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Fristlose Kündigung gegenüber schuldunfähigem Mieter möglich
| Eine fristlose Kündigung ist auch gegenüber einem psychisch kranken oder schuldunfähigen Mieter möglich, wenn trotz Abmahnung der Hausfrieden systematisch, wiederholt und nachhaltig gestört wird ‒ mit der Folge der vorzeitigen Kündigung von anderen Mietern und der Nichtvermietbarkeit angrenzender Wohnungen. Ein Sachverständigengutachten über den Gesundheitszustand muss dann nicht eingeholt werden (VerfGH Sachsen 30.8.23, Vf. 40-IV-23, Abruf-Nr. 239363 ). |
Der Vermieter kündigte nach Abmahnung das Mietverhältnis mit einem psychisch kranken Mieter wegen wiederholten Lärmstörungen fristlos, hilfsweise ordentlich. Andere Mieter hatten wegen des Lärms ihr Mietverhältnis gekündigt; eine Neuvermietung der angrenzenden Wohnung gelang nicht.
Gegen die erfolgreiche Räumungsklage (AG Dresden 9.2.23, 146 C 757/22) legte der Mieter Berufung ein, die er nach Hinweisbeschluss des LG Dresden (26.6.23, 4 S 88/23) gemäß § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zurücknahm. Das LG hatte ausgeführt, dass zwar in der Regel ein schuldhaftes Verhalten des Mieters für die Begründung des Kündigungsgrundes erforderlich sei. Dies gelte aber nicht absolut, da auch bei Schuldlosigkeit das zumutbare Maß und damit die Zumutbarkeitsgrenze für den Vermieter überschritten sei und in der Abwägung überwiegen könne. Zwar ergebe sich aus den Wertentscheidungen des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG eine erhöhte Toleranzbereitschaft gegenüber nicht oder nur eingeschränkt verantwortlichen Mietern, z. B. Verschlechterung des Gesundheitszustands, Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche oder Suizidgefährdung. Doch auch wenn der Mieter aufgrund der psychischen Erkrankung nicht in der Lage sei, das Unrecht seines Handelns zu erkennen, sei hier die Zumutbarkeitsgrenze für den Vermieter deutlich überschritten.
Gegen das Urteil und den Beschluss legte der Mieter Verfassungsbeschwerde ein. Ohne Erfolg: Die Beschwerde sei unzulässig, sie genüge nicht den Begründungsanforderungen, so der VGH. Das LG habe sich umfassend ‒ auch ‒ mit Grundrechten auseinandergesetzt. Eine konkrete Grundrechtsverletzung rüge der Beschwerdeführer nicht.
Beachten Sie | Die Kündigung eines schuldunfähigen, psychisch kranken Mieters ist zwar möglich; jedoch müssen die wechselseitigen Interessen der Beteiligten in einem solchen Fall unter Beachtung der besonderen Schutzbedürftigkeit des kranken Mieters besonders sorgfältig gegeneinander abgewogen werden (BGH 9.11.16, VIII ZR 73/16; AG Düren 22.9.10, 47 C 117/10).
Wie die Entscheidung zeigt, endet die Toleranzpflicht, wo durch das Verhalten die Gesundheit des Vermieters oder anderer Mieter im Haus ernsthaft gefährdet oder der Hausfrieden ständig durch Pöbeleien und Beleidigungen der Mitbewohner gestört wird (AG Wedding 25.7.13, 7 C 148/12). Wenn die Störungen durch die Einrichtung einer Betreuung oder durch ärztliche Behandlung beseitigt oder mindestens auf ein zumutbares Maß reduziert werden können, sollte der Vermieter erwägen, beim Betreuungsgericht die Einrichtung einer Betreuung anzuregen.