Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Mietpreisbremse

    BVerfG stellt klar: Die „Mietpreisbremse“ ist nicht verfassungswidrig

    von RiOLG a.D. Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Der Vorlagebeschluss des LG Berlin (NZM 18, 118), wonach die Verordnungsermächtigung in § 556d Abs. 2 BGB das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG verletze und § 556d i. V. m. § 556e Abs. 1 S. 1 BGB gegen Art. 3 GG verstoße, hat hohe Wellen geschlagen (z. B. www.iww.de/s2956 ). Tatsächlich war es nur ein Sturm im Wasserglas. Die Auffassung des LG hat bereits die Vorprüfung durch die 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG nicht überstanden. |

    Sachverhalt

    In den Ausgangsverfahren der beiden Normenkontrollverfahren 1 BvL 1/18 und 1 BvL 4/18 wenden sich Berliner Mieter dagegen, dass bei Mietbeginn eine die höchstzulässige Miete übersteigende Miete vereinbart wurde. In der Berufung hat die 67. Zivilkammer des LG Berlin die zugrunde liegenden Verfahren ausgesetzt. Es hat dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 556d Abs. 1 und 2 BGB mit dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG unvereinbar und daher nichtig sei.

     

    Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 1595/18 ist Vermieterin einer Wohnung. Sie wurde von ihrer Mieterin auf Rückzahlung überzahlter Miete in Anspruch genommen. Außerdem sollte festgestellt werden, dass eine abgesenkte Miete gilt. Begründung: Bei Mietbeginn habe die vereinbarte Miete die höchstzulässige Miete überstiegen. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen die überwiegend stattgebenden Entscheidungen der Fachgerichte und mittelbar gegen die gesetzlichen Vorschriften über die Miethöhenregulierung sowie die vom Senat von Berlin erlassene Rechtsverordnung. Die Beschwerdeführerin rügt ebenfalls eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Darüber hinaus sieht sie sich in ihrem Grundrecht auf Eigentum und in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt.

    Entscheidungsgründe und Relevanz für die Praxis

    Alle Anträge gegen die „Mietpreisbremse“ haben keinen Erfolg. Die mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz geschaffenen Bestimmungen zur Regulierung der Miethöhe bei Mietbeginn im nicht preisgebundenen Wohnraum (sogenannte „Mietpreisbremse“) sind nicht verfassungswidrig. Sie verstoßen weder gegen die Garantie des Eigentums, die Vertragsfreiheit, noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Das ist die Quintessenz der gerichtlichen Pressemitteilung aus der zu einem Verfahren zusammengefassten ‒ und hier nur stark verkürzt darstellbaren ‒ Entscheidung des BVerfG vom 18.7.19 (1 BvL 1/18; 1 BvL 4/18 und 1 BvR 1595/18, Abruf-Nr. 211115).

     

    Der Dreierausschuss des ersten Senats hat die Verfassungsbeschwerde der Vermieterin einstimmig nicht zur Entscheidung angenommen. Zudem hat er die Vorlagen des LG Berlin einstimmig als unzulässig verworfen.

     

    Zum Verfahren 1 BvL 1/18 und 1 BvL 4/18

    Die Anforderungen, eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG zu begründen, sind hoch. In der Vorlage muss gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG angegeben werden, inwiefern die Entscheidung des Gerichts in der Sache von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist. Die gerichtlichen Ausführungen müssen deshalb erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat. Es muss in nachvollziehbarer und für das BVerfG nachprüfbarer Weise dargelegt werden, dass es bei der anstehenden Entscheidung auf die Gültigkeit der Norm ankommt und aus welchen Gründen das Gericht von der Unvereinbarkeit der Norm mit der Verfassung überzeugt ist.

     

    An dieser hohen Hürde ist das LG Berlin ‒ wie schon viele Gerichte vor ihm ‒ gescheitert. Grund: Die für nichtig gehaltenen Vorschriften sind im konkreten Fall schon nicht entscheidungserheblich, weil die bei Mietbeginn höchstzulässige Miete die Vormiete nicht übersteigt. Beide Vorlagen legen auch weder ausreichend dar, dass die von ihnen angenommene Ungleichbehandlung wesentlich gleiche Sachverhalte betrifft, noch dass ein Verstoß der Verordnungsermächtigung gegen Art. 3 Abs. 1 GG anzunehmen ist.

