· Miethöhe
Wiedervermietungsmiete: Verlängerung der Begrenzung ist verfassungsgemäß

von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin
| Die Regelungen zu Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB, „Mietpreisbremse“) gehören zu den am meisten umkämpften Vorschriften im sozialen Wohnraummietrecht des BGB. Gegner hielten sie für verfassungswidrig, Befürworter für nicht weitgehend genug. Die Diskussion sollte durch die Entscheidung des BVerfG vom 18.7.19 (NZM 19, 676) ‒ zumindest außerhalb Berlins ‒ ein vorläufiges Ende finden. In seinem Beschluss zum „Berliner Mietendeckel“ erwähnte das BVerfG die Vorschriften später als Bestandteil des Regelungskonzepts des Bundesgesetzgebers im Mietpreisrecht (NZM 21, 347). Die Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit einer Begrenzung der Miethöhe bei der Wiedervermietung von Wohnraum flammte ‒ wenn auch deutlich weniger intensiv ‒ mit der Möglichkeit der Landesregierungen erneut auf, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung nun für jeweils fünf Jahre bis maximal 31.12.25 zu bestimmen. Über die Verfassungsmäßigkeit der so bewirkten Verlängerung der Begrenzung der Miethöhe hat der BGH nun entschieden und dabei auch die Besonderheiten von Staffelmietvereinbarungen eingehend geprüft. |
Sachverhalt
Die Parteien schlossen im September 2015 einen Staffelmietvertrag über eine Wohnung in Berlin. Die monatliche Nettokaltmiete sollte sich von anfangs 1.299 EUR im Oktober eines jeden Jahres erhöhen. Für den Zeitraum 10/21 bis 9/22 betrug die vereinbarte Nettokaltmiete monatlich 1.931 EUR, die ortsübliche Vergleichsmiete lag bei ca. 910 EUR. Die Vermieterin hatte bereits mit dem vorherigen Mieter eine Staffelmiete vereinbart; der Mietvertrag aus 2013 sah für den Zeitpunkt des Auszugs des Vormieters eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von 1.280 EUR vor, die sich dann jährlich weiter erhöhen und ab 12/21 2.175 EUR betragen sollte. Im November 2018 rügten die Mieter einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe. Mit der Klage verlangten sie (u. a.), festzustellen, dass die von ihnen geschuldete Nettomiete im Zeitraum 1/22 bis 9/22 (nur) 1.280 EUR monatlich beträgt.
Die Klage hatte vor dem AG Erfolg. Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision mit der Begründung zugelassen, die von der Beklagten infrage gestellte Verfassungsmäßigkeit der §§ 556d ff. BGB für die Zeit ab dem 1.6.20 sei von grundsätzlicher Bedeutung. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg (BGH 18.12.24, VIII ZR 16/23, Abruf-Nr. 245752).
Entscheidungsgründe
Der BGH bestätigt zunächst, dass die für den Zeitraum ab 12/21 im Vormietverhältnis vereinbarte Staffel als Vormiete kein Argument zugunsten der Vermieterin sei. Sie kann sich (nur) auf die Vormiete berufen, die der Vormieter während des Vormietverhältnisses zuletzt (tatsächlich) schuldete, § 556e Abs. 1 S. 1 BGB (1.280 EUR), nicht hingegen auf die Mietstaffel, die mit diesem ‒ bei Fortbestand des Mietverhältnisses ‒ für die Zeit ab 12/21 vereinbart war (2.175 EUR). Diese Mietstaffel ist wegen der Beendigung des Vormietverhältnisses nicht mehr zur Geltung gelangt, weshalb der vorherige Mieter den Betrag nicht im Sinne des § 556e Abs. 1 S. 1 BGB „zuletzt schuldete“. Die Beurteilung der Wirksamkeit der ab 10/21 im Mietvertrag ausgewiesenen Staffel richtet sich nach den §§ 556d ff. BGB in der ab dem 1.4.20 geltenden Fassung i. V. m. der Zweiten Berliner Mietenbegrenzungsverordnung.
