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  • · Fachbeitrag · Sicherungsanordnung

    Hohe Hürden für gewerbliche Großvermieter

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    • 1.Hohe Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 283a Abs. 1 Nr. 1 ZPO setzt voraus, dass dem Zahlungsanspruch nach dem bisherigen Sach- und Streitstand mit hoher Wahrscheinlichkeit keine berechtigten Einwendungen oder Einreden entgegenstehen.
    • 2.Das allgemeine Prozessrisiko eines jeden Gläubigers, die Forderung nicht realisieren zu können, reicht als Sicherungsinteresse nicht aus.
    • 3.Bei dem gewerblichen Vermieter ist vor allem von Bedeutung, in welcher Relation die Höhe der zu sichernden Forderung zu Größe und Umsatz seines Unternehmens steht.
    • 4.Eine bloße Zahlungsunwilligkeit (hier: Zur Durchsetzung eines streitigen Mängelbeseitigungsanspruchs) stellt keinen besonderen Nachteil i.S. des § 283a Abs. 1 Nr. 2 ZPO dar.

    (OLG Celle 17.9.13, 2 W 205/13, Abruf-Nr. 133201)

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin hat an die Beklagte gewerbliche Räume verpachtet. Mit ihrer Klage verlangt sie u.a. Räumung, Zahlung rückständiger Miete (3/12 bis 10/12) sowie zukünftige Zahlung der Miete ab 11/12 bis zur Räumung. Ihren Antrag, die Beklagte zu verpflichten, für die nach Rechtshängigkeit fällig gewordenen Mietforderungen bzw. Nutzungsentschädigungen von 184.702 EUR (26.386 EUR x 7 Monate) Sicherheit nach § 283a Abs. 1 ZPO zu leisten, weist das LG (18.7.13) zurück. Der Räumungsklage gibt es durch Teilurteil (5.9.13) statt.

     

    Ihre Beschwerde begründet die Klägerin wie folgt: Ihr drohe eine Blockierung ihrer Einnahmen durch den Darlehensgeber, da sie sich in dem Darlehensvertrag verpflichtet habe, eine festgelegte Grenze des Schuldendienstdeckungsgrads von 175 Prozent nicht zu unterschreiten. Das bedeutet, die Mieteinnahmen müssten 175 Prozent des zu leistenden Schuldendiensts betragen. Aufgrund der Nichtzahlung der Beklagten lägen sie jedoch lediglich bei 172,63 Prozent (bei Zahlung/Sicherheitsleistung hingegen bei 175,31 Prozent). Durch Unterschreitung dieser Grenze befinde sie sich im sogenannten Cash Trap, sodass die Mieteinnahmen nach Abzug der Darlehenskosten nicht mehr zur freien Verfügung stünden, sondern durch den Darlehensgeber blockiert würden. Auch wenn die monatliche Miete der Beklagten lediglich 4 Prozent der Gesamtmieteinnahmen ausmache, könne auch eine Miete, die in Relation zur Gesamtmietfläche bzw. zu den Gesamtmieteinnahmen vergleichsweise niedrig sei, erhebliche wirtschaftliche Verluste hervorrufen. Der gesamte Zahlungsrückstand belaufe sich mittlerweile auf 650.653,12 EUR. Ihr Forderungsausfall wäre bei einer zu befürchtenden Zahlungsunfähigkeit der Beklagten, welche sich aus der Einstellung der Zahlungen ergebe, erheblich. Die Mietzinseinnahmen seien ihre einzige Einnahmequelle, auf die sie zur Tilgung des (teilweise) fremdfinanzierten Kapitals angewiesen sei. Ohne die beantragte Sicherheit werde sie keine neue Liquidität zur Tilgung ihrer Verbindlichkeiten erhalten. Das OLG weist die sofortige Beschwerde zurück.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Es handelt sich um die erste (lesenswerte!) OLG-Entscheidung zu der durch das MietrechtsÄndG 2013 eingeführten und ab 1.5.13 auch auf bereits laufende Verfahren anzuwendenden Sicherungsanordnung (§ 283a ZPO) für den Bereich der gewerblichen Miete. Der Senat lässt offen, ob die Sicherungsanordnung - wie es § 283a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO voraussetzt - hohe Aussicht auf Erfolg hat, also dem Zahlungsanspruch nach dem bisherigen Sach- und Streitstand mit hoher Wahrscheinlichkeit keine berechtigten Einwendungen oder Einreden entgegenstehen. Grund: Die nach § 283a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO erforderliche Interessenabwägung fällt zu Ungunsten der Klägerin aus.