     

    Beachten Sie | Der allgemeine Gleichheitssatz erlaubt es einem Beteiligten nicht, eine anderen eingeräumte, ihn selbst nicht betreffende Vergünstigung zu bekämpfen und so auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen. Folge: Ein vorlegendes Gericht ist nicht befugt, dem BVerfG Normen eines Gesetzes zur verfassungsgerichtlichen Kontrolle zu unterbreiten, die die Beteiligten des Ausgangsverfahrens nicht betreffen.

     

    Auch dass die Mietobergrenze nur in einigen angespannten Wohnungsmärkten Anwendung findet, Vermieter also in Abhängigkeit von der Lage ihrer Wohnung abweichenden rechtlichen Regelungen unterliegen, kann für sich genommen keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz begründen. Eine an Regionen ausgerichtete Differenzierung ist in einem Bundesgesetz nicht von vorneherein ausgeschlossen.

     

    Zum Verfahren 1 BvL 1595/18

    Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung i. S. d. § 93a Abs. 2a BVerfGG zu. Es liegt auch kein die Annahme nach § 93a Abs. 2b i. V. m. § 90 Abs. 1 BVerfGG rechtfertigender Grundrechtsverstoß vor.

     

    Es ist bereits verfassungsrechtlich geklärt, wie die als verletzt gerügten Grundrechte auszulegen und anzuwenden sind. Geklärt ist auch die Frage, inwieweit diese Maßstäbe auf das Mietrecht anzuwenden sind (Nachweise Gründe Rz. 49). Gleiches gilt für die Reichweite des Bestimmtheitserfordernisses aus Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG mit Blick auf Verordnungsermächtigungen, mittels derer eine gesetzliche Regelung in Kraft gesetzt werden kann.

     

    § 556d Abs. 1 BGB als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums der zur Vermietung bereiten Wohnungseigentümer ist hinreichend bestimmt, wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und ist erforderlich, um die mit der „Mietpreisbremse“ verfolgten Ziele, einer Verdrängung von einkommensschwächeren Mieterinnen und Mietern aus ihren angestammten Stadtteilen entgegenzuwirken, zu erreichen. Die durch § 556d Abs. 1 BGB eingeführte Regelung der Mietobergrenze ist Vermieterinnen und Vermietern bei der gebotenen Interessenabwägung zumutbar und greift auch nicht gleichheitswidrig in das Vermietereigentum ein.

     

    Beachten Sie | Das BVerfG betont, dass die Eigentumsgarantie nicht gebietet, einmal ausgestaltete Rechtspositionen für alle Zukunft in ihrem Inhalt unangetastet zu lassen. Der Gesetzgeber kann im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums einmal geschaffene Regelungen vielmehr nachträglich verändern und fortentwickeln, auch wenn sich damit die Nutzungsmöglichkeiten bestehender Eigentumspositionen verschlechtern. Gerade auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssen Vermieterinnen und Vermieter mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen. Sie können nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen. Das heißt: Es gibt kein verfassungsrechtlich geschütztes Recht, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können. Ein solches Interesse ist vom Eigentumsschutz des Art. 14 GG nicht umfasst.

     

    Die Eigentumsgarantie wird erst dann verletzt, wenn als Folge der Mietpreisbremse dauerhafte Verluste für den Vermieter, eine Substanzgefährdung der Mietsache oder der Wegfall jeder sinnvollen Nutzungsmöglichkeit auftreten. Das ist weder zu erwarten noch im Streitfall ersichtlich.

     

    Last, not least stellt die Kammer fest, dass auch die Mietenbegrenzungsverordnung für Berlin mit der Verfassung vereinbar ist. Die Verordnungsermächtigung in § 556d Abs. 2 BGB entspricht den Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung ist verhältnismäßig und verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG.

     

    Der Senat von Berlin war weder gehalten, die Verordnung räumlich auf einen Teil der Stadt zu beschränken noch in zeitlicher Hinsicht die höchstmögliche Dauer einer Befristung von fünf Jahren zu unterschreiten. Das BVerfG hat nicht feststellen können, dass ein gleich wirksames, die Grundrechte aber weniger beeinträchtigendes Mittel besteht, um die verfolgten Ziele zu erreichen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur Verfassungswidrigkeit der Hessischen MietenbegrenzungsVO vom 17.11.15 (GVBl. 2015, 397) vgl. BGH NZM 19, 584.
    Quelle: Ausgabe 10 / 2019 | Seite 171 | ID 46114258