MERKE | Der Mietvertrag wurde zwar bereits Anfang 9/15 geschlossen. Nach § 557a Abs. 4 S. 1 BGB sind die §§ 556d ff. BGB aber auf jede Mietstaffel anzuwenden. Nach S. 2 ist für die Berechnung der nach § 556d Abs. 1 BGB zulässigen Höhe der zweiten und aller weiteren Mietstaffeln statt des Beginns des Mietverhältnisses der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die erste Miete der jeweiligen Mietstaffel fällig wird. Der maßgebliche Zeitpunkt ist hier der 1.10.21, weil die Mieter die Feststellung der höchst zulässigen Miete für den Zeitraum Januar bis September 2022 begehren. Art. 229 § 35 Abs. 2 EGBGB bestimmt zudem, dass § 557a Abs. 4 BGB (nur) auf Mietstaffeln nicht mehr anzuwenden ist, deren erste Miete zu einem Zeitpunkt fällig wird, in dem die Wohnung nicht mehr in den Anwendungsbereich einer Rechtsverordnung nach § 556d Abs. 2 BGB fällt. Nach aktueller Rechtslage (§ 556d Abs. 2 S. 4 BGB) müssen Gebietsverordnungen spätestens mit Ablauf des 31.12.25 außer Kraft treten. Für Staffelmietverträge, die im Geltungsbereich von Gebietsverordnungen liegen, die den Ermächtigungszeitraum ausschöpfen, bedeutet das (aktuell): Staffeln, deren erste Miete nach dem 1.1.26 fällig wird, sind in der im Mietvertrag ausgewiesenen Höhe zu zahlen. |
Der BGH begründet dann im Einzelnen, weshalb die Verlängerung der §§ 556d ff. BGB verfassungsgemäß und die auf der Grundlage des § 556d Abs. 2 BGB erlassene Zweite Berliner Mietenbegrenzungsverordnung wirksam ist.
Umfang der Prüfungskompetenz der Zivilgerichte
Den Zivilgerichten obliegt bei einem Rechtsstreit über die zulässige Höhe der Wiedervermietungsmiete die Pflicht, die Vereinbarkeit der §§ 556d ff. BGB mit dem Verfassungsrecht sowie der einschlägigen landesrechtlichen Mietenbegrenzungsverordnung i. S. d. § 556d Abs. 2 BGB mit höherrangigem Recht zu prüfen. Das allgemeine richterliche Prüfungsrecht ist dabei im Fall eines (nachkonstitutionellen) förmlichen Gesetzes im Hinblick auf das Verwerfungsmonopol des BVerfG (Art. 100 Abs. 1 GG) auf eine inzidente Bejahung der Verfassungsmäßigkeit beschränkt; bei deren Verneinung reduziert sich die Prüfungskompetenz auf ein bloßes Vorprüfungsrecht. Anders verhält es sich bei einer untergesetzlichen Norm, vor allem einer Rechtsverordnung: Hier darf jeder Richter deren Ungültigkeit feststellen und sie bei seiner Entscheidung unbeachtet lassen.
Eine Verfassungswidrigkeit der §§ 556d ff. BGB vermag der BGH auch in der seit dem 1.4.20 geltenden Fassung des Gesetzes nicht zu erkennen. Er bezieht sich auf das BVerfG, das die mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz in den §§ 556d ff. BGB getroffenen Bestimmungen zur Begrenzung der zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten in ihrer am 1.6.15 in Kraft getretenen ursprünglichen Fassung sowohl ihrem Inhalt nach als auch in ihrer Regelungskonzeption als verfassungsgemäß beurteilt hat (BVerfG 18.7.19, NZM 19, 676). Ausgehend von diesen Feststellungen nimmt der BGH die verfassungsrechtliche Prüfung der Verlängerung der Regelungen vor.
Legitimes Regelungsziel
Mit der gesetzlichen Miethöhenregulierung in § 556d Abs. 1 BGB verfolge der Gesetzgeber ein legitimes Regelungsziel. Es soll dem festgestellten überdurchschnittlich starken Anstieg der Mieten bei der Wiedervermietung von Bestandswohnungen auf angespannten Wohnungsmärkten entgegengewirkt werden, der zu zunehmend größeren Schwierigkeiten von einkommensschwächeren Haushalten, aber auch von Durchschnittsverdienern, vor allem Familien mit Kindern, bei der erfolgreichen Suche nach einer noch bezahlbaren Wohnung und in deren Folge zu einer Verdrängung erheblicher Teile der Wohnbevölkerung aus ihren angestammten, stark nachgefragten Wohnquartieren geführt hatte. Die Dämpfung des Preisanstiegs soll den Zugang der Bevölkerung zu bezahlbaren Mietwohnungen in ihrem bisherigen Wohnviertel sichern und der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Wohnquartieren in Folge großer Mietsteigerungen bei Abschluss eines neuen Mietvertrags entgegenwirken (vgl. zum MietNovG BT-Drucksache 18/3121, S. 1, 11, 15, 18; BVerfGE 157, 223 Rn. 172 [zum sog. „Berliner Mietendeckel“]). Dieser im öffentlichen Interesse liegende Zweck wird vom Gesetzgeber mit dem Verlängerungsgesetz wegen des als nicht sachgerecht angesehenen Auslaufens der ursprünglich vorgesehenen Befristung weiterverfolgt (BT-Drucksache 19/15824, S. 1, 9 ff.).