     

    Der Senat repliziert zunächst die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/10485, S. 28). Danach ergibt sich ein besonderer Nachteil für den Kläger als Vermieter nicht allein aus der zu erwartenden Dauer des Verfahrens und dem Risiko der späteren Zahlungsunfähigkeit des Beklagten. Vielmehr muss der Kläger konkret dartun, welche besonderen Nachteile er über den Ausfall der Forderung hinaus zu erwarten hat. In die Interessenabwägung sind die Höhe des Zahlungsrückstands und die wirtschaftliche Bedeutung der Forderung für den Kläger einzubeziehen. Für den Beklagten wird zu berücksichtigen sein, ob und welche Nachteile die Sicherheitsleistung für ihn bringen kann.

     

    Das heißt: Für eine erfolgreiche Interessenabwägung muss der Kläger darlegen und glaubhaft machen, dass ihm der Ausfall der im Prozessverlauf fällig gewordenen Mietforderungen bzw. Ansprüche auf Nutzungsentschädigung besondere wirtschaftliche Nachteile zufügen würde, etwa weil er auf die Mieteinnahmen aus der streitgegenständlichen Wohnung zur Sicherung seiner Altersversorgung angewiesen ist. Das allgemeine Prozessrisiko eines jeden Gläubigers, die Forderung nicht realisieren zu können, reicht hingegen als Sicherungsinteresse nicht aus (BT-Drucksache 17/1045, S. 46). Bei der Abwägung der Interessen soll danach berücksichtigt werden, ob der Vermieter in besonderer Weise auf den laufenden Eingang der Zahlungen angewiesen ist, etwa weil er sie zum Bestreiten seines Lebensunterhalts oder zur Tilgung eines Darlehens benötigt, oder ob ein Ausfallrisiko im Hinblick auf seine Altersvorsorge ihn in besonderer Weise belastet.

     

    Merke | Die Sicherungsanordnung sichert nur Ansprüche, die nach Rechtshängigkeit fällig geworden sind. Das heißt: In die Interessenabwägung sind - egal wie hoch der aktuelle Mietrückstand ist - nur Ansprüche einzubeziehen, die Gegenstand (dieses Teils) der Zahlungsklage sein können. Die berücksichtigungsfähigen besonderen Nachteile müssen sich auf die zu sichernden Forderungen beziehen (Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 11. Aufl., § 283a, Rn. 27).

     

    Nach der auf BeckOK-ZPO/Bacher (§ 283a, Rn. 20) gestützten Auffassung des OLG ist beim gewerblichen Vermieter vor allem von Bedeutung, in welcher Relation die Höhe der zu sichernden Forderung zu Größe und Umsatz seines Unternehmens steht. Das beruht auf der bereits im Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen (BT-Drucksache 15/3594, S. 20) zu § 302a ZPO (Vorläufige Zahlungsanordnung) enthaltenen Überlegung, dass ein klagender Unternehmer je nach der Eigenart seines Betriebs oder nach seiner Betriebsgröße Außenstände besser oder schlechter verkraften kann. Hieran gemessen hat die Klägerin nach Auffassung des OLG mit ihrer im Sachverhalt wiedergegebenen Beschwerdebegründung nicht hinreichend konkret dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ihr der Ausfall der zu sichernden Forderung von 263.860 EUR besondere wirtschaftliche Nachteile zufügen würde, die über das allgemeine Zahlungsausfall- bzw. Prozessrisiko hinausgehen. Insbesondere hat die Klägerin nicht vorgetragen, in welcher Relation die Höhe der zu sichernden Forderung von 263.860 EUR zu Größe und Umsatz ihres Unternehmens steht. Hierzu hätte sie Angaben zu ihrer Unternehmensstruktur, dem Gewinn und Verlust der Gesellschaft oder den finanziellen Verhältnissen der Gesellschafter machen müssen.

     

    Beachten Sie | Angesichts der hohen Hürden für den Erlass der Sicherungsanordnung, sollte der Vermieter im Hinblick auf die ihn bei erfolgloser Beschwerde gemäß § 97 Abs. 1 ZPO treffende Kostenlast deren Einlegung sorgfältig prüfen. Gewerbliche Großvermieter dürften kaum Chancen auf einen erfolgreichen Antrag haben. Die Sicherungsanordnung dient - wenn überhaupt - vor allem dem Schutz von Privatvermietern, die den ungerechtfertigten Ausfall von Mieteinnahmen wirtschaftlich nur schwer kompensieren können.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Eingehend zur Sicherungsanordnung Geldmacher, Sonderausgabe „Mietrechtsreform 2013“, 33 ff.
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 183 | ID 42349843