· Fachbeitrag · Schönheitsreparaturen
Wer es bei der Dekoration „zu bunt treibt“, haftet bei Rückgabe der Wohnung auf Schadenersatz
von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf
Der Mieter ist gemäß § 535, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er eine in neutraler Dekoration übernommene Wohnung bei Mietende in einem ausgefallenen farblichen Zustand zurückgibt, der von vielen Mietinteressenten nicht akzeptiert wird (BGH 6.11.13, VIII ZR 416/12, Abruf-Nr. 133589). |
Sachverhalt
Die Beklagten waren von Anfang 07 bis 7/09 Mieter einer Doppelhaushälfte der Klägerin. Der Mietvertrag enthielt keine wirksame Abwälzung der Schönheitsreparaturen. Die Beklagten übernahmen das Objekt in weißer Farbe frisch renoviert. Sie strichen danach einzelne Wände des Mietobjekts in kräftigen Farben (rot, gelb, blau) und gaben es in diesem Zustand bei Mietende zurück. Die Klägerin wendete für die Renovierung insgesamt 3.648,82 EUR auf. Hiervon entfallen 1.704,57 EUR auf den zusätzlichen Aufwand (Vorstreichen mit Haftgrund, zweimaliges Streichen) für die Beseitigung der farblichen Gestaltung. AG und LG haben die Schadenersatzforderung als berechtigt angesehen. Die Revision hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Der BGH entscheidet erstmals, dass der Mieter wegen der Rückgabe eines mit neutral gestrichenen Wänden übernommenen Mietobjekts in einem ausgefallenen farblichen Zustand - unabhängig von einer wirksamen Abwälzung der Schönheitsreparaturen - schadenersatzpflichtig ist.
Eine ungewöhnliche Farbwahl bei der Dekoration einzelner Räume führt nach allgemeiner Meinung (BGH MK 08, 178, Abruf-Nr. 082205) zu einer vom Vermieter nicht hinzunehmenden Verschlechterung der zurückgegebenen Mieträume, wenn eine Weitervermietung der Wohnung in diesem Zustand praktisch unmöglich ist. Grund: Dem Vermieter ist vor dem Hintergrund einer beabsichtigten Weitervermietung ein Interesse daran, die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses mit einer Dekoration zurückzuerhalten, die von möglichst vielen Mietinteressenten akzeptiert wird, nicht abzusprechen.
Vermieter und Mieter müssen bei der Gebrauchsüberlassung beziehungsweise Nutzung der Wohnung auf die Interessen des jeweils anderen Vertragspartners Rücksicht nehmen (§ 241 Abs. 2, § 242 BGB). Das heißt: Der Mieter hat nur während der Mietzeit das berechtigte Interesse, die Wohnung nach seinem persönlichen Geschmack zu dekorieren. Das berechtigte Interesse des Vermieters geht demgegenüber dahin, die Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses in einem Dekorationszustand zurückzuerhalten, der dem Geschmack eines größeren Interessentenkreises entspricht und somit einer baldigen Weitervermietung nicht entgegensteht (BGH MK 12, 95 Abruf-Nr. 120966; MK 11, 63, Abruf-Nr. 110950). Folge: Der Mieter muss eine von ihm angebrachte ungewöhnliche Dekoration bei Rückgabe der Wohnung wieder beseitigen (BGH MK 10, 37, Abruf-Nr. 100468; MK 09, 8 Abruf-Nr. 083697). Der Mieter verletzt seine Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2, § 242 BGB, wenn er die in neutraler Dekoration übernommene Wohnung bei Mietende in einem Zustand zurückgibt, der von vielen Mietinteressenten nicht akzeptiert wird. Der Schadenersatzanspruch des Vermieters beruht dann auf § 535, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 242 BGB. Sein Schaden besteht darin, dass er die für breite Mieterkreise nicht akzeptable Art der Dekoration beseitigen muss.
Die Beklagten haften allerdings nicht für Abnutzungserscheinungen, die auf einem vertragsgemäßen Mietgebrauch beruhen, sondern müssen nur die darüber hinausgehenden Mehrkosten unter Berücksichtigung eines Abzugs „neu für alt“ ersetzen.
Praxishinweis
Unbestritten zählt die freie - auch exzessive - farbliche Gestaltung der Räume während der Dauer des Mietverhältnisses zum vertragsgemäßen Gebrauch einer angemieteten Wohnung. Hieran hält der BGH fest. Das heißt: Vertragsklauseln, die dem Mieter während der Mietzeit eine bestimmte Farbwahl vorgeben, sind auch weiterhin unwirksam.