Eignung zum Erreichen des Regelungsziels
Die durch § 556d Abs. 1 BGB bewirkte Regulierung der Miethöhe bei Wiedervermietung von Wohnraum ist zur Erreichung dieses Ziels auch (weiter) geeignet.
MERKE | Ein Mittel ist bereits dann geeignet im verfassungsrechtlichen Sinne, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg erreicht werden kann, wobei die (abstrakte) Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Dem Gesetzgeber steht bei der Einschätzung ein (weiter) Beurteilungs- und Prognosespielraum zu. Das vom Gesetzgeber eingesetzte Mittel darf nur darauf überprüft werden, ob es „objektiv untauglich oder ungeeignet“ bzw. „schlechthin ungeeignet“ war. Das wiederum darf nur angenommen werden, wenn bei Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes eindeutig die Zweckuntauglichkeit der Maßnahme festgestellt werden könnte. |
Der BGH hat keine Zweifel an der Geeignetheit der vom Gesetzgeber mit der Verlängerung gewählten Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Ziels, einem überdurchschnittlich starken Anstieg der Mieten bei der Wiedervermietung von Bestandswohnungen auf angespannten Wohnungsmärkten entgegenzuwirken. Grundlage seiner Entscheidung seien die Ergebnisse der vom BMJV eingeholten Studie zur „Untersuchung der Wirksamkeit der in 2015 eingeführten Regelungen zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten (Mietpreisbremse)“ gewesen. Die Studie sei zu der Einschätzung gelangt, dass sich die Dynamik der Mietentwicklung in den regulierten Märkten ‒ hinsichtlich des Wirkungsgrads mit Unterschieden zwischen einzelnen Teilmärkten ‒ verlangsamt habe und dies auf die Einführung der Mietpreisbremse zurückzuführen sei. Im Ergebnis zeige sich, dass die Mietpreisbremse den Effekt einer Verlangsamung der Mietdynamik erreicht habe.
Dass sich der Wohnungsmangel auf angespannten Wohnungsmärkten dauerhaft nur durch die Schaffung zusätzlichen Wohnraums bekämpfen lässt, sei dem Gesetzgeber bei Erlass der Vorschriften bewusst gewesen und mit der Ausnahmevorschrift des § 556f BGB bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung berücksichtigt worden. Der Gesetzgeber habe die mit den Regelungen bezweckte Dämpfung des Anstiegs der Wiedervermietungsmiete von vornherein als einzelnes Element einer umfassenderen Bau- und Wohnungspolitik angesehen, um den sozial unerwünschten Preisentwicklungen auf angespannten Wohnungsmärkten als vorübergehende ‒ zügig wirkende ‒ Maßnahme zur Abwehr sozialpolitischer Nachteile zu begegnen. Der Gesetzgeber sei gemäß der Studie auch vertretbar davon ausgegangen, dass es keine belastbaren Hinweise für eine reduzierte Instandhaltungstätigkeit oder eine geringere Wohnqualität von Mietwohnungen als Folge der gesetzlichen Miethöhenregulierung gebe (BT-Drucksache 19/15824, S. 9).
Erforderlichkeit zum Erreichen des Regelungsziels
Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können. Ihm steht ein (weiter) Beurteilungs- und Prognosespielraum zu. Die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung kann grundsätzlich nur von Verfassungs wegen verneint werden, wenn sich eindeutig feststellen lässt, dass für die Erreichung des verfolgten Zwecks andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen.
Der Gesetzgeber ist u. a. aufgrund der DIW-Studie zu der Einschätzung gelangt, dass die für die Miethöhenregulierung maßgebliche Ausgangslage im Wesentlichen fortbesteht und sich die angespannte Lage in vielen Gebieten bislang noch nicht (ausreichend) deutlich gebessert hat. Die in der Begründung zum Regierungsentwurf des Verlängerungsgesetzes enthaltene Gegenüberstellung der aktuellen Angebotsmieten in ausgewählten deutschen Städten mit den jeweiligen Vergleichsmieten nach dem Mietspiegelindex 2018 weise eine fortbestehende Abweichung der aktuell geforderten Wiedervermietungsmieten von den Mieten in Bestandsmietverträgen aus, die bis zu 66 Prozent beträgt.
