Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Mieterhöhung

    Zutrittsrecht des Vermieters vor Mieterhöhung

    von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin

    | Seit der Entscheidung des BGH vom 4.6.14 (VIII ZR 289/13 ) zum Recht des Vermieters, das Mietobjekt zu betreten, schien alles geklärt. Zuletzt hat der BGH aber über die Grenzen des Zutrittsrechts bei Gefahr schwerwiegender Gesundheitsbeeinträchtigungen eines psychisch kranken Mieters entschieden (26.4.23, VIII ZR 420/21, Abruf-Nr. 235962 ). Er hat sich nun noch einmal näher mit dem sachlichen Grund für die Besichtigung befasst, konkret zur Vorbereitung einer Mieterhöhung im Verfahren nach §§ 558 ff. BGB. |

    Sachverhalt

    Der Beklagte ist Mieter einer Doppelhaushälfte der Klägerin. Die Klägerin beabsichtigt, die Miete für die vom Mietspiegel nicht erfasste Doppelhaushälfte bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu erhöhen (§ 558 BGB). Zu deren Ermittlung hat sie einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Der Beklagte verweigerte den von der Klägerin mehrfach erbetenen Zutritt in Begleitung des Sachverständigen mit der Begründung, das Gutachten könne auch ohne eine Besichtigung angefertigt werden. Die Klage auf Duldung des Betretens des Mietobjekts durch die Klägerin nebst Sachverständigen nach schriftlicher Vorankündigung von mindestens einer Woche sowie auf Ermöglichung des Zutritts durch den Beklagten zu bestimmten Zeiten an Werktagen hatte vor dem AG Erfolg. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Seine (zugelassene) Revision hat er nach Hinweis des BGH zurückgenommen (BGH 28.11.23, VIII ZR 77/23, Abruf-Nr. 239447).

    Entscheidungsgründe

    Die Voraussetzungen, unter denen dem Vermieter ein Recht zum Betreten des Mietobjekts zusteht, sind ‒ so der BGH ‒ seit Längerem geklärt. Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung des Zutritts zu der vom Beklagten angemieteten Doppelhaushälfte ‒ gemeinsam mit dem von ihr mit der Erstellung eines Gutachtens zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete beauftragten öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen (§ 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB) ‒ folgt aus § 242 BGB in Verbindung mit dem Mietvertrag der Parteien.

     

    Zutrittsgewährung durch Mieter

    Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH trifft den Mieter eine vertragliche, aus § 242 BGB herzuleitende Nebenpflicht, dem Vermieter ‒ nach Vorankündigung ‒ den Zutritt zur Wohnung zu gewähren, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt (BGH 4.6.14, VIII ZR 289/13; 26.4.23, VIII ZR 420/21, Abruf-Nr. 235962). Bei der Prüfung, ob ein solcher Grund vorliegt, ist einerseits dem Eigentumsrecht des Vermieters (Art. 14 Abs. 1 GG), andererseits dem Recht des Mieters, in den Mieträumen „in Ruhe gelassen“ zu werden (Art. 13 Abs. 1 GG), und seinem ebenfalls von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht am Besitz der Mietwohnung Rechnung zu tragen. Die Tatgerichte sind insofern gehalten, die widerstreitenden grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Vertragsparteien zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (BGH 26.4.23, a. a. O.).

     

    Das Interesse der Klägerin, die Mietsache zwecks Vorbereitung einer Vergleichsmietenerhöhung (§ 558 Abs. 1 BGB) durch einen Sachverständigen (§ 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB) zu besichtigen, stellt einen sachlichen Grund im Sinne der BGH-Rechtsprechung dar. Die mit der Besichtigung einhergehenden lediglich geringfügigen Beeinträchtigungen der von Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen des beklagten Mieters treten hinter die ebenfalls von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Klägerin zurück, als Eigentümerin eine am örtlichen Markt orientierte, die Wirtschaftlichkeit der Mietsache regelmäßig sicherstellende Miete zu erzielen.

     

    Begründung des Mieterhöhungsverlangens

    Nach § 558 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Gemäß § 558 Abs. 2 S. 1 BGB sind für die ortsübliche Vergleichsmiete die Entgelte maßgebend, die für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit gelten. Das Erhöhungsverlangen nach § 558 BGB ist dem Mieter gegenüber in Textform zu erklären und zu begründen (§ 558a Abs. 1 BGB). Nach § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB kann der Vermieter zur Begründung auf ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Bezug nehmen. Nur falls ein qualifizierter Mietspiegel vorliegt, der Angaben für die Wohnung enthält, muss der Vermieter die Angaben auch mitteilen, wenn er die Mieterhöhung auf ein anderes Begründungsmittel stützt, § 558a Abs. 3 BGB. Im Streitfall enthielt der Mietspiegel keine Angaben zu der vom Mieter bewohnten Doppelhaushälfte.

