· Fachbeitrag · Mieterhöhung
Abschlag auf Mietspiegel der Nachbargemeinde kann fehlende Vergleichbarkeit nicht kompensieren
von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf
Die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung ist unzulässig, wenn ihr kein wirksames Mieterhöhungsverlangen vorausgegangen ist (BGH 13.11.13, VIII ZR 413/12, Abruf-Nr. 140006). |
Sachverhalt
Die monatliche Grundmiete für die von der Beklagten gemietete und in der Gemeinde R gelegene Wohnung der Klägerin beträgt seit Mietbeginn unverändert 271,50 EUR. Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 19.12.11 wurde die Beklagte aufgefordert, mit Wirkung ab 1.3.12 eine monatliche Kaltmiete von 324,50 EUR zu zahlen. Zur Begründung wurde auf den beigefügten Mietspiegel der Stadt Nürnberg unter Berücksichtigung eines Abzugs von 30 Prozent Bezug genommen. Die Gemeinde R (ca. 4.450 Einwohner) liegt von der Nürnberger Stadtgrenze etwa fünf Kilometer entfernt. AG und LG haben die Zulässigkeit der Klage durch Zwischenurteil bejaht. Der BGH weist die Klage als unzulässig ab.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Die Klage konnte nur Erfolg haben, wenn ihr ein zulässiges Mieterhöhungsverlangen zugrunde lag. Der BGH hat dies zutreffend verneint.
Nach § 558a Abs. 1 BGB ist das Mieterhöhungsverlangen nach § 558 BGB dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen. Die Begründung soll dem Mieter die Möglichkeit geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden und eine außergerichtliche Einigung zu fördern (BGH MK 06, 211, Abruf-Nr. 062858; MK 06, 66, Abruf-Nr. 053632). Das heißt: Die Begründung muss dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens geben, damit er während der Überlegungsfrist die Berechtigung der Mieterhöhung überprüfen und sich darüber schlüssig werden kann, ob er dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder nicht. An das Begründungserfordernis dürfen zwar aus verfassungsrechtlichen Gründen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (BVerfGE 49, 244; BGH MK 04, 45, Abruf-Nr. 040245). Gleichwohl muss das Erhöhungsverlangen - in formeller Hinsicht - Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (BGH MK 08, 55, Abruf-Nr. 080310).
Nur ein formell wirksames Mieterhöhungsverlangen eröffnet den Klageweg für die materiell-rechtliche Prüfung, ob die konkret von dem Vermieter verlangte Mieterhöhung nach § 558 BGB tatsächlich berechtigt ist, insbesondere ob die neue Miete innerhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Ist das Mieterhöhungsverlangen vorprozessual dagegen nicht in gesetzlicher Form abgefasst, ist die Klage auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung unzulässig. Grund: Ein unwirksames Mieterhöhungsverlangen löst die Überlegungsfrist nicht aus (BGH NZM 04, 581; MK 06, 192, Abruf-Nr. 062425; NJW 08, 848). Hieran hält der VIII. Senat fest.
Das Gesetz stellt dem Vermieter zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens in § 558a Abs. 2 BGB vier Begründungsmittel zur Verfügung, nämlich:
- Auskunft aus einer Mietdatenbank (§ 558e BGB),
- mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen,
- entsprechende Entgelte für einzelne vergleichbare Wohnungen. Hierbei genügt laut Gesetz die Benennung von drei Wohnungen.
Wie die gesetzliche Formulierung „Zur Begründung kann insbesondere Bezug genommen werden auf …“ belegt, enthält Abs. 2 keine enumerative Aufzählung der zulässigen Begründungsmittel. Unter den in § 558a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 S. 2 BGB genannten Voraussetzungen kann auch der Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde zur Begründung herangezogen werden, wenn kein örtlicher Mietspiegel vorhanden ist (BGH MK 10, 184, Abruf-Nr. 102344).
Bezieht sich der Vermieter - wie hier - zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens auf den Mietspiegel einer Nachbargemeinde, setzt die Zulässigkeit der Zustimmungsklage voraus, dass es sich i.S. des § 558a Abs. 4 S. 2 BGB um den Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde (hierzu Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 11. Aufl., § 558a BGB, Rn. 44 ff.) handelt. Die Zulässigkeit der Klage kann im Bestreitensfall durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO) geklärt werden.
Im Streitfall verneint der BGH die Vergleichbarkeit der Gemeinde R mit der Stadt Nürnberg. Der Grund ist offensichtlich. Die Gemeinde R. mit etwa 4.450 Einwohnern ist mit der Großstadt Nürnberg mit rund 500.000 Einwohnern nicht vergleichbar. Der BGH folgt LG Heidelberg (WuM 12, 205), wonach es unerheblich ist, ob einzelne Gemeindeteile der Nachbargemeinde vergleichbar sind, wenn der Mietspiegel der Nachbargemeinde sich über deren gesamtes Gemeindegebiet erstreckt. Das heißt: Dass in ruhigeren Randgebieten Nürnbergs die Wohnqualität mit derjenigen der nahe gelegenen Gemeinde R. vergleichbar sein mag, ist für die Vergleichbarkeit beider Gemeinden i.S. des § 558a Abs. 4 BGB unerheblich. Über die dort ortsübliche Miete gibt der für das gesamte Stadtgebiet Nürnbergs erstellte Mietspiegel keine Auskünfte.
Das Berufungsgericht hat dies offensichtlich erkannt und versucht, die fehlende Vergleichbarkeit durch einen prozentualen Abschlag von 30 Prozent auf den Nürnberger Mietspiegel zu kompensieren. Auch diesem Lösungsansatz erteilt der BGH eine Absage. Grund: Gemäß § 558a Abs. 4 BGB ist der Mietspiegel einer anderen Gemeinde nur unter der Voraussetzung ein taugliches Mittel zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens, dass es sich um einen Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde handelt.