Der BGH sieht kein anderes gleichwertiges, vergleichbar wirksames (milderes) gesetzgeberisches Mittel, mit dem die rasche Verlangsamung des Anstiegs der Wiedervermietungsmieten bei Bestandswohnungen erreicht werden könnte. Er verweist auf die Gestaltungsmöglichkeiten, die im Gesetzgebungsverfahren erwogen wurden. Eine unbefristete Weitergeltung der Vorschriften habe der Gesetzgeber als nicht vermittelbar angesehen, weil die gesetzliche Regulierung ursprünglich nur als zeitlich begrenzte, die anderen ‒ erst mittel- bis langfristig wirkenden ‒ Instrumentarien nur begleitende Maßnahme eingeführt worden war. Von stärker regulierenden Eingriffen in die Preisbildung (z. B. Absenkung der höchstzulässigen Miete; Streichung der gesetzlichen Ausnahmen für höhere Vormieten, Neubauten und Modernisierungen; Abschaffung der Rügepflicht; räumliche Ausweitung der Vorschriften auf das gesamte Bundesgebiet) habe er wegen der hiervon möglicherweise ausgehenden negativen Folgen auf den Wohnungsmarkt abgesehen.
Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne)
Die Verlängerung der gesetzlichen Miethöhenregulierung bis längstens zum 31.12.25 ist auch im Verhältnis zum angestrebten Zweck angemessen.
Der BGH vermag nicht festzustellen, dass der Gesetzgeber die schutzwürdigen Interessen der Wohnungseigentümer und die Belange des Gemeinwohls nicht in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis gebracht hätte.
MERKE | Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele gegenüberzustellen. Auch hier verfügt er über einen weiten Gestaltungsspielraum. Die von Art. 14 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen wären nach der Rechtsprechung des BVerfG jedenfalls dann überschritten, wenn die Miethöhenregulierung auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter oder zu einer Substanzgefährdung der Mietsache führte. |
Die Grenzen seines Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber mit dem von ihm gewählten und im Rahmen der Verlängerung beibehaltenen Regelungskonzept der §§ 556d ff. BGB nicht überschritten. Die Anknüpfung an die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 556d Abs. 1 BGB) soll die Marktbezogenheit der regulierten Miethöhe und damit die Wirtschaftlichkeit der Vermietung sicherstellen. Die Verlängerung der Vorschriften stellt diesen Marktbezug nicht in Frage. Zwar beschränkt eine an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientierte Mietobergrenze den Vermieter mit fortschreitender Geltungsdauer in zunehmendem Maße an der wirtschaftlichen Verwertung seines Eigentums. Infolge der Verlängerung der gesetzlichen Miethöhenregulierung könne es dazu kommen, dass sich die ortsübliche Vergleichsmiete stärker als bisher von der am unregulierten Markt erzielbaren Miete entfernt. Ausgehend von den Verhältnissen bei Erlass des Verlängerungsgesetzes kann der BGH aber nicht feststellen, dass die vom Vermieter nach den §§ 556d ff. BGB erzielbare Wiedervermietungsmiete ‒ bislang bzw. in der Zeit bis zum Ablauf der in § 556d Abs. 2 S. 4 BGB genannten Höchstfrist für die Geltung einer Landesverordnung ‒ einen hinreichenden Marktbezug nicht mehr aufwiese.
Wegen des zehnprozentigen Zuschlags blieben auch in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt weiterhin (moderate) Steigerungen der Miete bei der Wiedervermietung möglich. Bei einer Staffelmietvereinbarung könne der Vermieter den Zuschlag auch zu späteren Zeitpunkten realisieren (§ 557a Abs. 4 S. 1, 2 BGB). Bei einer Indexmietvereinbarung könne der Vermieter die Miete an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten koppeln, ohne dass diese Mietsteigerungen der Miethöhenregulierung unterliegen (vgl. § 557b Abs. 4 BGB).