     

    Zur Beschaffenheit der Mietsache im Sinne des § 558 Abs. 2 BGB gehört auch deren Erhaltungszustand. Dieser kann nur im Rahmen einer Besichtigung auch des Inneren der Wohnräume festgestellt werden. Das Interesse der Klägerin, dem mit der Gutachtenerstellung beauftragten Sachverständigen (§ 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB) eine Besichtigung der Doppelhaushälfte zu ermöglichen, ist deshalb ein sachlicher Grund für den erstrebten Zutritt zur Wohnung. Das Betretungsrecht ist nicht etwa deshalb zu verneinen, weil die Klägerin ein Mieterhöhungsverlangen (§ 558 Abs. 1 BGB) auch formell wirksam erklären könnte, ohne das Mietobjekt zu besichtigen.

     

    Beachten Sie | Ein Mieterhöhungsverlangen nach § 558 Abs. 1 BGB ist nach der BGH-Rechtsprechung nicht formell unwirksam, wenn sich der Vermieter zur Begründung auf das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen (§ 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB) stützt, der die Wohnräume nicht besichtigt hat (BGH 11.7.18, VIII ZR 190/17 und VIII ZR 136/17.). Daraus folgt jedoch nicht, dass den schutzwürdigen Belangen des Mieters, in den Mieträumen „in Ruhe gelassen“ zu werden, der Vorrang vor denen des Vermieters an einer Besichtigung des Mietobjekts einzuräumen wäre und es in Fällen dieser Art (stets) am Vorliegen eines sachlichen Grunds für einen Zutritt zur Wohnung fehlen würde.

     

    Auch wenn er zur Wahrung der formellen Anforderungen eines Mieterhöhungsverlangens nicht zwingend darauf angewiesen ist, dass der Sachverständige die Mieträume zuvor besichtigt hat, besteht ein Interesse des Vermieters daran, eine Mieterhöhungserklärung, die im Fall einer fehlenden Zustimmung des Mieters die Grundlage eines prozessualen Klagebegehrens bilden kann, unter Beachtung sämtlicher Einzelfallumstände auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtssicher zu erklären. Aufgrund einer ‒ regelmäßig gebotenen ‒ Besichtigung fließt die Beschaffenheit der Wohnung einschließlich etwaiger Eigenheiten möglichst realitätsnah in die Begutachtung und damit in die durch den Sachverständigen ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete ein. Die Besichtigung kann so überflüssige Prozesse vermeiden, indem sie die Bereitschaft des Mieters zur außergerichtlichen Einigung fördert.

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung lässt sich auf andere Fälle übertragen, in denen es auf die konkrete Beschaffenheit der Mietsache ankommt (z. B. Instandsetzungsbedarf, Modernisierung). Der BGH stellt klar: Der Vermieter muss sein Besichtigungsrecht rücksichtsvoll ausüben. Er sollte das berechtigte Interesse des Mieters, in den Mieträumen „in Ruhe gelassen“ zu werden, nicht überstrapazieren. Umgekehrt muss der Mieter das Prozess- (und Kosten-)Risiko bedenken, wenn er sich gegen eine Besichtigung wehrt, ohne dem sachlichen Grund des Vermieters wirklich etwas entgegensetzen zu können. Bemerkenswert ist am Rande, dass im Rahmen einer Mieterhöhung nach § 558 Abs. 1 BGB nach den Kriterien für die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 BGB mieterseitige Ausstattungen außer Betracht bleiben (BGH 7.7.10, VIII ZR 315/09; 11.2.14, VIII ZR 220/13), dem Vermieter die von ihm überlassene Ausstattung (eigentlich) bekannt sein muss. Insoweit bedarf es eher nicht der Besichtigung.

     

    Im Streitfall ist für den BGH die Feststellung des Erhaltungszustands als Teilaspekt der Beschaffenheit der Mietsache nach § 558 Abs. 2 S. 1 BGB der das Besichtigungsinteresse tragende Grund. Hier ist Vorsicht geboten: Er hat kürzlich entschieden: Behebbare Mängel, die mit einer nur unerheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung einhergehen, nehmen dem Mieter auch dann nicht das Recht zur Minderung, wenn dies als (Minder-)Ausstattung bereits im Rahmen der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete zulasten des Vermieters berücksichtigt wurde (BGH VIII ZR 51/20). Ob das umgekehrt genauso gilt, könnte man nun bezweifeln (vgl. Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, § 558 Rn. 30).

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2024 | Seite 69 | ID 49960237