Zu einem nach § 280 Abs. 1 BGB sanktionierten vertragswidrigen Verhalten wird die ungewöhnliche Farbgestaltung, wenn der Mieter die Räume zurückgibt, ohne sie in einen Dekorationszustand versetzt zu haben, der dem Geschmack möglichst vieler Mietinteressenten entspricht. Hierzu erforderliche Maßnahmen sind - so der BGH - im Rechtssinne keine Schönheitsreparaturen. Das heißt: Auch wenn die Schönheitsreparaturen - wie hier - nicht wirksam auf den Mieter abgewälzt sind, kann der Mieter eine Schadenshaftung nur vermeiden, wenn er kräftige oder ungewöhnliche Farben beseitigt und die Wohnung vor ihrer Rückgabe in weißer oder in einer sonstigen dezenten, von möglichst vielen Mietinteressenten akzeptierten Farbe dekoriert.
Beachten Sie | Anders als die Instanzgerichte lehnt der BGH einen Rückgriff auf § 546 Abs. 1 BGB ab. Grund: Dieser enthält keine Regelung darüber, in welchem Zustand die Wohnung zurückzugeben ist, da der Zustand der Wohnung für die Rückgabe selbst ohne Bedeutung ist. Der Vermieter kann wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache zwar Schadenersatz verlangen, nicht aber die Rücknahme der Mietsache ablehnen (BGHZ 86, 204).
Die alleinige Bezugnahme des BGH auf § 280 Abs. 1 BGB lässt die Deutung zu, dass ein Vorgehen nach § 281 Abs. 1 BGB nicht Voraussetzung des Schadenersatzanspruchs sein soll. Demgegenüber hatte das AG noch auf § 281 Abs. 2 BGB abgestellt. Es bleibt abzuwarten, ob damit in der Frage der Fristsetzung das letzte Wort schon gesprochen ist. Zur Höhe des Schadens gilt Folgendes:
- Muss der Vermieter die Mieträume bei deren Rückgabe ohnehin renovieren, besteht sein Schadenersatzanspruch nur in Höhe des über eine normale Renovierung hinausgehenden zusätzlichen Aufwands (hier: 1.704,57 EUR für Vorstreichen mit Haftgrund, zweimaliges Streichen).
- Waren die Mieträume bei Bezug durch den Mieter frisch renoviert und ist der normale Renovierungsturnus bei Auszug (hier: nach rund 2 ½ Jahren) nicht abgelaufen und auch sonst nicht ersichtlich, dass Wände und Decken auch ohne den kräftigen Farbanstrich hätten neu angestrichen oder tapeziert werden müssen, ist der Schadenersatzanspruch des Vermieters nicht auf die über eine normale Renovierung hinausgehenden Kosten beschränkt.
- Beachten Sie | Weil der Vermieter in letzterem Fall im Ergebnis aber eine vollständig renovierte Wohnung nach nur kurzer Mietzeit zurückerhält, obwohl er (noch) keinen Anspruch auf Durchführung der Schönheitsreparaturen oder auf Zahlung eines anteiligen Betrags hierfür hatte, und der Mieter nicht für Abnutzungserscheinungen einstehen muss, die auf einem vertragsgemäßen Mietgebrauch beruhen, muss bei der Schadensermittlung (§ 287 ZPO) ein Abzug „neu für alt“ berücksichtigt werden.
- Das Maß der Vorteilsanrechnung richtet sich danach, in welchem Umfang die üblichen Renovierungsintervalle im Zeitpunkt der Schadensverursachung bereits abgelaufen sind. Das LG nimmt mit Billigung des BGH an, dass eine Renovierung von Wohn- und Schlafräumen „im Normalfall“ erst nach 5 Jahren erforderlich ist. Das führt im Streitfall zu einer 50-prozentigen Kürzung der gewöhnlichen Malerkosten. Hinzuzurechnen sind die Kosten für den Mehraufwand.
- Den Einwand der Beklagten, der Schadenersatzanspruch könne nur die Wände betreffen, die in einer intensiveren Farbe gestrichen worden seien, lässt das LG nicht gelten. Grund: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mussten auch die weißen Wände genauso wie die farbigen Wände zweimal gestrichen werden, um eine gleichmäßige Strukturierung zu erhalten.