Für nach dem 1.10.14 erstmals genutzte und vermietete sowie für erstmals nach einer umfassenden Modernisierung vermietete Wohnungen kann der Vermieter die Miete bei Abschluss des Mietvertrags gemäß § 556f BGB frei von der Miethöhenbegrenzung vereinbaren. Für „einfache“ Modernisierungen erlaube § 556e Abs. 2 BGB einen Zuschlag auf die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Obergrenze. Der BGH stellt fest, dass damit nicht nur die nach § 556d Abs. 1 BGB begrenzten, sondern auch die nach den Ausnahmevorschriften der §§ 556e, 556f BGB zulässigen ‒ regelmäßig höheren ‒ Wiedervermietungsmieten in die ortsübliche Vergleichsmiete einfließen. Aus Sicht des BGH fehlt es deshalb an einer verlässlichen Grundlage für die Annahme, dass die Vorschriften zur Dämpfung der Wiedervermietungsmieten die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete im Zeitpunkt des Erlasses des Verlängerungsgesetzes bereits maßgeblich zulasten des Vermieters beeinflusst hätten.
Zur Schonung des Vermietereigentums habe sich der Gesetzgeber zudem bewusst gegen die im Gesetzgebungsverfahren zur Erreichung einer stärkeren Wirkung der Mietpreisbremse vorgeschlagene Ausweitung der Miethöhenregulierung auf das gesamte Bundesgebiet entschieden und daran festgehalten, dass die jeweilige Landesregierung angesichts der Heterogenität der lokalen Mietwohnungsmärkte die Erforderlichkeit einer Miethöhenregulierung vor Ort regelmäßig am besten beurteilen könne. Die Beibehaltung der Befristung fordere den Gesetzgeber ‒ anders als unbefristete Regelungen ‒ auch im Fall (weiterhin) ausbleibender entspannender Wirkungen von wohnungsmarktfördernden Maßnahmen zudem, die Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit einer (weiteren) gesetzlichen Miethöhenregulierung neu zu überdenken und die diesbezügliche Entscheidung hinreichend zu begründen.
Der BGH vermag auch unter Einbeziehung des Anstiegs der Inflationsrate sowie der Baukostenentwicklung nicht festzustellen, dass die weitere Begrenzung der Wiedervermietungsmiete zu einem Eingriff in die Eigentumssubstanz des Vermieters, vor allem zu dauerhaften Verlusten, zum Wegfall jeder sinnvollen Nutzungsmöglichkeit oder zu einer Substanzgefährdung der Mietsache führe. Er erinnert daran, dass die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nach dem BVerfG nicht schon dadurch in Frage gestellt werde, dass der Eigentümer nicht die höchstmögliche Rendite aus dem Eigentumsobjekt oder die Marktmiete ohne jede Verzögerung und in voller Höhe erzielen kann.
Rechtssicherheit, Vertrauensschutz, unechte Rückwirkung
Der BGH hat auch im Hinblick auf die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Er sieht zwar, dass die Vorschriften zur Begrenzung der Wiedervermietungsmiete nach der ursprünglichen Fassung des § 556d Abs. 2 BGB überwiegend im Verlauf des Jahres 2020 außer Kraft getreten wären. Die nachfolgend neu vereinbarten Wiedervermietungsmieten bzw. die dann erstmals fälligen Mieten einer neuen Mietstaffel wären nicht mehr durch die §§ 556d ff. BGB begrenzt worden. Soweit der Gesetzgeber damit die Rechtslage für künftige Sachverhalte geändert habe, sieht der BGH aber keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand, auf den sich die Vermieter von Wohnungen in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt als Adressaten der Regelung berufen könnten.
MERKE | Das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte begrenzen die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen; deshalb bedarf es einer besonderen Rechtfertigung, wenn er die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Die schlichte Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, ist hingegen verfassungsrechtlich nicht geschützt. Änderungen des Rechts für Sachverhalte der Zukunft kann der Gesetzgeber grundsätzlich ohne Beschränkungen aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes vornehmen. |
Einen besonderen Vertrauenstatbestand hat der Gesetzgeber ‒ so der BGH ‒ mit der ursprünglichen Befristung der Regelungen nicht geschaffen. Er habe eine etwaige Verlängerung bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Mietrechtsnovellierungsgesetz 2015 gerade nicht ausgeschlossen, sondern eine Evaluierung von Geeignetheit und Folgen der neuen Vorschriften angekündigt. Zudem müssen Vermieter auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts ganz allgemein mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und können nicht ohne Weiteres auf das unveränderte Fortbestehen einer ihnen derzeit günstigen Rechtslage vertrauen. Das gelte umso mehr dann, wenn die gesetzlichen Regelungen Gegenstand einer kontroversen öffentlichen Diskussion und weitergehender politischer Forderungen sind.
