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  • · Fachbeitrag · Verjährung

    Wann verjähren Ansprüche des Vermieters wegen Verschlechterung der Mietsache?

    von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin

    | Rechtsfragen um die kurze Verjährung nach § 548 BGB beschäftigen den BGH immer wieder. Er hat sich nun mit der Frage befasst, ob mietrechtliche Ersatzansprüche des Vermieters nach den Verjährungshöchstfristen des § 199 Abs. 2, 3 BGB verjähren können, bevor das Mietverhältnis beendet ist und der Vermieter die Mietsache zurückerhält (§ 548 Abs. 1 BGB). |

    Sachverhalt

    Die Kläger sind Vermieter, die Beklagten seit 1981 Mieter einer Wohnung im 4. OG in Berlin. In den ersten Jahren des Mietverhältnisses ‒ vor dem Jahr 1984 ‒ statteten die Beklagten das ursprünglich mit Holzdielen versehene Badezimmer mit einem Fliesenfußboden nebst Bodenabfluss aus. Die Arbeiten wurden nicht fachgerecht ausgeführt, eine Dichtung unterhalb der Fliesen nicht erstellt. Am 8.7.16 drang in das darunter gelegene Badezimmer der Wohnung im 3. OG schwallartig Wasser durch die Decke. Im Zuge der Schadensaufnahme wurde festgestellt, dass die Decke einsturzgefährdet war; mehrere Deckenbalken waren durch Feuchtigkeit beschädigt worden.

     

    Die Kläger haben 2017 Klage erhoben und geltend gemacht, die auf den Rollstuhl angewiesene Beklagte habe während der letzten 20 Jahre regelmäßig außerhalb der Badewanne geduscht. Dadurch sei Wasser durch den unzureichend abgedichteten Fliesenboden in die darunter gelegene Holzkonstruktion eingedrungen. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Die Kläger verlangen Zahlung von 37.643 EUR und festzustellen, dass die Beklagten alle weiteren Kosten der Schadensbeseitigung durch eindringendes Wasser aufgrund nicht sach- und fachgerechter Ausführung von Umbaumaßnahmen im Badezimmer der Wohnung zu tragen hätten. Die Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung (BGH 31.8.22, VIII ZR 132/20, Abruf-Nr. 231666).

    Entscheidungsgründe

    Die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung (§ 214 BGB) greift nicht durch. Die Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB kommt neben der Sonderregelung des § 548 Abs. 1 BGB nicht zur Anwendung. Der von den Klägern geltend gemachte vertragliche Schadenersatzanspruch folgt aus § 280 Abs. 1 BGB. Die Regelung ist nach Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB auf den im Jahr 1981 geschlossenen Mietvertrag anzuwenden.

     

    MERKE | Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren nach der für das Mietrecht geltenden Sondervorschrift des § 548 Abs. 1 BGB n. F. (Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB).

     

    Der Lauf der danach geltenden sechsmonatigen Verjährungsfrist beginnt ‒ unabhängig von der Anspruchsentstehung ‒ mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält (§ 548 Abs. 1 S. 2, § 200 S. 1 BGB). Der kurzen Verjährung unterliegen nicht nur mietvertragliche Ansprüche wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, sondern auch konkurrierende Ansprüche des Vermieters aus unerlaubter Handlung, die aus demselben Sachverhalt herrühren (st. Rspr.: BGH 29.6.11, VIII ZR 349/10, Abruf-Nr. 112342). Dies zugrunde gelegt, ist eine Anspruchsverjährung nicht eingetreten, denn das Mietverhältnis ist nicht beendet, die Kläger haben die Mietsache nicht ‒ i. S. d. § 548 Abs. 1 S. 2 BGB ‒ „zurückerhalten“.

     

    Beachten Sie | Das hat das LG auch gesehen. Es hat die Berechtigung des Schadenersatzanspruchs unterstellt, aber dessen Verjährung nach der 30-jährigen Höchstfrist für die Schadenersatzansprüche nach § 199 Abs. 3 Nr. 2 BGB angenommen. Die schadensursächliche Pflichtverletzung ‒ der Einbau der Bodenfliesen im Badezimmer unter Verstoß gegen die Regeln der Technik ‒ habe sich bereits vor 1984 und damit über 30 Jahre vor Klageerhebung ereignet. § 199 BGB regele ‒ so das LG ‒ nicht allein den „Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist“, sondern zudem besondere „Verjährungshöchstfristen“. § 548 BGB sei zwar „lex specialis“ zu § 199 BGB, aber nur bezüglich des Verjährungsbeginns, nicht der Höchstfristen in Abs. 2 bis 4.

