oder wird es nicht mit ihnen nach § 563a BGB fortgesetzt, wird es gemäß § 564 S. 1 BGB mit dem Erben fortgesetzt. Gemäß Satz 2 ist in diesem Fall sowohl der Erbe als auch der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis innerhalb eines Monats außerordentlich mit der gesetzlichen Frist zu kündigen, nachdem sie vom Tod des Mieters und davon Kenntnis erlangt haben, dass ein Eintritt in das Mietverhältnis oder dessen Fortsetzung nicht erfolgt sind.

     

    Kündigungsgrund § 564 BGB

    Der BGH teilt die Auslegung des LG, dass die Kündigungserklärung der K (auch) eine Kündigung nach § 564 BGB enthält. Grund: Die K hat durch die im Sachverhalt beschriebene Formulierung den Eintritt der B in das Mietverhältnis gemäß § 563 BGB bestritten und ihr Räumungsverlangen in materieller Hinsicht auf die (nachrangig zu prüfende) Kündigungsregelung in § 564 BGB gegen die B als (Mit-)Erbin und Rechtsnachfolgerin nach ihrer verstorbenen M als Mieterin gestützt.

     

    Richtiger Adressat der Kündigung

    Die Kündigung nach § 564 BGB ist empfangsbedürftige Willenserklärung i.S. des § 130 BGB und muss gegenüber sämtlichen Erben als Rechtsnachfolgern des verstorbenen Mieters erfolgen. Damit hängt die formelle Wirksamkeit der Kündigung davon ab, an wen das allein der B überreichte Kündigungsschreiben vom 29.2.12 adressiert ist.

     

    Anders als das LG legt der BGH das Kündigungsschreiben in Verbindung mit dem handschriftlichen Zusatz gemäß §§ 133, 157 BGB dahin aus, dass die K ihre auf § 564 BGB gestützte Kündigung ersichtlich an beide Töchter als nach dem Tod der Mieterin in Betracht kommende Erben richten wollte und dies auch - wie allein schon der auf das Kündigungsschreiben gesetzte Weiterleitungsvermerk zeigt - für alle Beteiligten ersichtlich war.

     

    Merke | Der BGH postuliert, dass der Erklärungsempfänger verpflichtet ist, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat. Entscheidend ist dabei der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden.

     

    Ausgehend von der gemäß § 133 BGB maßgeblichen Sicht der Schwester C der B als Empfängerin, lässt sich - so der BGH - nicht schon der allgemein gehaltenen Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ entnehmen, dass sich die Kündigung auch an die Schwester richten sollte. Die K hat diesen Mangel ihrer Kündigungserklärung aber durch den bei Übergabe an die B aufgenommenen handschriftlichen Zusatz geheilt. Grund: Der K ging es ersichtlich nicht - wie es das LG angenommen hat - um eine Kenntnis der Schwester von der gegenüber B erfolgten Kündigung, sondern um die Beendigung des Mietverhältnisses insgesamt. Dies war nur durch die Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber beiden Töchtern der verstorbenen Mieterin als deren Erbinnen zu erreichen. Dieser objektive Erklärungsgehalt des Weiterleitungszusatzes konnte einem redlichen Erklärungsempfänger nicht verborgen bleiben.

     

    Zugang des Kündigungsschreibens

    Zwar hat die K das Kündigungsschreiben nur der B übergeben. Aus der maßgeblichen Sicht der K ist das Schreiben von B und C vom 1.2.12 aber als Erteilung einer Vollmacht für B zur Entgegennahme von Willenserklärungen aus dem Mietverhältnis auszulegen. Das heißt: Beiden Mieterinnen ist die Kündigung innerhalb der Monatsfrist des § 564 S. 2 BGB rechtzeitig zugegangen.

     

    Nach BGH NJW 97, 3437 ist die gegenseitige Bevollmächtigung der Mieter zur Entgegennahme von Erklärungen durch die folgende in einem formularmäßigen Wohnraummietvertrag enthaltene Klausel wirksam:

     

    • Wirksame Bevollmächtigungsklausel

    Erklärungen, deren Wirkung die Mieter berührt, müssen von oder gegenüber allen Mietern abgegeben werden. Die Mieter bevollmächtigen sich jedoch gegenseitig zur Entgegennahme solcher Erklärungen. Diese Vollmacht gilt auch für die Entgegennahme von Kündigungen, jedoch nicht für Mietaufhebungsverträge.

     

    Wegen der festgestellten Empfangsvollmacht für die B konnte der BGH offen lassen, ob die hiervon sprachlich abweichende Formularklausel in § 20 des Mietvertrags einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält:

     

    • Formularklausel im Mietvertrag

    Für die Rechtswirksamkeit einer Erklärung des Vermieters genügt es, wenn sie gegenüber einem der Mieter abgegeben wird. Willenserklärungen eines Mieters sind auch für die anderen Mieter verbindlich. Die Mieter bevollmächtigen sich hiermit gegenseitig zur Abgabe und Entgegennahme von Willenserklärungen, und zwar unter gegenseitiger Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Dies gilt nicht für die Kündigung eines Mieters.

     

    Eintrittsrecht gemäß § 563 Abs. 2 BGB

    Nach § 563 Abs. 2 BGB treten Kinder des Mieters mit dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis ein, wenn sie in dem gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Die materielle Begründung der Kündigung gemäß § 564 BGB setzt voraus, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist. Das heißt: Das LG muss vorab prüfen, ob ein Eintritt der B in das Mietverhältnis gemäß § 563 Abs. 2 S. 1 BGB als im Haushalt der verstorbenen Mieterin lebendes Kind erfolgt ist. Der BGH weist darauf hin, dass insoweit keine überspannten Anforderungen zu stellen sind.

     

    Beachten Sie | Der Tatbestand des § 563 Abs. 2 S. 1 BGB erfordert danach nicht, dass das Kind wie ein übriger Angehöriger den Haushalt zusammen mit dem verstorbenen Mieter geführt haben muss, sondern es reicht aus, dass es lediglich in dessen Haushalt gelebt hat.

     

    Räumungsklage nur gegen einen Mieter

    Die Zulässigkeit der Klage scheitert nicht daran, dass die K Räumung der Wohnung (zunächst) nur der B gegenüber begehrt. Grund: Die Rückgabepflicht mehrerer Mieter ist eine Gesamtschuld, die gegen jeden der Schuldner besonders geltend gemacht werden kann, §§ 427, 431 BGB (BGH MK 06, 47, Abruf-Nr. 053233; NJW 96, 515). Hieran hält der VIII. Senat fest.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2015 | Seite 21 | ID 43150371