Der BGH befasst sich im Folgenden mit der (hier gegebenen) Besonderheit, dass der Staffelmietvertrag bereits vor Erlass des Verlängerungsgesetzes geschlossen wurde. Der Verlängerung der Geltung der §§ 556d ff. BGB kommt ‒ bezogen auf den hier vom Feststellungsantrag erfassten Zeitraum ‒ eine unechte Rückwirkung zu. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“). Eine unechte Rückwirkung ist nicht unzulässig. Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an bereits ins Werk gesetzte Sachverhalte anknüpft, den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz beachten. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.
Der BGH räumt dem Vertrauen der Vermieter auf die Beendigung einer gesetzlichen Miethöhenregulierung für künftig fällige Mietstaffeln keinen Vorrang ein. Vermieter von Wohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt konnten nicht davon ausgehen, dass die eingeführten Regelungen zur Begrenzung der Wiedervermietungsmiete mit dem Auslaufen der zeitlichen Geltungsdauer der Landesverordnung entfallen und damit künftig fällig werdende Mietstaffeln in bestehenden Mietverträgen einer Miethöhenregulierung nicht mehr unterliegen würden. Der BGH verweist auch hier auf den bereits im Gesetzgebungsverfahren bekundeten Plan des Gesetzgebers, die Folgen der neuen Vorschriften zu evaluieren, was der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode aufgegriffen habe. Zugleich wurde Bedarf für Änderungen und Ergänzungen der Vorschriften unter Beibehaltung des mit den §§ 556d ff. BGB verfolgten Regelungsziels gesehen.
Der BGH sieht in dem mit der Verlängerung verfolgten Regelungsziel schwerwiegende Gründe des öffentlichen Interesses, die unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit den Eingriff in die Eigentumsposition rechtfertigen und Vorrang vor dem Vertrauen des Eigentümers auf den Fortbestand seiner Rechtsposition haben. Dabei sind nicht nur Neuabschlüsse zur Wiedervermietung, sondern bei laufenden Staffelmietvereinbarungen auch künftige Mietstaffeln in die Miethöhenbegrenzung einzubeziehen. Wären die erst künftig fälligen Mietstaffeln keiner Begrenzung mehr unterworfen, bestünde ein der Zielsetzung der §§ 556d ff. BGB zuwiderlaufender Anreiz für Vermieter, die zunächst begrenzte Miethöhe dann sprunghaft ansteigen zu lassen, um die besonderen Erträge zu realisieren, die sich aus der spezifischen Situation eines angespannten Wohnungsmarkts ergeben. Das Interesse der Eigentümer, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, wird nach der Rechtsprechung des BVerfG durch die Eigentumsgarantie nicht geschützt.
Die Anwendung der §§ 556d ff. BGB setzt eine wirksame Rechtsverordnung auf Landesebene voraus. Der BGH bejaht die Wahrung der verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Vorgaben des ermächtigenden Gesetzes. Er begründet im Einzelnen, weshalb die Verordnung ihrerseits auch verfassungsgemäß ist, vor allem nicht die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt.
Relevanz für die Praxis
Der BGH hat über die Verfassungsmäßigkeit der bis maximal zum 31.12.25 möglichen Geltung der Regelungen zur Begrenzung der Wiedervermietungsmiete zu einer Zeit entschieden, als absehbar war, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung der 20. Legislaturperiode über eine weitere Verlängerung der Regelungen bis zum 31.12.28 nicht mehr das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen wird. Unabhängig von ihrer weiteren Verlängerung werden die Regelungen im BGB mit Ablauf des 31.12.25 aber nicht gegenstandslos. Die Entscheidung bleibt für alle Mietverträge relevant, deren Abschluss in den Verlängerungszeitraum fällt bzw. ‒ bei Staffelmietvereinbarungen ‒ für Staffeln, deren erste Miete in diesem Zeitraum fällig wurde. Die Begründung der Entscheidung dürfte nach dem Entwurf des Koalitionsvertrags der möglichen künftigen Bundesregierung, wonach die „Mietpreisbremse“ zum Schutz der Mieter vor Überforderung zunächst für vier Jahre verlängert werden soll, nun aber auch rechtspolitisch von großer aktueller Bedeutung sein.