     

    § 548 BGB regelt Verjährung abschließend

    Dieser Differenzierung ist der BGH nicht gefolgt. § 548 BGB trifft für bestimmte mietrechtliche Ansprüche (generell) eine abschließende Sonderregelung, die der allgemeinen Bestimmung des § 199 Abs. 3 BGB vorgeht. Eine Verjährung solcher Ansprüche könne vor der Rückgabe der Mietsache nicht eintreten. Schon der Wortlaut des § 548 Abs. 1 BGB deute darauf hin, dass es sich um eine abschließende Regelung der Verjährung mietvertraglicher Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache handelt. Hätte der Gesetzgeber das Verhältnis zwischen § 548 Abs. 1 BGB und den Höchstfristen in § 199 Abs. 2 bis 4 BGB dahin verstanden wissen wollen, dass Ersatzansprüche des Vermieters schon während des laufenden Mietverhältnisses nach den § 199 Abs. 2 bis 4 BGB und ‒ sofern danach nicht verjährt ‒ zusätzlich ab Rückgabe der Mietsache nach § 548 Abs. 1 BGB verjähren, hätte es nahegelegen, dies im Wortlaut des § 548 Abs. 1 BGB durch eine Wendung wie „spätestens“ oder durch einen Verweis auf die Verjährungshöchstfristen im Allgemeinen Teil des BGB zum Ausdruck zu bringen (lesenswert dazu auch der Exkurs des BGH zur Entstehungsgeschichte des § 558 BGB a. F).

     

    MERKE | Der BGH hat bereits 2005 für den umgekehrten Fall (letztlich hypothetisch) entschieden, dass nach der seit der Schuldrechtsmodernisierung geltenden Rechtslage die Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB auch dann mit der Rückgabe der Mietsache zu laufen beginnt, wenn der Ersatzanspruch des Vermieters noch nicht entstanden ist (BGH 19.1.05, VIII ZR 114/04). Ob die vom Vermieter behaupteten Ansprüche (Schadenersatz wegen vom Mieter nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen) tatsächlich erst nach Rückerhalt der Mietsache entstanden waren, hat der BGH offengelassen. Die Ansprüche waren erst recht verjährt, wenn sie bereits im Zeitpunkt der Rückgabe bestanden.

     

    Nach § 198 S. 1 BGB a. F. begann die Verjährung (generell) mit der Entstehung des Anspruchs. § 200 S. 1 BGB n. F. sieht dagegen einen Vorbehalt zugunsten abweichender gesetzlicher Bestimmungen vor: Die Verjährung von Ansprüchen, die nicht der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen, beginnt mit der Anspruchsentstehung, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist. § 548 Abs. 1 BGB lässt den Lauf der Verjährungsfrist mit der Rückgabe der Mietsache beginnen, abweichend von § 200 S. 1 HS 1 BGB.

     

    Sinn und Zweck der Sonderregelung

    Auch Sinn und Zweck des § 548 Abs. 1 BGB sowie die den Verjährungsvorschriften zugrunde liegenden Gesichtspunkte des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit hielt der BGH nicht für durchgreifend. Der Gesetzgeber habe sich ‒ auch um das Mietverhältnis nicht unnötig zu belasten ‒ dafür entschieden, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit nach Maßgabe des § 548 Abs. 1 BGB dadurch herzustellen, dass er die Verjährung ‒ unabhängig von der Entstehung des Anspruchs ‒ einerseits erst an die Rückgabe der Mietsache geknüpft, die Verjährungsfrist andererseits aber ‒ unabhängig von der Entstehung des Anspruchs ‒ auf sechs Monate beschränkt hat, statt eine Regelverjährung nach § 195 BGB vorzusehen (BT-Drucksache 14/4553, S. 45).

     

    Um das Ziel der Klärung bestehender Ansprüche zeitnah zur Rückgabe der Mietsache zu erreichen, müsse der Vermieter jedoch in die Lage versetzt werden, sich durch Ausübung der unmittelbaren Sachherrschaft über die Mietsache ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Mängeln, Veränderungen und Verschlechterungen zu machen. Der zentrale Gesetzeszweck ‒ den Vermieter zu einer möglichst raschen Klärung seiner Ersatzansprüche anzuhalten ‒ ist daher an den Rückerhalt der Mietsache geknüpft. Würde die Verjährung von Ansprüchen im Anwendungsbereich des § 548 Abs. 1 BGB nach § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB bereits eintreten, bevor der Vermieter die Mietsache zurückerhalten hat, würde die gesetzgeberische Wertung unterlaufen.

    Relevanz für die Praxis

    Die „Verbindlichkeit“ der kurzen Verjährung nach § 548 BGB ist damit höchstrichterlich weitgehend geklärt. Neben der Entscheidung des BGH vom 19.1.05 (VIII ZR 114/04) zum umgekehrten Fall der Verjährung eines (ggf.) noch nicht entstandenen Anspruchs des Vermieters ist an das Urteil vom 8.11.17 (VIII ZR 13/17, MK 18, 28) zu erinnern. Darin hat der BGH die bis dahin umstrittene Frage zur (Un-)Wirksamkeit einer Formularklausel beantwortet, nach der Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache und Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen oder Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung (einheitlich) in zwölf Monaten nach Beendigung des Mietverhältnisses verjähren sollten.

     

    Die Entscheidung ist sachgerecht. Es handelt sich wohl tatsächlich um einen seltenen Ausnahmefall, für den es ‒ das drängt sich auf ‒ versicherungsrechtliche Lösungen bzw. Vorkehrungen geben dürfte. Das zu prüfen, gibt der BGH dem LG mit auf den Weg. Die Kläger könnten hier gehalten sein, ihre Streithelferin aus der bei dieser unterhaltenen Versicherung gegen Leitungswasserschäden in Anspruch zu nehmen, ohne dass diese bei der Beklagten Rückgriff nehmen könnte (BGH 3.11.04, VIII ZR 28/04; 9.11.14, VIII ZR 191/13).

    Quelle: Ausgabe 12 / 2022 | Seite 226 | ID 48724076